Freaks' Squeele 1: Totenfeier (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 14. Juli 2015 12:19
Freaks' Squeele 1
Totenfeier
(Freaks Squeele: Funerailles T.1)
Text & Artwork: Florent Maudoux
Übersetzung: Harald Sachse
Splitter, 2015, Hardcover, 80 Seiten, 17,80 EUR, ISBN 978-3-95839-084-3
Von Frank Drehmel
Schaut man auf die deutsche Veröffentlichungshistorie von „Freaks’ Squeele“ – eine Reihe, die immerhin im Original schon im Jahre 2008 begann –, sieht man nichts als Düsternis, denn eine deutsche Fassung von Maudoux’ abgedrehtem Genre-Mix hat trotz mehrfacher Ankündigung von Tokyopop bisher keine entsprechende Lokalisation erfahren. Nachdem einer der größten hiesigen Manga-Verlage sein Scheitern eingestehen musste, hat sich nun der Splitter Verlag, in dessen Programm Mangas zwar keinen festen Platz haben, der sich aber mit Serien wie „Gipsy“ der europäischen Spielart gegenüber offen zeigt(e), dieser – um es vorwegzunehmen – äußerst unterhaltsamen Reihe angenommen.
Ohnehin finden sich mittlerweile in zahlreichen frankobelgischen Comic-Produktionen visuelle und erzählerische Elemente des Mangas, so dass die Veröffentlichung bei Splitter durchaus Sinn mach; zudem handelt es sich bei „Freaks’ Squeele“ mitnichten um einen reinrassigen Manga, sondern Maudoux mischt fröhlich Elemente des US-amerikanischen, frankobelgischen und japanischen Comics und kreiert dadurch eine Reihe mit ganz eigenem visuellen Charme.
Im Mittelpunkt der 2008 bei Ankama gestarteten Serie stehen einige Studenten der sogenannten Fakultät für Akademische Helden Studien (F.A.H.S.), wobei sich die Studentenschaft nicht nur aus normalen Mensch zusammensetzt, sondern auch aus allerlei merkwürdigen Wesen von Dämonen über Werwölfe bis hin zu Elfen und Vampiren. Und was ist schon eine Fakultät ohne Dozenten?! Und genau an diesem Punkt – also nicht unmittelbar bei der Ursprungsserie – setzt der vorliegende Comic an, der den Werdegang zweier prägender Mitglieder des Kollegiums näher beleuchtet: bei Scipio und seinem Zwillingsbruder Pretorius.
Weil eine uralte Prophezeiung den Untergang der Zivilisation für den Fall der Geburt zweier perfekter Zwillinge vorhersagt, beschließen Mutter – ihres Zeichens angehende Hohepriesterin der Spinne – und ihre Ratgeberin Psamathea aus dem Haus der Gottesanbeterin, nur den Erstgeborenen Scipio großzuziehen und den Zweitgeborenen, Pretorius, direkt nach der Geburt zu töten. Sie lassen die alte Hebamme beseitigen, verschweigen dem Vater, Hauptmann Spartakus, die Zwillingsgeburt und lassen den Säugling den Schweinen zum Fraß vorwerfen. Bevor die Tiere jedoch das Kind töten, wird es gerettet, verliert allerdings bei dem Mordversuch einen Arm und eine Auge.
Die Jahre gehen ins Land. Während Scipio eine wahrhaft königliche Erziehung genießt und in den schönen wie kriegerischen Künsten unterrichtet wird, ist Pretorius ein Kind der Straße: hochintelligent, wild, kreativ und dank seines akademischen Ziehvaters, der seinen Sohn sogar mit einem Arm-Transplantat versorgt, ebenfalls hochgebildet.
Eines Tages lernen sich die beiden Jungen zufällig kennen und werden Freunde. Pretorius bringt Scipio nicht nur sein besonderes Hobby, das Gießen kleiner Zinnfiguren, nahe, sondern führt den adeligen Jungen in die schmutzige und bizarre Welt außerhalb des Palastes ein. Während eines gemeinsamen Ausflugs erkennen der General und die Hohepriesterin in dem Jungen aufgrund der Ähnlichkeit und trotz des entstellten Gesichts Pretorius. Während der Vater Nachforschungen über die Herkunft des ihm fremden Kindes anstellen lässt, fasst die Mutter den Plan, das Kind endgültig beseitigen zu lassen. Doch dazu muss nun auch der Vater aus dem Weg geräumt werden.
Lässt sich Maudoux leichtes, zum Skizzenhaften neigende feinstrichige Artwork schon kaum einer Comic-Richtung zuordnen, da es munter Elemente des Manga (Posing und Figurenkonzeption) mit frankobelgischer Schule (Zeichenduktus) und US-amerikanischem Ansatz (Seitenkomposition) verbindet, so sprengt die Geschichte selbst sämtliche Genre-Grenzen: Mystery trifft auf Dark Fantasy und Steampunk garniert mit einem Hauch Science Fiction. Unzählige Referenzen und Anspielungen auf reale historische Ereignisse und (pop)kulturelle Gegebenheiten, angefangen bei TV-Shows über eher abseitige Hobbys wie Tabletops und literarische Klassiker bis hin zu Musik-Stilen, nehmen den Leser sofort für sich ein. Und obgleich der Grundplot der Geschichte vergleichsweise stereotyp und klischeehaft daherkommt, vermag ein oftmals ironischer oder betont schwülstiger Ton dieses Manko aufzufangen. Ein kleiner Wermutstropfen besteht darin, dass in Unkenntnis der Welt – und hier macht sich bemerkbar, dass Splitter die Veröffentlichung nicht mit der Ursprungsserie startet – viele Bezüge und Begriffe zunächst vage bleiben. Da aber ohnehin die Entwicklung der Protagonisten im Mittelpunkt steht, ist auch dieses verschmerzbar, weil für den Werdegang an dieser Stelle nicht maßgeblich.
Fazit: Ein temporeicher Genre-Mix mit zahlreichen Anspielungen und Zitaten auf „Gott und die Welt“ sowie ein charmant-eigenständiges Artwork machen aus „Freaks’ Squeele “ 1 trotz des düsteren Titels und des dunklen Coverbildes humorvoll-abgedrehte, leichte und unterhaltsame Comic-Unterhaltung für fast jedermann.