Green Arrow: Das erste Jahr (Comic)

Green Arrow: Das erste Jahr
(Green Arrow: Year One 1-6)
Autor: Andy Diggle
Zeichnungen: Jock
Übersetzung: Marc Schmitz
Panini, 2015, Paperback, 148 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-95798-478-4

Von Frank Drehmel

Im US-amerikanischen Comic ist es üblich, Helden - und auch Schurken - gleichsam einem Facelifting zu unterziehen, das nicht nur Physiognomie und Kostüm betrifft, sondern Hintergrund und Herkunft der Figur neu definiert. Ab und an erfolgt dieser Relaunch sogar in vergleichsweise kurzen Zeitabständen, so auch im Falle Green Arrows. Bevor die Serie im Zuge von DCs „The New 52“-Relaunch 2011 erneut aufgehübscht werden sollte, versuchten Andy Diggle und Jock 2007 die vorliegende Neugestaltung des Hintergrundes des grünen Bogenschützen, ohne dabei alte Konzept-Zöpfe vollends abzuschneiden.

 

Oliver Queens Profession ist die, ein reicher Sohn zu sein; in Ermangelung sozialer Kompetenz, ausgestattet mit mehr als nur einem Anflug von Arroganz sowie einem Hang zum Hedonismus und immer auf der Suche nach dem Adrenalin-Kick, der ihn seine emotionale Einsamkeit für einen Moment vergessen lässt, stößt er nicht nur Freunde vor den Kopf, sondern macht sich in der Öffentlichkeit geradezu zum - steinreichen - Deppen.

Sein asozialer Habitus holt ihn ein, als sein väterlicher Freund und Mentor Hackett der Loyalität zu  dem eigensüchtigen Egomanen überdrüssig wird und selbst ein krummes Ding durchziehen will. Hackett „entsorgt“ Oliver nach einem kurzen Kampf mitten auf dem Ozean über Bord seiner luxuriösen Yacht im festen Glauben, dass sein bewusstloser Schützling ertrinken wird. Doch das Schicksal meint es gut mit Queen: der reiche Jüngling erwacht am Strand einer fremden, augenscheinlich - mittlerweile - verlassenen Insel. In einem alten Bunkerkomplex findet er zwar einige Utensilien, die sein Leben in der Einsamkeit etwas erleichtern, ist aber dennoch ganz auf sich zurückgeworfen und fristet seine Tage, die irgendwann zu Monaten werden, mit jagen, essen und dösen, schult dabei aber immerhin seine lange brachliegenden Fähigkeiten im Umgang mit einem - selbstgebastelten - Bogen.

Als er eines Tages aus heiterem Himmel mit Drogenhändlern - darunter auch sein alter Freund Hackett - konfrontiert wird, welche auf der Insel eine riesige Schlafmohn-Plantage betreiben, sind es diese Fähigkeiten, die ihn in die Lage versetzen, den Kampf gegen die skrupellosen Verbrecher aufzunehmen. Dennoch wäre Oliver Queen ohne weitere fremde und selbstlose Hilfe verloren.


Regelmäßige Zuschauer der „Arrow“-TV-Show werden schon nach wenigen Seiten den Grundplot der Geschichte wiedererkennen. Und in der Tat lieferte Diggels „Year One“-Story die Vorlage für einen wichtigen Pfeiler der Fernsehserie, für die Rückblenden auf Ollies leidvollen „Insel-Urlaub“.
Allerdings gibt es zentrale Unterschiede zur TV-Adaption: Zunächst kommt Diggles Geschichte mit deutlich weniger plakativer Gewalt und Brutalität aus, was bedeutet, dass keine (neuen) signifikanten seelischen und körperlichen Narben die Comic-Figur prägen. Zweitens ist die vorliegende Handlung wesentlich stringenter und komprimierter erzählt und zerfasert nicht in einen Wust aus Plots und Nebenplots getragen von unzähligen Nebenfiguren. Und obschon die Comic-Story unterm Strich vergleichsweise klischeebehaftet und nicht sonderlich originell ist und eine eher schwache Psychologisierung der Figur liefert, so stellt sie dennoch eine gefällige, problemlos zugängliche und in Teilen spannende Neudefinition des Green-Arrow-Backgrounds dar und ist um Längen unterhaltsamer als die ersten 16 Hefte des „52er“-Relaunches.

Mark „Jock“ Simpsons Artwork, das schon in der Serie „The Losers“ (dt. bei Panini) überzeugte, ist auch hier ohne Fehl und Tadel: dem kantigen, leicht skizzenhaften Strich mit seinem Spiel aus Licht und Schatten - in der Kolorierung werden Hell-Dunkel-Kontraste dadurch relativiert, dass weitgehend auf Schwarz und Weiß verzichtet wird und oftmals surreale Farbschemata das Mittel der Wahl sind -, und den cineastischen Perspektiven wohnt eine hohe visuelle Dynamik inne, die durch die Reduktion des Bildhintergrunds auf notwendige Details und die Konzentration auf die Figuren nochmals unterstrichen wird.

Fazit: Eine unterhaltsame, actionreiche und exzellent visualisierte Neudefinition des Green-Arrow-Backgrounds; leichter zugänglich und stringenter erzählt als die auf „Year One“ basierende Arrow-TV-Adaption.