The Wake (Comic)

The Wake
(The Wake 1-10)
Autor: Scott Synder
Zeichnungen: Sean Murphy
Übersetzung: Bernd Kronsbein
Panini, 2015, Hardcover, 228 Seiten, 24,99 EUR, ISBN 978-3-957978-111-0

Von Frank Drehmel

Als eines Tages Dr. Lee Archer von Agent Astor Cruz vom Department of Homeland Security kontaktiert wird, reagiert die junge Meeresbiologin mit dem Spezialgebiet „Kommunikation von Walen“ zunächst sehr unwirsch, denn ihre bisherigen Erfahrungen mit staatlichen Organisationen sind eher unerfreulicher Natur. Dennoch kann Cruz sie überzeugen, einer Tiefseeexpedition beizutreten, um angeblich ein geheimnisvolles Signal zu entschlüsseln, das man aufgefangen haben will.

Schon kurz nachdem Archer, Cruz und ihr Team aus Spezialisten auf dem Meeresgrund angekommen sind, erweisen sich die Ausführung des Agenten als unvollständig. Nicht nur, dass auf dem Meeresboden eine zwar gigantische, jedoch geheime Ölförder- und Forschungsstation ihrer harrt, auch ist der Ursprung des Signals nicht so unklar, wie Cruz es sie Glauben machen wollte. Sein Urheber ist ein amphibisches, humanoides Wesen – ein Mers –, das man gefangennehmen konnte, und das man nun in einem Glastank in Ketten hält und das über telepathische Fähigkeiten verfügt.

Infolge einer Unachtsamkeit kann das Wesen entkommen und fängt an, ein Besatzungsmitglied nach dem anderen niederzumetzeln. Für Archer und ihre Kollegen beginnt, gefangen in der unterseeischen Station, ein Kampf auf Leben und Tod, im Zuge dessen sie erfahren, dass das Wesen erstens eines von Myriaden ist und das zweitens etwas viel Gigantischeres im Meer lauert, etwas, das nicht zögert, einen Krieg gegen die menschlichen Landbewohner vom Zaun zu brechen.

Viele Jahre später: Das Antlitz der Erde hat sich verändert, zahlreiche Küstenregionen sind überschwemmt, zwischen Mers und Menschen herrscht nach wie vor ein permanenter Krieg. Leeward ist eine junge Abenteurerin, die mit ihrem dressierten Delfin Dash Jagd auf Mers macht, da diese Drüsen besitzen, aus denen sich ein starkes Halluzinogen gewinnen lässt. Und Leeward besitzt ein ausgesprochenes Faible für antiquierte Technik, mit der sie Funksprüchen aus der Tiefe der See nachspürt. Eines Tages empfängt sie den Notruf einer gewissen Lee Archer und findet sich kurz darauf als Gefangene auf einem Sklavenschiff der Regierung wieder. Als sie von Mers angegriffen werden, gelingt ihr die Flucht vom Regen in die Traufe, denn nun ist sie in den Händen der sogenannten Ausreißer, von Menschen beziehungsweise Mensch-Mers-Hybriden, die mit den Mers kollaborieren und sogar Interspezies-Beziehungen eingehen und deren Ruf der von Kannibalen und Mördern ist.

Überraschenderweise erweisen sich jedoch die Ausreißer als wissende Verbündete und so beginnt für Leeward – gejagt von den Häschern der Regierung – eine Reise in die Tiefe und in die evolutionäre Geschichte der Menschheit.

Überraschend ist auch, dass Scott Snyders und Sean Murphys Mini-Serie 2014 mit dem Eisner Award ausgezeichnet wurde. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Murphys Artwork ist herausragend! Starke Hell-Dunkel-Kontraste, eine cineastische Seitenaufteilung mit „Überblendungen“ und Perspektivwechseln, ein authentischer Detailreichtum insbesondere des technischen Ambientes sowie ein skizzenhafter, leicht eckiger Duktus, dem eine ganz eigene Dynamik inhärent ist und der in Teilen an Ted McKeevers Kunst erinnert, erzeugen von der ersten Seite an eine hohe visuelle Dramatik, die den Leser sofort in ihren Bann zieht.

Doch das Artwork ist nur eine Seite der Medaille, die Geschichte selbst ist die andere; und hier weiß Scott Snyder in weiten Teilen kaum Neues zu erzählen, sondern fügt Versatzstücke aus zahlreichen einschlägigen Filmen – angefangen bei der „Alien“-Reihe über „Waterworld“ bis in zu „Mad Max“ (und viele andere mehr) – aneinander. Wohlwollend mag man das als Reminiszenzen an großes Action-Kino und cineastischen Survival Horror werten, weniger nachsichtige Leser – wie ich – empfinden das als „unoriginell“. Und die Stellen, an denen Snyder einen nachvollziehbar eigenen Beitrag leistet – die evolutionäre Bedeutung der Mers, einen „Space Seed“-Ansatz – wirken biologistisch, philosophisch verquast, bemüht und zum Teil regelrecht lächerlich. Nichtsdestotrotz ist die Geschichte spannend, actionreich, mit einigen überraschenden Wendungen, die allerdings nicht immer stringent sind, sodass unterm Strich gute Mainsteam-Unterhaltung bleibt, ohne dass sich jedoch der Eisner Award vollkommen erschließen will.

Uneingeschränkt interessant ist der Aufbau der Handlung mit Rückblenden, Visionen, Zeit- und Ortssprüngen, der vom Leser zwar Aufmerksamkeit über das comicgewöhnliche Maß hinaus erfordert, der jedoch schon dadurch nachvollziehbar bleibt, dass die Mini-Serie komplett in einem Band veröffentlicht wird.

Fazit: Das herausragend dynamische, ausdrucksstark-kantige Artwork mach in Verbindung mit einer zwar nicht sonderlich originellen, aber dennoch spannenden und abwechslungsreichen Story „The Wake“ zu einer bedenkenlosen Empfehlung für jeden Freund actionreicher Dystopien.