Das zauberhafte Land Oz (Comic)

Eric Shanover
Das zauberhafte Land Oz
(The Marvelous Land of Oz 1-8, 2010)
Aus dem Amerikanischen von Bernd Kronsbein
Titelillustration und Zeichnungen von SkottieYoung
Panini, 2014, Hardcover, 200 Seiten, 24,99 EUR, ISBN 978-3-86201-949-6

Von Britta van den Boom

Das zauberhafte Land Oz ohne Dorothy – das gibt es auch. Der vierte Band der Reihe macht einen zeitlichen Sprung zurück und stellt diesmal den Jungen Tip in den Mittelpunkt, der in Oz geboren ist und bei der alten Mumbi lebt, einer äußerst unerfreulichen Frau, die zudem gegen das Gebot der Weißen Hexe Glinda verstößt und Magie praktiziert. Als Tip es nicht mehr bei seiner bösen Ziehmutter aushält, bricht er zusammen mit seinem selbst gebauten und belebten Freund Kürbiskopf zur Smaragdstadt auf.

Die Reise ist abenteuerlich, und Tip gewinnt im Laufe der Zeit immer mehr Gefährten, von denen einige dem Leser bereits wohlvertraut sind: der Blechmann, die Vogelscheuche, das Holzpferd und ein gigantischer Quasselkäfer, der unermüdlich (und ermüdend) betont, wie gebildet er doch ist. Zusammen versuchen sie, die Smaragdstadt von der Generalin Jinjur zu befreien, die sich mit Hilfe ihrer Armee aus Mädchen selber zur Königin erhoben hat. Schließlich kann nur Glinda die Gute helfen, nicht nur die Stadt zu befreien, sondern sie mit einer überraschenden Wendung der Geschichte sogar noch der rechtmäßigen Herrscherin Ozma zurückzugeben.

Frank Baum hat „Das zauberhafte Land Oz“ geschrieben, um an den Erfolg des „Zauberers von Oz“ anzuknüpfen und ein neues, erfolgreiches Musical zu erschaffen. Dafür hat er dem Blechmann und der Vogelscheuche Hauptrollen gegeben und sie mit anderen, bizarren Gestalten ergänzt. Die Rechnung ging damals für das Theater nicht auf, und auch in dem Comicbuch springt der Funke, der die ersten Bände der „Oz“-Reihe so unwiderstehlich gemacht hat, nicht über.

Das liegt keinesfalls daran, dass die Qualität weniger hervorragend wäre. Die Zeichnungen sind originell, lebendig und liebevoll wie zuvor, die Kolorierung ebenfalls. Die Geschichte hat einige sehr interessante Aspekte, wie zum Beispiel die Idee einer Mädchenarmee unter der Regie einer Generalin, die aus ebenso fadenscheinigen Gründen in den Krieg zieht wie alle anderen. Das ausführliche und interessante Vorwort von Eric Shanower hat zu diesem erst einmal wie vernichtende Kritik an der Frauenrechtsbewegung jener Zeit wirkenden Teil der Geschichte gute Hintergrundinformationen. Da zudem der Comic durch eine Galerie schöner Variant-Cover und Charakterskizzen am Schluss ergänzt wird, bleibt in dieser Hinsicht kein Wunsch offen.

Doch die Geschichte selber zieht sich stellenweise sehr in die Länge. Tip und seine Gefährten irren durch Oz, reisen hierhin und dorthin, und auch wenn die Landschaft spannend ist, sind ihre endlosen Gespräche mit viel Eigenlob, Bissigkeit und leerem Gerede es nicht. Baum zeigt hier eine Verliebtheit mit seinen Figuren, die der Erzählung alle Energie nimmt, und es überrascht, wie grob die Helden zum Teil miteinander umgehen. Dass in den „Oz“-Geschichten nicht alle immer harmonisch sind, macht ihren Reiz aus, jedoch mehr, wenn es eine Bereicherung darstellt und nicht einen Selbstzweck. Tip, der als Hauptfigur der Geschichte startet, wird immer mehr zum Randcharakter und gewinnt erst wieder am Ende, wenn auch jeder Leser mittlerweile oft genug gehört hat, dass der Blechmann ein gutes Herz besitzt und die Vogelscheuche einen scharfen Verstand.

Somit ist „Das zauberhafte Land Oz“ definitiv ein Band, der in der Sammlung nicht fehlen sollte, doch mit Sicherheit nicht der Stärkste in der Reihe.