Interviews

Im Gespräch mit: Guido Krain

Guido Krain, Autor von Romanen wie „Elfenmond“ und „Cvon“, gibt in diesem Jahr wieder Gas. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hat sich mit ihm über geplante Projekte – Romane und Storys – unterhalten, die unter anderem bei Fabylon erscheinen werden.

Hallo Guido. Vor mehr als 10 Jahren haben wir anlässlich Deines Debüts als Romanautor („Elfenmond“) ein erstes Interview für Phantastik-News.de geführt, danach wurde es um Dich ein wenig ruhiger. Was hast Du in der Zwischenzeit gemacht, warum hat man so wenig von Dir gelesen?

Im Wesentlichen hatte ich einfach ein erhebliches Zeitproblem. Während ich „Elfenmond“, „Cvon“ und „Succubus“ schrieb, hatte ich nebenher einen ganz gewöhnlichen Job als Schreiberling. Danach übernahm ich jedoch für ein paar Jahre die Leitung einer Materndienstredaktion. Gleich im Anschluss wurde ich mit einer sehr anspruchsvollen Projektentwicklung betraut, die mir ebenfalls keinerlei Zeit für anderes ließ. Die Arbeit an meinen Storys hat mir in dieser Zeit sehr gefehlt. Zudem fühlte ich mich meinen Lesern gegenüber auch in der Pflicht: Immerhin war „Cvon“ nur der erste Teil eines längeren Zyklus’. So war ich sehr froh, den zweiten Teil – „Tia-Lhor“ – im Sommer 2010 endlich zu „liefern“ und damit den ersten Teil des Zyklus’ abzuschließen. Allgemein habe ich meinen beruflichen Fokus jetzt mehr auf den Belletristik-Sektor verlegt, sodass ich jetzt in dieser Hinsicht um Einiges produktiver werden kann.

Ist es Deiner Meinung nach schwierig, in einem Kleinverlag Bücher an den Leser zu bringen? Wird sich das durch die momentan boomenden eBooks ändern?

Natürlich haben es Kleinverlage schwer. Sie verfügen nicht über das Werbebudget der Großverlage und können auch nicht mit deren niedrigen Produktionskosten mithalten. Zudem fehlen die kleinen Verlage auch in den Auslagen der Buchhändler. Der wichtigste Vertriebs- und Werbekanal der Kleinverlage ist deshalb das Internet. Die eBooks werden die Probleme der Verlagsbranche und ganz besonders der Kleinverlage meiner Meinung nach eher verschärfen. Denn die Masse der eBooks wird über zwei bis drei zentrale Anbieter verkauft. Diese Anbieter werden immer mehr zu Mediengiganten, die dem Rest der Branche ihre Bedingungen diktieren – bei Apple ist diese Entwicklung schon jetzt in erschreckendem Maße eingetreten. Die über den App-Store verkauften Zeitschriften wurden in der Vergangenheit nach den Moralvorstellungen von Apple zensiert. Doch selbst ohne echte Zensur liegt es im Ermessen des jeweiligen Portals, wie gut sich ein Titel verkauft. Bei mehreren Millionen Besuchern muss ein Buch nur prominent genug angezeigt werden, um ein Erfolg zu werden. Je wichtiger der eBook-Markt wird, umso mehr werden die Portale das Verhältnis zu den Verlagen bestimmen können. Die Margen der Verlage werden immer kleiner werden und nur die Großverlage werden mit diesen Minimargen überleben können. Da die Verlage aber weniger verdienen, werden auch die Verdienstmöglichkeiten der Autoren noch weiter zusammenschrumpfen. So wird es noch weniger Autoren geben, die allein von ihren Büchern leben können. Diejenigen, die das Produkt schaffen und diejenigen, die das Produkt finanzieren, bekommen also ein immer kleineres Stück vom Kuchen. Ich halte diese Entwicklung für sehr bedenklich.

Im letzten Jahr bist Du als Autor wieder mehr in Erscheinung getreten. In den von Alisha Bionda herausgegebenen Anthologien fanden Deine Geschichten Aufnahme, einen Roman hast Du innerhalb der Reihe „ARS AMORIS“ (Fabylon) veröffentlicht. Lass uns zunächst auf die Kurzgeschichten zu sprechen kommen – wie ist das für Dich als Autor, gehst Du handwerklich anders an kürzere Texte heran, wie an einen Roman? Was sind Deiner Meinung nach die Vorzüge und Stärken von Erzählungen, was ihre Nachteile?

Das ist ganz unterschiedlich und hängt von der Länge und dem Hintergrund der Geschichte ab. Für eine gewöhnliche Kurzgeschichte muss ich nur den Plot im Kopf haben und kann diesen dann zu Papier bringen. Ab einer gewissen Länge ist es dann aber schon sinnvoll, sein Plotgerüst und wichtige Wegmarken vorher schriftlich festzuhalten. Und dann gibt es Sonderfälle. So startet in diesem Jahr Alisha Biondas Steampunk-Reihe, in der auch mein Roman „Argentum Noctis“ erscheinen wird. Band 1 wird eine Anthologie sein, in der die in der Reihe geplanten Romane mit einer eine Art Prolog vertreten sind. So ein Prolog ist etwas ganz Besonderes, weil er zwar ein Teil des Romans sein soll, aber sowohl die Geschichte selbst als auch der Roman völlig unabhängig voneinander zu lesen sein müssen. Zugleich soll der Prolog für den Leser des Romans einen deutlichen Gewinn darstellen. Um so etwas zu schreiben, muss man natürlich vorher einige konzeptionelle Vorarbeit leisten. Allgemein sehe ich Kurzgeschichten als eine eigene Kunstform an. Es gibt wenig Platz für „Fleisch“ am Plotgerüst. Charakterentwicklung, ausgefeilte Hintergründe und viele kleine Schritte zum Finale fallen weg. Die Handlung ist entweder sehr einfach – besteht oft nur aus einer Idee – oder muss sehr knapp transportiert werden. Eine Kurzgeschichte zu schreiben kostet aus diesem Grund wenig Zeit und kann eine Idee kurz und knapp auf den Punkt bringen. Die Kürze bringt es aber auch mit sich, dass der Leser wenig Zeit bekommt, die Protagonisten kennenzulernen. Die emotionale Bindung, wie man sie von Romanfiguren kennt, bleibt deshalb weitgehend aus.

Hast Du die Beiträge von Dir passend in der Schublade gehabt, oder hast Du nach der Ausschreibung des Themas Dich von selbigem inspirieren lassen und an die Tastatur gesetzt?

Mit Ausnahme von „Indigo“, die in „Schattenversuchungen“ erschienen ist, habe ich jede Geschichte extra für den jeweiligen Anlass geschrieben. Allgemein habe ich wenige Geschichten fertig in der Schublade, weil ich meine zur Verfügung stehende Zeit meistens in Romane investiere. In der Schublade habe ich höchstens ein paar fertige Plots.

Alisha versieht ihre Bücher ja auch regelmäßig mit passenden Originalinnen-llustrationen. Hast Du die Bilder vorher gesehen, hattest Du Kontakt zum Künstler? Inspiriert ihr euch da vielleicht auch gegenseitig?

Bei ein paar Bänden – also zum Beispiel den „Dark Ladies“ oder den in diesem Jahr erscheinenden „Dunklen Pfaden“ – war es ja Teil des Konzeptes, dass die Autoren nach bestehenden Bildern schreiben. Das ist natürlich ganz besonders reizvoll, weil Alisha Bionda damit ihren Autoren eine bestimmte Richtung vorgibt ohne sie wirklich einzuschränken. Direkten Kontakt mit den Illustratoren hatte ich jedoch nicht; wir arbeiten also weitgehend unabhängig voneinander.

Mit „Masken der Sinnlichkeit“ hast Du, nach den erotisch angehauchten Fantasy-Kurzgeschichten in „Succubus“, in der Reihe „ARS AMORIS“ Deinen ersten erotisch-phantastischen Roman vorgelegt. Wie kamst Du auf Dein Thema?

Das ist schwer zu rekonstruieren. Als Alisha mir angeboten hat, einen Roman zu ihrer Reihe beizusteuern, habe ich mir zunächst überlegt, welche Art von Geschichte ich in welcher Epoche reizvoll finden würde. Da kam ich relativ schnell auf die Zeit des Sonnenkönigs, des Karnevals in Venedig etc. Außerdem sollte es geheimnisvoll zugehen; in mehrfacher Hinsicht sollten die Dinge nicht so sein, wie sie zu sein schienen. Außerdem wusste ich, dass ich bestimmt keinen Vampir-Roman schreiben wollte. Bei meinen Recherchen fiel mir sehr schnell der despotische Herzog Carl Eugen von Württemberg auf. Er war nicht nur einer der despotischsten und dekadentesten Fürsten aller Zeiten, sondern fuhr auch regelmäßig zum Karneval nach Venedig. Einmal sogar unter geheimnisvollen Umständen… Und plötzlich hatte ich das Bild von der kränklichen Vanadis, der Hauptfigur von „Masken der Sinnlichkeit“, vor Augen, die eines Tages träumend in einem Kräutergarten sitzt. Den Rest hat sie mir dann erzählt.

War es für Dich als erklärtem High-Fantasy-Freund nicht schwierig, das Sub-Genre zu wechseln?

Ich denke es wäre schwerer für mich gewesen, in einer anderen High-Fantasy-Welt zu schreiben. Gerade bei Fantasy sollte meines Erachtens auch die „Grundstimmung“, die die jeweilige Welt hat, transportiert werden. Da den richtigen Ton zu treffen, ist nicht leicht. Wenn man gleich das Genre wechselt, ist dieses Problem weitgehend aus der Welt. Und natürlich ist es auch immer reizvoll, sich an anderen Genres auszuprobieren.

Mir fiel auf, dass Du im Gegensatz zu anderen Verfassern den Bereich der Sexualität im Roman eher dezent, sehr unterschwellig, hast einfließen lassen. War das so geplant, gab es hier Vorgaben, oder warst Du ganz frei beim Fabulieren?

Das Großartige bei Alisha Biondas Reihen ist unter anderem die Freiheit, die man als Autor genießt. Ich hatte also keinerlei Einschränkungen. An der „ARS AMORIS“-Reihe hat mir besonders gefallen, dass jeder Band eine völlig andere Art hat, mit phantastischer Erotik umzugehen. Durch ihren Facettenreichtum stellt die Reihe deshalb eine Art „Gesamtkunstwerk“ dar. Wer „Succubus“ gelesen hat weiß ja auch, dass ich durchaus „deutlicher“ in meinen Texten werden kann. In diesem Fall habe ich mir aber selbst die Herausforderung gestellt, einen anderen Ansatz zu verfolgen. Erotik spielt sich in erster Linie im Kopf ab. Man kann sie mit Beschreibungen sexueller Handlungen darstellen – man kann aber auch versuchen, die Erotik also das, „was zwischen zwei Menschen knistert“, direkt einzufangen. Und dabei geht es gar nicht um den eigentlichen Akt. Es geht um Nähe, Macht, Stärke, Schönheit, Hingabe, Demut und Bewunderung. Am Schönsten ist es natürlich, wenn es zudem um Liebe geht. In „Masken der Sinnlichkeit“ zeige ich, wie unerotisch Sex sein kann, wenn die oben genannten Dinge fehlen. Und ich bemühe mich zu zeigen, was alles Sex sein kann, wenn diese Dinge im Übermaß vorhanden sind.

War das nicht ein Drahtseilakt, die Mischung richtig hinzubekommen, nicht zu sehr in die plakative Darstellung des Akts abzurutschen, sondern stimmungsvoll und einfühlsam zu bleiben?

Vielen Dank für das Kompliment. Ich freue mich wirklich sehr, die Mischung richtig hinbekommen zu haben. Erfreulicherweise hat mich Vanadis sehr zielsicher geführt. Sie hat da eine sehr klare Auffassung ;o) Manchmal war es allerdings wirklich eine Herausforderung. Nicht nur bei der Darstellung von Sex, sondern auch bei der Darstellung der Liebe eines Wesens, das kein Mensch ist und sich auch nicht wie einer benehmen soll.

Was hat Dich an der erotischen Variante der Phantastik gereizt?

Erotik ist immer reizvoll und zeigt für mich eine ganz besondere Nähe zur Phantastik. Schließlich bieten phantastische Wesen ja ganz neue Möglichkeiten für erotische Ideen.

Ist das nicht oft auch der Versuch, mit Schlüpfrigkeiten oder deutlichen Sexszenen aufzufallen und so Leser anzuziehen?

Das würde ich nicht so sehen. Wenn jemand ausdrücklich erotische Phantastik lesen möchte ist das meines Erachtens ebenso legitim als wenn er High Fantasy, Zombie-Geschichten, Krimis oder Telefonbücher lesen möchte. Es ist ein eigenes Genre, das natürlich auch seine eigene Berechtigung hat. Ich habe auch in Büchern, die nicht explizit erotisch sind, nichts gegen gut gemachte Sexszenen – solange sie zur Story passen. Viel schlimmer, als seinen Romanen mit unmotivierten Sexszenen das Prädikat „erotisch“ einzubringen finde ich die Tendenz, dem angeblichen Publikumsgeschmack hinterherzuschreiben. Autoren sollten ihre eigenen Geschichten erzählen, sonst werden ihre Texte seelenlose Massenware.

Was ist von Dir in nächster Zeit zu erwarten?

Ich habe Einiges vor: Im Augenblick schließe ich gerade meinen Roman „Argentum Noctis“ ab, der im Dezember erscheinen wird. Es handelt sich um den eben schon erwähnten Steampunk-Roman. Er erscheint bei Fabylon als Band 3 in Alisha Biondas Reihe „Steampunk“. Band 1 ist die im Juni erscheinende Anthologie „Steampunk I“, in der ein umfangreicher Prolog zum Roman enthalten ist. Außerdem bin ich an Alisha Biondas neuer Reihe „Orion 311D“ beteiligt, die ab dem nächsten Jahr bei p.machinery erscheinen wird. Hier bekomme ich die Möglichkeit, mich in einem meiner Lieblingsgenres auszutoben: Space Opera. Die Reihe erzählt moderne, temporeiche Science Fiction, die besonderen Wert auf Dark Fiction und Fantasy Fiction legt. Auch hier wird der erste Band eine Anthologie sein, in der Prologe zu den Romanen der Reihe erscheinen sollen. Band 2 und 4 werden durch meine Romane „Das Herz des Kriegers“ und „Die Welt der Klone“ bestritten. Zudem werde ich Alisha bei der Reihe als Redakteur unterstützen. Für 2013 sind darüber hinaus zwei Episoden-Romane geplant, die in Kooperation mit Tanya Carpenter und Alisha Bionda entstehen werden. Die „Erben der Luna“ erscheinen in Alisha Biondas Reihe „ARS LITTERAE“ und sind mein erster Roman, den ich gemeinsam mit anderen Autoren schreiben werde. In „Equinox“ setzen wir ein Grob-Exposée des verstorbenen Autors Andrä Martyna um. Das Buch wird also hoffentlich nicht nur sehr unterhaltsam, sondern zugleich ein Gedenkband sein, der zu Andräs zweitem Todestag erscheint. Ich freue mich schon sehr auf die Arbeit mit den beiden. Tja, und dann erscheinen in diesem und im nächsten Jahr ein gutes Dutzend Anthologien, in denen ich vertreten bin. Dabei geht es quer durch alle Genres – von Sherlock Holmes bis Fantasy und von Horror bis Fun Fiction. Außerdem werde ich in diesem Jahr eine neue Kurzgeschichtensammlung für Fantasy-Buch.de herausgeben.

Vielen Dank, dass Du uns Rede und Antwort gestanden bist. Wir wünschen Dir alles Gute.

Ich danke für das freundliche Interview.


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