Die Welt von The Witcher (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 13. Juni 2015 20:55
Die Welt von The Witcher
(The World of the Witcher, 2014)
Aus dem Amerikanischen von Tobias Tonneguzzo
Illustrationen von B. Gawel, P. Dobosz, A. Kozlowski, A. Marlej u.v.a.
Panini, 2015, Hardcover, 224 Seiten, 39,99 EUR, ISBN 978-3-8332-2894-0
Von Christel Scheja
Lange Zeit wurden die Romane und Kurzgeschichten um Geralt von Riva kaum beachtet. Das mochte daran liegen, dass die Geschichten von einem polnischen Autor stammten und die damalige Leserschaft eher auf westliche Lektüre geeicht war. Aber schon damals verstand es Andrzej Sapkowski, seinen Geschichten einen besonderen Charme zu verleihen, der sie aus der Masse heraushob. Ihren Siegeszug um die Welt traten die Erzählungen erst an, als findige Köpfe sie als Hintergrund für ein Computerspiel nutzten. Mittlerweile ist von „The Witcher“ sogar bereits ein dritter Teil erschienen und das Interesse der Fans scheint noch immer ungebrochen zu sein.
So ist es kein Wunder, dass es nun auch einen Bildband gibt, der die Hintergründe der Saga ausführlicher zusammenfasst: „Die Welt von The Witcher“. Das Ganze ist zwar als Videogame-Kompendium gedacht, ist aber auch für die normalen Leser interessant, die „nur“ die Buch- oder Comicreihe kennen.
Der Barde Rittersporn ist nicht nur ein Sänger, der die Taten vieler Helden besingt, er kennt sich auch sehr gut in der Geschichte und in den Ländern seiner Welt aus. Deshalb fungiert er in diesem Kompendium auch als Führer durch die Vergangenheit und Gegenwart, stellt den ganzen Facettenreichtum, die Geheimnisse und die wichtigsten Gruppierungen vor, die das Schicksal des ganzen Kontinentes bestimmen.
Zunächst einmal stellt er die Welt und ihre Bewohner vor. Von der frühesten Geschichte bis hin zu den aktuellen Ereignissen begleitet der Leser den Barden auf der Reise durch die ferne Vergangenheit, in der ganz andere Rassen als die Menschen das Leben auf dem Kontinent bestimmten, bin in die Gegenwart, in der verschiedenste Kräfte um die Macht ringen und argwöhnisch beäugen, was bei den Nachbarn geschieht. Dabei ist oft der Mensch des Menschen größter Feind.
Die Hexer entstanden als Kämpfer gegen die magischen Kreaturen und Monster, die kein normaler Mensch besiegen kann. Sie ziehen zumeist als Einzelgänger durch das Land, haben aber auch einen Ort, an den sie sich zurückziehen und erholen können oder den Nachwuchs ausbilden. Sie sind nicht die einzigen Magie-Begabten dieser Welt, neben ihnen nutzen auch noch unzählige Zauberer und Priester die arkanen Kräfte. Allerdings mischen diese sich weitaus mehr in die Politik und Intrigen der Adligen ein, und manchmal brechen sie auch bewusst Gesetze um die Grenzen der Magie auszutesten. Besonders in den nördlichen Königreichen machen seltsame Kreaturen die Welt unsicher. Mit diesen schlagen sich wie immer die Hexer herum, von denen Geralt von Riva der Schillerndste ist. Rittersporn nimmt sich auch hier die Zeit, den Helden und Freund ausführlich vorzustellen.
„Die Welt von The Witcher“ ist eigentlich sehr klassisch aufgebaut; der geneigte Leser erfährt in unterhaltsam erzählten Texten mehr über Land und Leute, Organisationen und Mächte, Magie und Religionen, aber auch die ein oder andere wichtige Persönlichkeit, denen er im Spiel und in den Romanen begegnen kann. Eines wird man allerdings vergeblich suchen: eine Übersichtskarte. Die gibt es ebensowenig wie in den Romanen, so dass man sich mehr oder weniger auf die Beschreibungen verlassen muss um nachvollziehen zu können, wie die Länder eigentlich zueinander liegen und wie groß die bekannte Welt dieses Kosmos’ ist.
Man erfährt Einiges über die Geschichte, die die Welt bis heute geformt hat, vom Aufstieg und Niedergang der Reiche und Imperien, die bis heute den Menschen der Gegenwart zu schaffen machen, weil sie gefährliche magische Quellen in Form von Artefakten und Büchern hinterlassen haben oder deren Ruinen Zuflucht für Monster und Dämonen bieten. Auch geographische Besonderheiten, Fauna und Flora werden erwähnt, sofern diese für die Geschichten und das Spiel wichtig sind.
Mehr im Fokus stehen die intelligenten Wesen und Völker oder die Kreaturen, die geschaffen wurden, um dem einfachen Volk zuzusetzen. Es macht Spaß, die Zusammenhänge zwischen Machtspielchen und Intrigen, der Vermessenheit und dem Wahnsinn einiger Zauberer oder dem Fanatismus religiöser Gruppen in komprimierter Form zu lesen zu bekommen. Man merkt immer wieder, dass die Autoren sehr gut recherchiert, sprich die Romane und Kurzgeschichten genauestens gelesen haben, um interessante Details herauszupicken und genauer zu betrachten. Dennoch bleibt genügend offen, um auch für den Leser genug Spannung zu bewahren.
Bei der Geschichte von Geralt von Riva wurden alle Bücher und Kurzgeschichten bis zum fünfteiligen Zyklus um ihn und die rebellische Prinzessin Ciri berücksichtigt, die später erschienenen Romane nicht mehr. Aber das tut der Zusammenstellung keinen Abbruch. Es macht Spaß, die flüssig geschriebenen Texte zu lesen, die zwar eine persönliche Note haben, aber an Sachlichkeit nicht verlieren. Sie sind in kleine, übersichtliche Abschnitte eingeteilt, die sich auf einen Punkt konzentrieren und diesen entsprechend ausführlich darstellen.
Wer die Romane kennt, wird sicherlich Vieles bereits wissen oder nach einiger Überlegung wiedererkennen, der Leser erhält aber so auch ein handliches Nachschlagewerk, das er immer wieder zur Hand nehmen kann, wenn ihm etwas entfallen ist.
Besonderer Pluspunkt und das Highlight des Bandes sind wohl die vielen Illustrationen. Bei fast allen handelt es sich um farbige Gemälde, die in erster Linie Landschaften, Kreaturen und Personen aus der Saga zeigen und dabei helfen, sich Orte und Landschaften, aber auch die handlungstragenden Figuren und Monster besser vorzustellen. Viele der Bilder werden wohl Konzept-Zeichnungen für das Game gewesen oder diesem gleich entnommen worden sein, einige tragen aber auch deutlich die Handschrift der Comic-Künstler der Miniserien, die bei Dark Horse erscheinen. Farben und Details treten dank des guten Papiers ordentlich hervor und verstärken die Raumtiefe einiger Gemälde ungemein.
„Die Welt von The Witcher“ ist sein Geld mehr als wert, vor allem, wenn man die Videospielreihe kennt und mehr über den faszinierenden Hintergrund erfahren möchte, der sich beim Spielen selbst vermutlich nur in Teilen erschlossen hat oder durch die Action unterging. Aber auch wer nur die Romane schätzen und lieben gelernt hat, wird die Sammlung ausgezeichneter Bilder und interessanter Texte genießen können, da sich das Buch auch der kleinsten Details annimmt und sich so wunderbar als Nachschlagewerk eignet.