Markus Heitz: Judassohn (Buch)

Markus Heitz
Judassohn
Titelillustration von N. Reitze de la Maza
Knaur, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 686 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-426- 65225-1

Von Carsten Kuhr

Eingerahmt von weiteren Schilderungen der vermeintlich letzten Vampyrin Sia, die in Leipzig versucht ihre Nachkommen vor dem Bösen und der Transmutation zum Kind des Judas zu beschützen, erzählt Bestsellerautor Markus Heitz uns vom Leben dreier Vampyre.

Der Plot führt uns dabei tief in die Vergangenheit. In der Bretagne des Jahres 1781 lernen wir den ersten der Vampyre kennen. Als Schilfbauer hat der junge Tanguy Guivarch eigentlich alles, was er sich vom Leben erhofft. Eine Familie, in der er behütet aufgewachsen ist, eine Verlobte, die nicht nur schön, sondern auch gewitzt ist und einen Beruf, der ihn und seine Verlobte eines Tages wird ernähren können. Doch dann schlägt das Schicksal erbarmungslos zu. Räuber, die auf dem Weg zu einem Beutezug sind, überraschen das turtelnde Paar und wollen am Liebesspiel teilnehmen, ob die Dame das nun will oder nicht. Zwar gelingt es Tanguy, den Vergewaltiger zu töten, doch auch er selbst verliert beim Kampf sein Leben. Als der Vollmond auf seinen aufgebahrten Körper trifft, erhebt er sich zu neuem, unheiligen Leben. Tief im Moor, beim legendären Riesen, einem Alchemisten, geht er in die Lehre. Im weiteren Verlauf macht sich Tanguy an die Aufklärung seiner Herkunft und wie es kommen konnte, dass seine Leiche sich vom Totenbett erhob …

Im nächsten Teil begegnen wir der Sennerin Sandrine. Als weise Frau wird sie von Frauen in Not besucht, hat mittlerweile aber noch ein anders, einträgliches Geschäft für sich entdeckt. Sie verflucht, überaus wirksam, untreue Ehemänner. Als sie die Vampyrin Sandrine kennenlernt, fühlen sich die beiden Frauen sofort zueinander hingezogen. Die gemeinsame Flucht der beiden Kinder des Judas führt sie über die Herzogtümer Deutschland ins revolutionsgebeutelte Paris.

Dort begegnet uns, mitten im Sturm auf die Bastille, der dritte Vampyr im Bunde. Vom Geruch und Geschmack unberührter junger Damen berauscht, ist Dominic de Marat, wie er sich nennt, als treibende Kraft dabei, als der Marquis de Sade aus dem Gefängnis befreit wird. Während Dominic, ganz auf de Sades Spuren, die bourgeoisen Herrenhäuser und ihre einsamen Bewohnerinnen beglückt, forscht er gleichzeitig lohnende Beute für seine Räuberbande aus.

Alle drei Kinder des Judas geraten im weiteren Verlauf der Handlung mit Werwölfen aneinander. Sie fliehen aus dem umkämpften Paris gen Osten. Hier treffen sie auf Sias Bruder, der erneut seine intriganten Pläne spinnt ...

Fast siebenhundert Seiten Heitz'scher Faublierkunst warten auf den Leser. Wer den sympathischen Autor nur aus seinen Fantasy-Romanen, gleich ob nun Ulldart oder Zwerge/Nimue kennt, der wird sich erstaunt die Augen reiben.
Wie schon in seinen Werwolf-Bestsellern "Ritus" und "Sanctum" sowie dem ersten Vampry-Roman "Kinder des Judas", aber auch "Blutportale", nutzt der studierte Historiker die Chance, uns versiert und spannend aus der Vergangenheit zu berichten. Dabei vernetzt er seine Thriller miteinander, lässt Gestalten aus den Werwolf-Büchern in vorliegendem Band auftreten und greift gekonnt die Geschehnisse aus dem ersten Teil auf.

Immer mehr wird aus den eigentlich getrennten Thrillern, die bei Knaur erscheinen, ein ganz eigener, übernatürlicher Kosmos, in dem die Loup Garous und die Kinder des Judas ihren jeweiligen Platz im Geschehen einnehmen, einander misstrauisch beäugen und verfolgen.

Wer nun aber meint, Markus Heitz hätte sich, dem "Biss …"-Trend folgend, der einfühlsamen Schilderung unerfüllter Träume junger Mädchen verschrieben, der sieht sich glücklicherweise getäuscht. Die Heitz'schen Vampyre sind brutale, effektive Jäger, die auf der Suche nach ihrem Lebensstoff sind. Das erinnert an einen Fixer, der seinen Schuss braucht, den nichts davon abhalten kann, sich seine Drogen zu besorgen. Und die Droge der Kinder des Judas ist nun einmal der rote, menschliche Lebenssaft. Das wird nüchtern, aber deutlich dargestellt, ohne dass die entsprechenden Beschreibungen zu plakativ ausfallen.

Überraschend für mich, dass der Autor dieses Mal, was die Beschreibungen sexueller Begegnungen anbelangt, wesentlich mehr ins Detail geht, als bislang gekannt. Die entsprechenden Szenen sind ausführlich und detailreich ausgeführt, ohne aber dabei die Grenze zur Pornographie zu überschreiten.

Dennoch konnte mich der Roman nicht auf der ganzen Linie überzeugen. Immer wieder nimmt der Autor Anleihen bei sich selbst, kommen uns Szenen aus früheren Büchern bekannt vor. Dazu kommt, dass so manchem Kapitel eine Straffung gutgetan hätte und der Aufbau der Handlungsstränge ein wenig kompliziert erfolgt.

Das soll beileibe nicht heißen, dass das Buch nicht spannend und temporeich unterhalten würde, dass es nicht viele Szenen geben würde, die packende Action für den Leser bereithalten würden.Insbesondere die Geschehnisse in der Jetztzeit sind hier als besondere Highlight zu nennen.

Dennoch ist das Gebotene nicht ganz so stringent wie erhofft, nimmt der Plot so manchen letztlich unnötigen Umweg, um ans Ziel zu kommen.