X-Men Sonderband 3: Blutlinie (Comic)

Brian Wood
Blutlinie
X-Men Sonderband 3
(X-Men 13-17: Bloodline, Part 1-4 + Finale, Bromo-Superior, Part 1-3, 2014)
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Petz
Titelillustration von Terry Dodson, Rachel Dodson
Zeichnungen von Clay Mann, Phil Briones, Matteo Buffagni, Gerardo Sandoval u.a.
Panini, 2015, Paperback, 116 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-95798-344-2

Von Irene Salzmann

Jubilation Lee alias Jubilee hat gerade die Adoption von Shogo, ihrem Findelkind, beantragt, als dessen Vater, ein Verbrecher, der einem Hochsicherheitsgefängnis hatte entkommen können, seinen Sohn zurückfordert. Um seinem Anspruch Nachdruck zu verleihen, greifen er und einige Handlanger das Jean-Grey-Institut an und verletzen zwei Schüler schwer.

Hank McCoy erkennt, dass die Jugendlichen nicht hatten getötet werden sollen. Um sie retten zu können, wagt er ein riskantes Experiment, das noch Folgen haben könnte.

Trotz aller Vorbereitungen gelingt es dem Mann, der sich Future nennt, in die Schule einzudringen und Jubilee zu entführen. Er will sie gegen Shogo austauschen, was die X-Men erwartungsgemäß ablehnen. Sie finden Futures Versteck, schaffen es jedoch nicht, die biologischen Abwehrmechanismen zu überwinden. Kymera, Storms Tochter aus der Zukunft, die in der Gegenwart geblieben ist, um das Unglück zu verhindern, das hieraus entstehen wird und ihre Zeitlinie geformt hat, glaubt zu wissen, wie sie Jubilee und Shogo retten kann.

Unterstützung auf dieser Mission erhalten die erwachsenen X-Men von einigen ihrer Schüler, die sich und ihre Freunde beschützen und nicht ständig von den anderen behütet werden wollen. Julian Keller alias Hellion hackte sich in das Danger-Room-Programm von Psylocke ein, um zusammen mit seinen Kameraden zu beweisen, wozu sie fähig sind. Psylocke zeigt sich alles andere als begeistert darüber, aber sie akzeptiert die Beweggründe der Teenager und den Ausgang der Übung.

Der 3. „X-Men“-Sonderband mit dem Titel „Blutlinie“ stellt nicht allein Jubilee und ihren Adoptivsohn Shogo in den Mittelpunkt, über dessen Herkunft man etwas mehr erfährt, nicht aber wieso sein Vater ihn zu sich holen will, denn familiäre Gefühle scheint Future nicht zu empfinden. Einen weiteren Schwerpunkt macht Storms Zögern aus, die X-Men zu einer Kampftruppe zu formen und dabei auch die Schüler in die erste Reihe zu stellen. Prompt wird ihr Führungsanspruch von Rachel Grey alias Phoenix in Zweifel gestellt, und auch Psylocke übt Kritik.

Eine eigene Storyline in drei Teilen erhielt hingegen die Bemühung einiger Schüler unter der Führung von Hellion, ihr Können zu beweisen, um ein eigenes Team aufstellen und an den gefährlichen Missionen teilnehmen zu dürfen. Die Angriffe auf zwei der ihren haben deutlich gemacht, dass es keine Sicherheit gibt und es zwingend notwendig ist, sich verteidigen und andere schützen zu können. Schneller als erwartet, erhalten sie Gelegenheit, sich zu bewähren.

Leider gehen die persönlichen Konflikte etwas innerhalb der vordergründigen Action unter. Insbesondere Storms Sorgen und die Reaktionen von Psylocke und Phoenix werden recht kurz abgehandelt und nicht näher begründet. Überhaupt scheinen die Autoren Einiges mit Storm vorzuhaben (optischer Wandel: Irokesenfrisur aus „Uncanny X-Men“ 173, 1983; Beziehung zu James Howlett alias Wolverine, Übernahme der Leitung des Instituts, nachdem Wolverine auf eine SHIELD-Mission gegangen ist), doch innerlich wirkt sie eher zerrissen und unsicher als martialisch. Im Vergleich treten Phoenix und Psylocke ‚härter‘ und zielstrebiger auf. Nun, man wird abwarten müssen, wie andere Autoren mit Storm umgehen werden.

Neu ist auch, dass Jubilee, selbst Waise und noch ein Teenager, sich den schwierigen Aufgaben einer allein erziehenden Mutter stellen will, und das ausgerechnet im Jean-Grey-Institut, das immer wieder in den Fokus gefährlicher Angreifer rückt. Andererseits gibt es nirgendwo einen sicheren Ort, denn die Feinde der X-Men verfügen über die Mittel, jeden früher oder später aufspüren zu können, den sie fassen wollen, sodass der Einzelne in der Gemeinschaft mehr Schutz genießt als allein.

Ferner darf man gespannt sein, ob das Team um Hellion zusammenbleibt und stärker in die Handlung integriert wird, vielleicht sogar eine eigene Reihe bekommt. Längst hat man als Leser den Überblick verloren, wie viele Schüler das Institut besuchen (beziehungsweise sich Cyclops angeschlossen haben/anschließen werden), wie sie heißen, welche Fähigkeiten sie besitzen und so weiter. Früher bildeten sie Teams, zum Beispiel New Mutants, Generation X, und im Rahmen der Serien-Handlung wurde jeder von ihnen irgendwann einmal in den Mittelpunkt gerückt. Das vermisst man bei diesen vielen Personen, für die einfach nicht genug Raum vorhanden ist, als dass sie sich so entfalten könnten wie einst ihre Vorgänger (Sam Guthrie/Cannonball, Roberto da Costa/Sunspot, Tabitha Smith/Boom-Boom, Monet St. Croix/M, Everett Thomas/Synch, Jono Starsmore/Chamber etc.).

Obwohl mehrere Zeichner an dem in sich abgeschlossenen Abenteuer gearbeitet haben, ist dieses recht homogen und gefällig. Vor allem Clay Manns Seiten erfreuen das Auge – schade, dass er die Serie und auch den Verlag Marvel verlassen hat. Die Illustrationen profitieren überdies von der gelungenen Kolorierung.

„Blutlinie“ bietet eine runde Story, auch wenn ein paar kleine Fragen offen bleiben, die allerdings nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschichte stehen. Die Zeichnungen sind in Ordnung und unterstützen die spannende Handlung, welche einmal mehr thematisiert, dass stets X-Men zusammenhalten. Das Paperback ist auch für Gelegenheitsleser geeignet, doch sollte man zumindest mit den wichtigsten Charakteren vertraut sein.