Interviews

Im Gespräch mit: Dirk van den Boom

Der Saarbrücker Dirk van den Boom (geb. 1966) ist nicht nur Politikwissenschaftler und Übersetzer, sondern vor allem auch der Autor diverser erfolgreicher SF- und Fantasy-Serien wie die Alternativwelt-Saga um die Kaiserkrieger, die Romane aus dem „Tentakelkrieg“ und ganz aktuell die monatlich erscheinende „Scareman-Saga“ und die „Skiir“-Trilogie. Auch in der deutschen SF-Szene ist er kaum weg zu denken und gehört unter anderem zum Ausrichter-Team des Deutschen Phantastik Preises und ist auf vielen Cons Stammgast. Wie schreibt man so viele Bücher, auch noch gleichzeitig? Was erwartet uns von Dirk van den Boom jetzt und in der Zukunft? Wie behält man einen Überblick über so viele  Veröffentlichungen? Zeit, Dirk van den Boom zu einem großen Interview zu bitten, welches Phantastik-News.de-Redakteur Oliver Naujoks mit ihm geführt hat.


Lieber Dirk, danke, dass Du Dich für ein Interview bereit erklärt hast. Schriftsteller bist Du ja nicht erst seit gestern. Weißt Du noch, welches Dein erster veröffentlichter Text war und wann das war? Wie hat sich das angefühlt?

Mein erster veröffentlichter Text war bestimmt irgendeine Klamaukstory in den 80ern in irgendeinem Fanzine - möglicherweise die erste Ausgabe meiner legendären Romanserie (*hüstel*) „Chaos mal drei“, das muss irgendwann 1983 gewesen sein. Ich weiß es nicht mehr genau. Meine erste semiprofessionelle Veröffentlichung war eine Kurzgeschichte im noch legendäreren SF-Magazin „Alien Contact“, das muss in den 90ern gewesen sein. Und mein erstes Honorar bekam ich für meinen ersten „Ren Dhark“-Roman im damals laufenden „Projekt 99“ im Mohlberg-Verlag. Irgendwann Ende der 90er, wenn ich mich nicht irre. Ich weiß daher auch gar nicht mehr, wie sich sowas angefühlt hat oder haben soll. Ich muss zugeben, die Zeiten, in denen ich mit feuchten Händen Belegexemplare entgegengenommen habe, sind lange vorbei.

Deine Schriftstellerkarriere kann man, finde ich, in drei Phasen einteilen: Am Anfang hast Du viel und vor allem für bestehende Serien geschrieben, danach fingst Du an, eigene Stoffe zu entwickeln und schließlich die jüngste Phase seit einigen Jahren, in welcher Du Deinen Output deutlich erhöht hast, an mehreren Romanen jeweils gleichzeitig schreibst und diverse eigene Serien „bedienst“. Kommt das so hin? Hat letztere Phase eigentlich damit zu tun, dass sich durch eBooks ein neuer Markt und eine neue Einnahmequelle erschlossen hat?

Die Phasen kommen gut hin: Erst viel Serienmaterial, wobei parallel dazu ja die „eigene“ Serie in Gestalt von „Rettungskreuzer Ikarus“ im Jahre 1999 dazugekommen ist. Dann kam irgendwann die erste „Tentakel“-Trilogie, das war 2008 der erste Schritt raus aus den Serienuniversen, in die ich aber dann auf die eine oder andere Weise immer wieder zurückgekehrt bin. Meinen Output habe ich dann erhöht, als ich merkte, dass ich durch die Anwendung gewisser disziplinarischer Maßnahmen und basierend auf einer wachsenden handwerklichen Routine eigentlich mehr schreiben könnte, als ich vormals verfasst habe. Die Einführung des eBooks ist natürlich wichtig, die Korrelation zu „mehr schreiben“ aber nur schwach. Die eBooks haben aus dem Schreiben erstmals einen ökonomisch sinnvollen Arbeitsprozess gemacht, da das Publikum relativ schlagartig größer wurde, d.h. die Kosten-Nutzen-Rechnung sah plötzlich besser aus, der eigene Bekanntheitsgrad wuchs und so weiter. Die Tatsache, dass ich auch quantitativ mehr veröffentlicht habe, hängt vor allem davon ab, dass sich mit der Zeit die Möglichkeiten für mich verbessert haben, Romane an den Mann zu bringen, das Thema eBooks ist da nur eines von vielen, dafür gibt es ja noch andere Gründe.

Bekanntheit ist ein gutes Stichwort. Man wird wohl auf der Straße nicht mit Plüschbärchen nach Dir werfen, aber: Bekommst Du regelmäßig Zuschriften, oder sogar mal Anrufe von Deinen Lesern oder Fans?

Anrufe eher selten. Aber es gibt einigermaßen regelmäßig eMails, wobei das nicht immer nur positive Reaktionen sind. Wenn man sich beispielsweise die „Kaiserkrieger“-Romane anschaut, da wird dort ja Einiges an historischem Wissen verarbeitet. Und es gibt für alle Bereiche immer jemanden, der wirklich ein Experte ist, ganz im Gegensatz zu mir. Dann wird mir - durchaus wohlwollend und freundlich, aber oft sehr detailreich - auf mehreren Seiten ganz genau erklärt, wie es denn wirklich gewesen sei. Das ist oft sehr hilfreich, manchmal aber auch ein wenig frustrierend: denn nachträglich ändern kann ich vor allem eher peinliche Fehler ja auch nicht mehr. Das ist dann eben so.

Du bekennst immer mal wieder, dass Du lesetechnisch streng Diät hältst und praktisch ausschließlich SF liest (berufliche Lektüre jetzt mal außen vor). War das früher auch mal anders oder schon immer so - und warum? Nicht wenige Fans lesen größtenteils Genre-Literatur, aber so monogam wie Du, das ist doch eher selten, oder?

Ob das selten ist, vermag ich nicht zu beurteilen, da ich nicht weiß, was „die Anderen“ alle so lesen. Es ist korrekt, dass ich im belletristischen Bereich fast ausschließlich SF lese, vom gelegentlichen Fantasy-Roman einmal abgesehen. Das heißt aber nicht, dass ich niemals etwas anderes gelesen habe. In meinem Regal stehen auch alle Nero-Wolfe-Romane von Rex Stout (an die seines Epigonen habe ich mich noch nicht herangetraut). Ich muss aber zugeben, das ist eine große Ausnahme. Ansonsten wird man sich sehr anstrengen müssen, in meiner Bibliothek etwas anderes als SF und Fantasy zu finden - das war vor 30 Jahren nicht anders. Auf die Frage nach dem Warum weiß ich keine richtige Antwort. Vielleicht, weil es noch so viel SF zu lesen gibt, die ich sonst gar nicht schaffen würde. Vielleicht, weil ich faul bin und etwas vernagelt, Alternativen gegenüber nicht aufgeschlossen. Ich kann es so genau gar nicht sagen.

Dann lass uns doch bei Deinen beiden Lieblings-Genres bleiben. Was hat Dich in Deinem Leseleben besonders begeistert, vielleicht oder sicher sogar geprägt, woran hast Du die schönsten Erinnerungen?

Es prägt einen immer das, was man als Erstes liest. Ich habe angefangen mit den Romanen von Rolf Ulrici, zum Beispiel „Raumschiff Monitor.“ Und natürlich „Mark Brandis“ - an die schon furchtbar abgegriffenen und mehrfach reparierten Bände aus der Wilhelmshavener Stadtbibliothek kann ich mich noch sehr gut erinnern. Danach kam dann die Heftromanphase, da habe ich fast nichts anderes gelesen. „Perry Rhodan“, 4. Auflage, und, ganz wichtig, „Ren Dhark“, damals die 2. Auflage. „Ren Dhark“ war immer mein Favorit, soweit es die 98 Originalromane anbetrifft. Das hat alles natürlich nichts mit objektivierbaren Qualitätskriterien zu tun. Das Goldene Zeitalter der SF ist zwölf, und ich habe das damals mit großem Eifer gelesen. In der Fantasy war meine Einstiegsdroge Michael Moorcocks Ewiger Held - und zwar nicht der weithin überschätzte Blödhansel Elric, sondern Corum. Das Gefühl, das ich beim Lesen der Romane hatte, werde ich auch nie wieder los. Bemerkenswerterweise habe ich den Herrn der Ringe sehr spät gelesen, er gehörte definitiv nicht zu meinen prägenden Romanen. Und auch wenn es nur ein Epigone war: Lin Carters Romanreihe um Jandar von Callisto, eine Art John-Carter-Verschnitt, die fand ich super. Gibt es davon irgendwo eine schöne Gesamtausgabe? Die würde ich bedenkenlos kaufen.

Kannst Du Dich an ein richtiges ‚Erweckungserlebnis‘ erinnern? Ein Buch? Eine Serie? Ein Film? Oder die Empfehlungen einer Person?

„Mark Brandis“, das kann ich nicht oft genug betonen. Die Romane haben mich zum Fan gemacht, weitaus mehr als die Sachen von Rolf Ulrici, weil sie komplexer waren und manchmal auch düsterer. Und „Ren Dhark“. Ich weiß nicht, wie oft ich damals die ersten 98 Hefte gelesen habe. Die sind immer noch mein größter Schatz. Die nehme ich mit ins Grab, glaube ich. Ansonsten darf man noch etwas nicht außer Acht lassen, nämlich, was damals im Fernsehen lief. Du weißt ja, wir hatten damals nicht viel :-) Und mit mir wurde ein großer „Mondbasis Alpha 1“-Fan geboren, eine Leidenschaft, die mich bis heute nicht verlassen hat. Ich bin bis heute der Auffassung, dass ich eigentlich Offizier auf der Mondbasis Alpha hätte werden sollen. Und ich hätte Maya heiraten sollen. Da ist in meinem Leben zu irgendeinem Zeitpunkt aber leider was schiefgelaufen.

Wenn Du vor lauter schreiben heute noch zum lesen kommst, wen oder was liest Du besonders gerne?

Ich habe eine Reihe von Lieblingsautoren, deren Werke ich unbesehen kaufe: Alastair Reynolds, Neal Asher, Jack Campbell, David Weber, Dan Abnett und - ja, lacht nur - Kevin J. Anderson, womit ich seine „Dune“-Romane ausdrücklich ausschließe. Ich muss aber zugeben, dass sich da endlos viel stapelt und ich nicht halb so schnell lese wie ich kaufe. Das hat fatale Auswirkungen, weil ich die Romane meiner Lieblingsautoren immer in der schönstmöglichen Hardcover-Ausgabe erwerbe. Da ächzen die Regale und ich muss mir von Oliver Naujoks vorwerfen lassen, dass ich „old school“ bin. Darüberhinaus schlägt mir Amazon dauernd interessante Sachen vor, die ich dann meist auch als eBook kaufe. Manches entpuppt sich dann als Mist, aber es sind auch viele Schmuckstücke dabei. Im Regelfalle ist es Military SF oder abenteuerliche Space Opera. Problem-Romane überlasse ich zertifizierten Schnöseln wie Dir.

Das mit dem ‚Schnösel‘ übersehe ich mal in meiner journalistischen Gelassenheit. Bei einer Angabe eben von Dir muss ich aber gleich mal nachhaken: Du hattest unter Deinen Favoriten jetzt nur angloamerikanische Autoren genannt. Ohne einer Deutsch-Quote das Wort reden zu wollen, gibt es keine deutschsprachigen Autoren, die Dir gefallen und die Du vielleicht gerne liest? Oder zumindest gelesen hast?

Hm, ja, das ist ein schwieriges Thema. Es ist ja so: ist ein deutscher Autor besser als ich, lese ich den Text eher neiderfüllt, weil ich auch gerne so gut wäre. Ist er in meiner subjektiven Wahrnehmung schlechter, frag ich mich, warum der Dödel veröffentlicht wurde und der Kack sich auch noch verkauft. Im Regelfalle ist die Lektüre deutschsprachiger SF für mich also auf irgendeine Weise etwas frustrierend. Ich bin dementsprechend froh, dass Armin Rößler dermaßen wenig publiziert (Kurzgeschichten zählen ja für mich nicht), dass ich nur wenig Gelegenheit zum Neid habe und Andreas Brandhorst ganz grundsätzlich in einer anderen Liga spielt, schließlich fand ich den schon damals bei den „Terranauten“ gut. Aber ansonsten: Mein, ich lese fast keine deutschsprachige SF. Früher war das anders, als ich fast nur Heftromane gelesen habe.

Du verfolgst ja sowohl die deutsche, als auch die amerikanische SF-Szene. Gibt es wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Szenen (außer der schieren Größe, natürlich)? Gibt es Dinge in der deutschsprachige SF-Szene, die hier besser sind/laufen als in den USA und Großbritannien? Und andererseits Dinge, wo die deutschsprachige Szene hier noch Nachholbedarf hat?

In positiver Hinsicht möchte ich sagen, dass wir in Deutschland noch nicht dieses Maß an Politisierung haben, das ja zuletzt mit dieser „sad puppies“-Diskussion sein hässliches Haupt erhoben hat. Natürlich haben wir auch in Deutschland politische Ansichten aller Couleur, sie sind aber erst relevant, wenn es gewisse Grenzen überschreitet. Das ist, wenn ich das richtig sehe, zuletzt bei „Stahlfront“ geschehen, und wir haben es alle ganz gut überstanden. Was natürlich besser läuft ist die Wahrnehmung der SF und Fantasy jenseits der Genre-Gans, da sind die Grenzen immer noch fließender. Wir sind hier in Deutschland zwar auch dem Mainstream beharrlich näher gerutscht, aber ein wenig stinken wir doch noch in unserem Ghetto herum. Aber das wird schon noch, ich bin da ganz zuversichtlich. Ich muss ehrlich sagen, dass die Vergleiche immer etwas problematisch sind, denn halten wir mal fest: die deutsche SF-Szene ist zu einem nicht unerheblichen Teil die amerikanische oder britische, denn deren Autoren machen auch hier in Deutschland immer noch den Großteil der Veröffentlichungen aus.

Lass‘ uns kurz ruhig noch ein wenig bei „der Szene“ bleiben. Du bist ja nun nicht erst seit gestern dabei, was sind Deiner Meinung nach die signifikantesten Veränderungen der letzten 10, 20 Jahre? Jetzt mal objektiv gesehen, die „früher war alles besser“-Fragen stelle ich Dir dann in 15 Jahren.

Also, ich denke, wenn man sich das Fandom ansieht, dann ist natürlich das große Sterben der Fanzines vor allem wichtig. Wenn ich mir die Vielfalt der Publikationen noch in den 80er Jahren ansehe und schaue, was davon übriggeblieben ist - nämlich fast nichts -, dann zeigt sich darin die digitale Revolution besonders deutlich, und die hatte sehr nachhaltige Auswirkungen. Dann ist da der steile Aufstieg der Kleinverlage, ebenfalls eine direkte Konsequenz der digitalen Revolution, und damit eine verbreiterte Publikationsbasis für neue Autoren. Auf der negativen Seite hat das aber auch dazu geführt, dass vermehrt Mist publiziert wird, der daherkommt, als wäre es eine professionelle Veröffentlichung. Der Rotz blieb früher in den Fanzines oder mangels Veröffentlichungsmöglichkeiten ganz außen vor, jetzt bekommen wir ihn täglich vorgesetzt, oft mit großer Inbrunst angepriesen. Es ist schwerer geworden, die guten Sachen zu finden. Wer darauf achten möchte, muss sich wirklich umhören und informieren und vergleichen. Ich finde, dass das früher tatsächlich einfacher war. Möglicherweise nicht besser, aber einfacher. Alles in allem bin ich über die Entwicklung aber sehr dankbar. Sie hat Freiheiten und Chancen eröffnet, und daher ertrage ich den Mist, den sie gleichfalls hervorspülte, mit großer Fassung.

Findest Du das mit dem Sterben der Fanzines wirklich so dramatisch? Wenn ich mir die vierwöchige Kolumne von Hermann Ritter (auf/neben der „Perry Rhodan“-Leserkontaktseite) ansehe, da gibt es doch noch eine ganze Menge - und nicht nur Rhodan-zentriert. Mich erstaunt es ehrlich gesagt im Zeitalter von online und eBooks, wieviele Fanzine-Macher noch auf gedrucktes Papier und den aufwändigen und mühevollen Versand setzen.

Man merkt, dass Du in den 80er Jahren noch, rein szenetechnisch gesehen, am Schnuller genuckelt hast. Wenn Du vergleichst, was es damals für eine Vielzahl an Printzines gegeben hat, mit dem, was wir heute noch produzieren - dann würdest Du diese Frage nicht stellen. Ja, das war eine ganz grundlegende Veränderung, und ich bin mir nicht einmal sicher, ob der Papierausstoß von damals durch die digitalen Ersatzprodukte kompensiert worden ist.

Dazu noch eine spannende Frage: In den USA wurde auch im semiprofessionellen oder Fan-Bereich der Rückgang von gedruckten Fanzines und Zeitschriften durch eBooks, Online-Ausgaben und /-abos, PDF-Ausgaben per Mail etc. mehr als aufgefangen, ja sogar ins Positive verkehrt, so dass man dort im Moment von einem goldenen Zeitalter spricht, was Genre-Publikationen angeht. Warum ist dieser Trend bisher an Deutschland völlig vorbei gegangen, warum gibt es kaum eOnly-Zeitschriften und -Magazine und warun bieten selbst Print-Magazine keine eBook-Ausgaben an? An die böse Mär von überalterten, technikfeindlichen Fans möchte ich nicht durchgehend nur glauben. Oder?

Ich habe mal jemanden sagen gehört, dass „der Deutsche“ ein besonderes Verhältnis zum Buch habe und daher ungleich schnöseliger zum eBook stehe als es in anderen Nationen der Fall ist. Und dass die Amerikaner viel technikaffiner und fortschrittsgläubiger sind und solche Innovationen weitaus enthusiastischer akzeptieren als wir. Stimmt das? Ich weiß es nicht, es ist eine Erklärung so gut wie jede andere.

Meinst Du eigentlich, dass es eine speziell deutsche Vorliebe für Space Operas gibt? „Perry Rhodan“ läuft und läuft, auch mit diversen Sub- und Nebenserien, auch andere Serien laufen schon sehr lange, Du selbst reüssierst erfolgreich in dem Bereich, Menschen wie Andreas Suchanek stemmen alleine eine ganze eBook-Serie, also gibt es sowas, eine solche Vorliebe?

Abenteuerliche SF geht immer, das zeigen die Verkaufszahlen schon. Aber so pauschal kann man das im Einzelnen nicht bewerten, denn wie ich oben schon sagte: es kommt auch richtig viel Mist. Ich glaube aber nicht, dass das einen großen Unterschied zum Konsumverhalten anderer Länder macht. Es ist keine speziell deutsche Vorliebe, denn es sind ja auch diese Titel, die etwas in den USA relativ gesehen am besten gehen.

Was würdest Du aus Deiner Warte sagen, sind aktuelle Trends, nachdem die große Zeit der Völker-Romane in der Fantasy und paranormale Vampire ja etwas aus der Mode zu kommen scheinen?

Gibt es einen neuen Trend? Selbst die dystopische YA-Welle lässt ja langsam nach. Ich finde, diese verzweifelte Suche nach Trends führt in die Irre. Die sind nicht vorhersehbar, jedenfalls nicht richtig, und das Bemühen, sich dranzuhängen, ist meist eine reine Quälerei und funktioniert nur kurzzeitig. Ich nehme sowas natürlich wahr, aber ich entziehe mich der Versuchung, da mitzumachen. Jedenfalls kann ich Dir die Frage nicht beantworten. Zombie-Romance? Tentakel-Utopien? Romane, in denen Space-Anwälte vorkommen? Ich weiß es nicht.

Könntest Du eigentlich zusammenreißen und einfach einen aktuellen Trend bedienen, oder würde man das Deinen Romanen anmerken, wenn Du nur etwas schreibst, weil es gerade in ist und sich verkauft. Denn sowas gibt es natürlich, wir wollen hier aber keine Namen nennen.

Genau. Wie eben gesagt, ich würde es nur machen, wenn man mich mit richtig viel Geld dazu zwingt. Ich müsste mich sehr verbiegen, außer, es wäre ein Trend, der zufällig meinen eigenen Leidenschaften entspricht. Völker-Fantasy und Vampirficken fielen schon mal nicht unter diese Kategorie. Aber wer weiß? Vielleicht kommt ja doch noch der große Tentakel-Trend. Dann werde ich zum Mainstream!

Dann lass uns jetzt doch mal über Dich selbst sprechen. Da der große 1000-Seiter von Dir mit komplexer Struktur, ausgefeilter Sprache und philosophischen und gesellschaftskritischen Zwischentönen ja noch auf sich warten lässt - wärest Du böse, wenn man Deinem SF-Schaffen bezeiheungsweise Deinen Space Operas vorwirft, sie seien Genre-mäßig in den 1930ern stehen geblieben (mal abgesehen von dem großzügigeren Umgang mit Körpersäften jeglicher Art)?

Ich würde sagen, eher 1950. Aber angesichts der Tatsache, dass es auch 2016 noch genug Leute schreiben wie ich, muss man das qualifizieren: ein auf 2016 angepasstes 1950. Oder anders gesagt: Ich will unterhalten. Ich weiß, dass es Intellektuelle wie Dich gibt, die auch dadurch unterhalten werden, wenn ein Autor auf 1000 Seiten über tropfende Wasserhähne und deren allegorische Bedeutung für die Sinnkrisen der spätkapitalistischen Gesellschaft sinniert. Aber das schreibe ich nicht. Hin und wieder schiebe ich mal einen etwas intelligenteren Absatz ein, aber ich versuche wirklich, mich da zu beherrschen.

Du kokettierst schon immer gerne und viel damit, dass Du es sowohl als Autor, als auch als Leser so anspruchslos wie möglich magst, möglichst viel „Bumm, Aliens und Titten“. Das könnte man Dir ja abkaufen, wenn Dein akademischer Werdegang mit entsprechenden Titeln und Deine offensichtliche Liebe zum Genre nicht eine andere Sprache sprechen, einen deutlich anderen Dirk erkennen lassen würden. Also, was geht, magst Du diesen Widerspruch für uns einmal ehrlich auflösen?

Ich möchte bitte richtig zitiert werden: Der Dreischritt lautet „Aliens, Raumschiffe und Titten“! Und er ist, wir haben es alle geahnt, natürlich auch zu einem gehörigen Maße selbstironisch. Ansonsten verstehe ich den von Dir konstruierten Gegensatz nicht. Akademische Würden müssen einen doch nicht notwendigerweise zu einem Leben verdonnern, in dem man zum Lachen in den Keller geht und den ganzen Tag sorgsam darauf bedacht ist, möglichst würdevoll-angemessenes Verhalten zu zeigen, feinsinnig zu lächeln und sich sein hart erarbeitetes geistiges Niveau nicht durch allzu sehr verderben zu lassen. Zumindest gilt das nicht für mich.

Okay, ich versuche das nochmal mit dem Gegensatz, da haben wir, glaube ich, etwas aneinander vorbei geredet. Ich nehme Deine Antworten mal mit hinein: Vor Deinem Hintergrund wirkt es nicht stimmig, dass Du sagst, dass intelligente Stoffe nicht unterhaltsam sein können, das stimmt doch so einfach nicht, und die Beschäftigung mit etwas Anspruchsvollerem automatisch Zwang und Last sein muss und nicht Lust und Freude sein kann. Wie kommst Du auf sowas?

Da bin ich wahrscheinlich ein Opfer meines Deutschunterrichts, in dem mir manche Lehrer mit moralinsaurem Gesicht langweiligen Müll zum Lesen aufgetischt haben, dann aber das große Naserümpfen begann, wenn ich mal den aktuellen Perry hervorgeholt habe. Ich habe mich ja oft dafür verteidigen müssen, so einen Schund zu lesen. Daraus entsprang sicher eine gewisse Trotzhaltung, die mich mein Leben lang begleitet hat. „Jetzt erst recht“, wenn Du so willst. Aber je älter ich werde, desto mehr ist diese Haltung natürlich auch von Ironie begleitet. Ich möchte für mich in Anspruch nehmen, dass meine Romane mit der Zeit immer ein wenig intelligenter geworden sind und auch Themen ausloten, die man in reiner Unterhaltungsliteratur eher weniger findet. Es ist eine Frage der Abwägung und auch des Absatzes: wenn ich zu verkopftes Material abliefere, dann kauft das nur noch eine winzige Elite. So will ich aber nicht enden.

Jetzt mal zu Deiner Arbeitsweise. Von Dir ist bekannt, dass Du immer an mehreren Stoffen gleichzeitig schreibst und (fast) immer und überall schreiben kannst. Brauchst Du wirklich keinerlei, was weiß ich, Ritual oder sowas, kannst Du wirklich sofort loslegen und Dich in die von Dir erschaffenen Welten versetzen?

Ja, das hat was mit Selbstdisziplin zu tun. Ich bin kein Bestseller-Autor, der alle Jubeljahre mal ein Buch schreibt und dann den Rest der Zeit am Pool sitzt und der aktuellen Gespielin auf den Popo schaut. Wenn ich tatsächlich auch einen ökonomischen Nutzen aus der Schriftstellerei ziehen möchte, muss ich regelmäßig schreiben und regelmäßig veröffentlichen, und damit meine ich vor allem: häufig. Dazu muss ich aber eine gewisse Textmenge produzieren, sonst klappt das nicht. Also muss ich in der Lage sein, Zeitfenster effektiv zu nutzen. Das kostet manchmal ein wenig Selbstüberwindung, hin und wieder sogar ein ganz erhebliches Maß. Aber es ist absolut unabdingbar, wenn nachher auch ein paar Euro auf dem Konto landen sollen und man nicht Kunst um der Kunst willen produzieren möchte. Das machen ja schon genug andere.

Dann darf ich Dir mal das Kompliment machen, dass man Deinen Romanen nicht anmerkt, dass Du da teilweise Dich mit Selbstdisziplin ransetzen musst. Das führt mich gleich zu meiner nächsten Frage, die ich eh stellen wollte, weil mich das interessiert: Was ganz genau macht Dir an dieser Tätigkeit so viel Freude, dass Du einen nicht ganz unwichtigen Teil Deines Lebens und viel Kraft dem widmest? Also abseits von Geld und Groupies, was ganz genau an dieser Tätigkeit macht Dir so viel Freude, dass Du Dich da so gut wie jeden Tag ransetzt, beziehungsweise ransetzen kannst?

Hm. „Abseits von Geld und Groupies“ verstehe ich nicht.

Bei den Stoffen, die Du schreibst, hast Du häufig mit Figuren-Namen zu tun, die man sich nicht mal so eben so leicht merken kann. Wie machst Du das, dass Du Dich da nicht verzettelst und mit den Namen durcheinander kommst?

Was soll ich da machen? Ich verzettel mich nicht. Passiert einfach nicht. Ich bekomme manchmal andere Sachen durcheinander, aber Namen sind eigentlich nicht mein Problem. Mitunter wechselt im Verlaufe eines Manuskripts mal die Schreibweise. Manchmal merkt das der Lektor, hin und wieder aber auch nicht. Aber das ist dann auch schon die größte aller Sünden.

Dein Output ist ja seit einigen Jahren verhältnismäßig hoch. Kannst Du nachvollziehen oder hast Du Verständnis dafür, wenn Fulltime-Schreiber wie zum Beispiel Cory Doctorow bei jeder sich bietenden Gelegenheit erzählen, dass Sie nur maximal eine einzige Seite am Tag schaffen?

Hm, Verständnis? Um Verständnis dafür zu haben, müsste ich es ja als Problem sehen. Die Arbeitsweise eines jeden ist unterschiedlich. Manche ringen sehr mit ihren Texten, brüten über jedem Satz. Ich tu das nicht. Ich schreibe einfach. Danach wird überarbeitet und passend gemacht, wenn das Manuskript fertig ist (für mich übrigens die siebte Hölle). Aber ich mache mir keinen Kopf und lasse, wenn ich etwas schreibe, auch mal fünfe gerade sein. Ich kann es ja am Ende wieder ausbügeln. Meine Ansprüche an mich selbst sind da nicht so hoch, dann kann man die Hürde auch leichter nehmen und komme auf ordentlich Text. Ich schreibe am Tag nicht mehr als etwa eine Stunde, komme dann aber normalerweise schon auf etwa 15.000 Anschläge. Ich bin aber auch nicht Cory Doctorow. Der verdient möglicherweise mehr als ich und kann sich mehr reinhängen. Dafür habe ich keine Zeit. Vielleicht ändert sich das, wenn ich mal hauptberuflicher Schriftsteller werde. Ich glaube es aber irgendwie nicht.

Du bist ja nicht nur Politikwissenschaftler, sondern auch noch Mitglied und aktiv für eine Partei, man darf Dir also sicherlich eine dezidierte politische Meinung unterstellen. Wenn man Deine Romane liest und insbesondere daraufhin liest, fällt sogar deutlich auf, dass Du Dich auf dem Gebiet so stark zurück hältst, dass das Absicht sein muss; politische Anspielungen gibt es bei Dir nur selten oder mal am Rande (dann gerne auch mal humorvoll), politische „Predigten“ gar nicht. Hältst Du das grundsätzlich einfach für keine gute Idee - oder hast Du auch etwas Sorge, damit zu sehr zu polarisieren?

Ich habe da ein sehr mahnendes Beispiel vor Augen: den US-amerikanischen Schriftsteller John Ringo, dessen Romane ich mal sehr mochte. Irgendwann, wohl mit zunehmendem Erfolg, gewöhnte er sich aber an, politische Predigten in seine Romane einzubauen. Dagegen ist ja nichts zu sagen, wenn sie dazu führen, die Handlung voranzubringen, also integraler Teil einer zu erzählenden Geschichte sind. Waren sie aber zunehmend nicht. Es schien fast so, als würde sich der Autor Situationen herbeikonstruieren, die es ihm erlaubten, dem Leser seine Sicht auf die Welt oft salbadernd zu vermitteln. Und ganz unabhängig vom Inhalt dieser Ansichten, sowas nervt - es nervt gewaltig. Mich katapultiert es aus der Handlung. Ich habe dann irgendwann aufgehört, Ringo zu lesen, und habe mir geschworen, niemals so zu enden. Politik ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil meiner Werke, ohne geht es zumeist nicht, wenn man sich nicht ganz nur auf Einzelschicksale konzentrieren will. Meine demnächst bei Cross Cult erscheinende „Skiir“-Trilogie hat die Politik schon im Namen der Romane. In meinen Kaiserkrieger-Romanen spielt das Handeln von Staaten eine zentrale Rolle. Mit „Meran“ wurde ich erster Verlierer beim diesjährigen DSFP, weil viele der Juroren die politischen Passagen mochten. Aber es darf niemals zum aufgesetzten, predigenden Selbstzweck werden. Wenn Du merkst, dass es bei mir soweit ist, erschieße mich bitte.

Wie muss man sich das Schreiben bei Dir vorstellen? Ich weiß, dass Du nicht haarklein durchplanst (was sich ja auch vorhersehbar lesen kann), setzt Du Dich einfach hin und schreibst drauflos, oder hast Du vorher so ungefähr im Kopf, wohin die Reise gehen soll? Zumal ich mir vorstelle, dass aufgrund Deines Pensums vermutlich nicht viel Zeit dafür da ist, auf den leeren Bildschirm starrend auf den Musenkuss zu warten, oder?

Das ist wahr. Ich schreibe nie nach Exposé. Ich habe eine Plot-Idee, meist vage, und eine Anfangsszene, manchmal nicht mal die. Ich schreibe dann einfach und schau mal, was passiert. Manchmal passieren recht überraschende Dinge, weil ich keinen Ehrgeiz habe, über den kreativen Prozess irgendeine Kontrolle auszuüben. Im schlimmsten Falle muss ich das am Ende immer ausbügeln, wenn es zu wirr geworden ist. Das passiert leider auch. Wenn man von mir ein Exposé erwartet, dann warne ich immer: Das kann noch ganz anders kommen, verlasst euch besser nicht drauf. Und so ist es auch.

Dann lasse uns doch jetzt mal Deine Werke einzeln durchgehen und mit Deiner „Tentakel“-Saga anfangen. Was war für Dich so wichtig daran, Dir zu sagen: Jetzt muss mal eine eigene Serie her, die nur ich schreibe?

Es war gar keine Serie. Es war eine Trilogie. Ich wollte ja unbedingt weg davon, immer nur Serien zu schreiben. Ich wollte mehr schreiben als Heftromanlänge, „richtige“ Romane. So wurden die Tentakel geboren: Erdacht als Trilogie. Dann wurden es drei Trilogien, aber das war so nicht geplant, das kam einfach so.

Du bist doch eigentlich nicht gerade ein Sauertopf; warum ist das Tentakeluniversum größtenteils so düster, hoffnungslos und vor allem unbarmherzig? Klar, Du willst Deinen Lesern auch suggerieren, dass hier kein Kindergeburtstag gefeiert wird und gegebenenfalls etwas toughere Military SF abliefern, aber der nihilistische Grundton geht darüber weit hinaus, so liest sich das zumindest..

Aber das ist doch gerade das Schöne am Schreiben, dass man das schreibt, was einem manchmal kräftig gegen den Strich geht. Das war durchaus eine bewusste Entscheidung, einmal ganz tief in die Grummelbox zu greifen. Wobei man sagen muss, dass es ja nicht nur deprimierende Szenen gibt. Es findet ja auch die eine oder andere Katharsis statt. Nur darf man eben nicht immer mit dem Besten rechnen, das stimmt wohl. Ich denke, dass man aus dem Düsteren leichter Geschichten entwickeln kann. Das waren meine ersten drei „richtigen“ Romane, ich wollte es mir also vielleicht auch nicht unnötig schwer machen.

Katharsis ist ein gutes Stichwort, die Tentakel-Romane sind teilweise so düster, dass ich es bei Lektüre tatsächlich als etwas Besonderes empfunden habe, wenn den Helden dann doch mal ein Sieg gelang. Diese Art des Erzählens („anything goes“, auch den Guten passiert viel Böses) ist ja in den letzten Jahren durch das Fantasy-Epos von George R. R. Martin und die zugehörige TV-Serie „Game of Thrones“ recht populär geworden, hat das auch Deine Tentakel-Romane vielleicht ein wenig beeinflusst?

Ich muss gestehen, ich habe bis heute die besagten Romane von Martin nie gelesen. Ich kenne „GoT“ nur als Fernsehserie, und die kam etwas später als die ersten Tentakel. Ich denke auch, dass selbst Martin dieses Erzählprinzip nicht als Erster benutzt hat. Er hat es möglicherweise populärer gemacht als es vorher war. Wenn ich mir etwa im Fantasy-Bereich Stephen Donaldsons Covenant-Romane so ansehe, oder die Black Company von Glen Cook - alles vor Martins „Song of Ice and Fire“ - dann will ich meinen, dass diese Art der oft grausamen Fantasy schon lange vorher da war.

Kannst Du uns etwas zu den Tentakel-Zukunftsplänen verraten? Mit „Tentakelfürst“ startete im Vorjahr die dritte Trilogie. Soll dann Schluss sein, oder sind weitere Trilogien möglich?

Dann soll Schluss sein. „Tentakelkaiser“ kommt noch dieses Jahr, und dann noch ein abschließender Band. Dann ist gut. Tentakel ade.

Kürzlich startete eine weitere SF-Serie beim Atlantis Verlag von Dir, „Die Scareman-Saga“ um einen Anti-Helden, der, verkürzt ausgedrückt, jeweils die Entwicklungen eines anderen Volkes ausbremsen muss (Prime Directive mal umgekehrt, sozusagen). Wieviele Bände sind hier geplant und warum bringt ihr die Romane in einem so flotten Rhythmus (monatlich)?

Es ist ja nicht nur die Directive umgekehrt. Die Directive verbietet ja jedes Eingreifen, egal ob positiv oder negativ. Mein Scareman hat den expliziten Auftrag, negativ einzugreifen. Also Prime Directive umgekehrt mit dunkler Seite der Macht. Ob mein Held das aber endlos lange mitmacht, das muss sich noch erweisen. Ich kehre mit dem Scareman ein wenig zu meinen Wurzeln zurück: eine Serie mit Romanen in Heftromanlänge und monatlich, das habe ich lange nicht mehr gemacht, in der Kadenz sogar noch nie. Die Romane sollen so schnell erscheinen, damit ich schneller reich werde. Bis auf Weiteres werden es aber nicht mehr als die geplanten zwölf Bände werden - wenn das ökonomische Ergebnis am Ende gut ist, kann es aber natürlich sein, dass mich der Verlag mit Geld zwingt, eine zweite Staffel zu erschaffen.

Mich würde mal interessieren, mit wieviel Vorlauf ihr arbeitet. Ende des Monats erscheint  Band 4, welcher Band ist beim Verlag und an welchem schreibst Du gerade?

Achteinhalb Romane sind fertig. Ich schreibe gerade an Band 10, Sylke Brandt an Band 9.

Ein Großteil Deines Werkes erscheint im Atlantis Verlag bei dem Verleger Guido Latz. Wie lange kennt ihr euch schon und wo habt ihr euch kennengelernt?

Das war Ende der 90er Jahre. Ich stand damals mit Olaf Menke, dem Herausgeber eines Newsfanzines, aus dem später eben dieses  Phantastik-News.de hier wurde, in Kontakt und er erzählte mir von einem Knaben, der einen Verlag gründen wolle und auf der Suche nach Material sei. Damals war die erste Phase der Print-on-Demand-Druckereien und viele haben damals mit dem innovativen Service von Libri experimentiert, das wollte dieser Knabe auch. Ich hatte ein Serienkonzept in der Tasche, der bis heute erscheinende „Rettungskreuzer Ikarus“. Olaf stellte dann den Kontakt zu einem gewissen Guido Latz her. Das Beginn einer wunderbaren Freundschaft voller Herzlichkeit und Zuneigung - wenn endlich alles schneller gehen würde.

Diese Tage wirst Du Guido ja mal wieder untreu, dann erscheint Deine neue Space Opera „Die Welten der Skiir“ bei Cross Cult. Wie kam diese Verbindung zustande und inwiefern unterscheiden sich die Skiir-Romane von Deinen bisherigen Space Operas?

Die Verbindung kam zustande, weil der Programmleiter von Cross Cult, Markus Rohde, mich einfach gefragt hat. Und die zweite Frage ist eine üble Fangfrage: wenn ich sage, dass sie sich in nichts unterscheidet, spiele ich damit für mein bisheriges Publikum, aber das könnte für andere abschreckend wirken. Wenn ich sage, dass es etwas revolutionär anderes ist, werden jene abgeschreckt, die lieber weiter den vertrauten Boom haben wollen. Das ist unfair und ich bekomme von solchen Fragen Kopfschmerzen. Es ist eine Space Opera. Es gibt Raumschiffe. Und Drama, Baby!

Cross Cult ist ja nun kein so ganz kleiner Verlag. Du hast ja schon mit diversen Verlagen verschiedenster Provenienz und Größe zusammen gearbeitet. Wenn Du das hier sagen kannst ohne das Risiko einzugehen, von Freunden und Geschäftspartnern künftig nicht mehr zum Bier eingeladen zu werden:  Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit zwischen Autoren wie Dir und Heftromanverlagen, sowie kleineren und größeren Verlagen?

Ich kann das gar nicht vergleichen. Es kommt doch im Endeffekt auf die handelnden Personen an, wie die so sind und ob die Chemie stimmt. Letztlich werden alle Organisationen, ob groß oder klein, durch die sie repräsentierenden Menschen bestimmt. Da habe ich bisher immer Glück gehabt, was sicher auch meiner offenen und gewinnenden Art und meinem natürlichen Charme liegt.

Bei Cross Cult ist ja zu erwarten, dass Du durch die Buchhandelspräsenz auch andere und größere Leserschichten ansprechen könntest. Hat das Deine Arbeitsweise beeinflusst, vielleicht ohne, dass Du das wolltest? Schreibt sich so etwas mit mehr „Lampenfieber“ (sofern man das so nennen kann) oder sogar entspannter?

Nein und nein. Ich schreibe einfach.

Hand aufs Herz, weil wir unseren Dirk ja inzwischen kennen. Skiir. Ist das EINE abgeschlossene Trilogie, Betonung liegt auf EINE? Oder, wenn die gut läuft und man Dich, wie Du immer so schön sagst, „mit Geld zwingt“... Du weißt schon, wie die Frage endet..

Also, wenn es richtig gut läuft, dann... aber nein, eigentlich ist die Konzeption so, dass nach drei Bänden die Story durch ist. Danach schreibe ich dann was anderes.

Dann wünsche ich Dir dafür viel Erfolg! Apropos Erfolg, kommen wir jetzt vielleicht zu Deinem wohl immer noch wichtigsten und erfolgreichsten Serienprojekt, den Kaiserkriegern. Man kann wohl sagen, damit ist es Dir doch gelungen, auch ganz andere Leserkreise anzusprechen, auch hinsichtlich der Auflage. Was kommt dahingehend an Reaktionen bei Dir an und magst Du uns die Gesamtauflage verraten?

Über die lange Zeit haben mich naturgemäß viele Reaktionen erreicht. Wie ich eben schon mal erwähnt habe, es gibt viele echte Geschichtsexperten, die mir in Bezug auf alle Epochen und Bereiche zehnmal mehr erzählen können, als ich jemals recherchiert hätte. Viele teilen mir dieses Detailwissen mit, was ich sehr anerkenne. Ich wünschte, ich hätte sie alle konsultieren können, bevor ich die Romane schrieb. So bleiben einige Fehler auf ewig drin, und das ist natürlich bei manchen Nachlässigkeiten meinerseits auch traurig. Es gibt aber nur wenige, die mir einen Strick daraus drehen und ich zeige mich ja auch immer recht demütig. Die wichtigste Reaktion ist und bleibt aber das Klicken auf „Jetzt kaufen!“. Ach so, die Gesamtauflage, mit den Zahlen gehe ich ja immer offen um: Die bisher erschienenen zehn Romane verkauften insgesamt rund 31.000 Exemplare. Da ist sicher noch Luft nach oben.

Bist Du auf dieses Projekt besonders stolz oder, Hand aufs Herz, hast Du vielleicht sogar einen ganz anderen persönlichen Favoriten unter Deinen Werken?

Hm, stolz bin ich insoweit, als dass ein Projekt, von dem ein Lektor eines großen Publikumsverlages sinngemäß meine, sowas könne man nicht veröffentlichen in Deutschland, sich doch als so hartnäckig und erfolgreich durchgesetzt hat. Aber ich mag alle meine Romane gleichermaßen. Sie sind alle meine Kinder. Ich schreibe alles mit dem gleichen Herzblut. Und danach vergesse ich jeden einzelnen gleichermaßen. Da herrscht die völlige Gleichberechtigung.

Mal eine vielleicht etwas provokanter gestellte Frage: Du weißt ja, dass viele Leser, die Zyklen und Serien mögen, große Probleme damit haben, ja, es hassen, wenn mitten in der Serie radikal Handlungsort und Helden ausgetauscht werden (war bei den Tentakeln in abgeschwächter Form ja auch schon so). Bei den Kaiserkriegern schmeißt Du erst ein paar deutsche Kaiserkrieger ins antike Spät-Rom für ein paar Romane, dann später ein paar japanische Kaiserkrieger in die alten Reiche der Maya und Azteken. Nicht nur, dass Du hier die Helden und den Kontinent auswechselst (gut, beides spielt in der gleichen Welt und Zeit und manche Begegnungen gibt es) - Du forderst von Lesern, die mit deutschen Namen und römischen Namen sicher keine Probleme haben, schon einiges ab, wenn sie japanische und indianische Namen auseinanderhalten müssen, was für viele, unterstelle ich mal, nicht zur täglichen Lese-Diät gehört. Warum bist Du dieses doch nicht unerhebliche Risiko eingegangen, hier Leser zu verlieren mit diesem Umschwung?

Es muss doch authentisch sein. Nur, weil Du ein extrem löchriges Kurzzeitgedächtnis hast, soll ich alle Protagonisten Heinz, Harald, Egon und Oliver nennen? Wenn ich schon den Reiz der Geschichte darauf aufbaue, dass hier sehr unterschiedliche Zeiten und Kulturen aufeinander prallen, dann muss sich das doch entsprechend niederschlagen! Ein klein wenig Anstrengung darf ich doch auch von meinen Lesern erwarten können.

Mit dem Kaiserkrieger Spin-off „Vigiles“ erzählst Du Krimis aus dem antiken Rom. Die Leser, die von Dirk van den Boom: Phantastik, SF, Action - ja, Aliens, Titten und Raumschiffe erwarten, werden sich hier wundern. Ich muss ehrlich gestehen, dass mir die ersten beiden Vigiles-Krimis gut gefallen haben. Könntest Du Dir vorstellen, auch weitere, sagen wir mal, Genre-Ausbrüche zu wagen?

Ich habe ja eine große Scheu vor dem Schreiben von Krimis. Man muss, wenn das intelligent gemacht sein soll, sich übel viel dabei denken und richtig planen, und das ist für mich schlecht, da ich doch völlig planlos schreibe! Beide Romane waren für mich eine Herausforderung und ich übersteige immer eine große innere Hürde, ehe ich mich an einen neuen setze. Ich habe großen Respekt vor Krimi-Autoren, ich bin mir nicht sicher, ob ich so richtig einer werden will. Ich hasse ja jede Form ernsthafter Anstrengung. Ich hätte glatt Anwalt werden können.

Werden die Vigiles fortgesetzt? Würde mich freuen. Und, halt, gleich noch eine Frage: Hast Du noch weitere Spin-offs der Kaiserkrieger im Kopf oder auf einem Ideenzettel?

Ja. Nein. Hey, das war einfach!

Hm. Mit Deinen Tulivar-Romanen hast Du Dich auch auf das Gebiet der Fantasy gewagt. Wie kam es dazu und hast Du in dem Bereich bestimmte Vorlieben und auch Vorbilder?

Ich wollte endlich auch so reich und berühmt wie Markus Heitz werden. Das hat aus mir bisher unerfindlichen Gründen leider nicht geklappt. Nein, im Ernst: ich mag Fantasy und wenn man Autor ist, dann liegt es doch nahe, dass man sich in allem versucht, was man mag. Es war also ein durchaus lang gehegter Wunsch und ich habe ihn mir verwirklicht. Ich würde aber nicht sagen, dass ich mich an bestimmten Vorbildern orientiert habe. Ich muss ehrlich sagen, Fantasy macht vielleicht 10 Prozent meines Lesestoffes aus, wenn überhaupt. Ich kenne mich im Genre gar nicht gut genug aus, um die Art von geistiger Auseinandersetzung anzubieten, die es einem erlaubt, sich Vorbilder zu erarbeiten. Nein, ich lese in der Fantasy alles Mögliche gerne - Military Fantasy mag ich gerne, aber auch eher epische Sachen und natürlich die Scheibenwelt. Ich befürchte, dass ich da relativ beliebig vorgehe.

Wenn man sich Deine Veröffentlichungen so ansieht, liegt man sicherlich nicht falsch, wenn man behauptet, Du bist auf Jahre ausgebucht, oder? Wenn Dir jetzt „morgen“ die eine ganz tolle Idee kommt, müsstest Du vermutlich einige existierende Projekte verschieben oder einstellen, mehr oben drauf geht nicht, oder?

Ja, ich habe einen auf Jahre angelegten Schreibplan, den ich versuche, einigermaßen diszipliniert einzuhalten. Ich plane extrem langfristig. Wenn dann eine neue Idee kommt, wird diese ganz normal und ebenso langfristig in diesen Plan eingefügt. Sollte es dann aber so sein, dass mich jemand mit Geld zwingt, etwas „sofort“ zu schreiben, wird umdisponiert. Passiert aber eher selten.

Liebe Dirk, ich glaube, dann haben wir es. Haben wir es? Dann danke ich Dir ganz herzlich für dieses Gespräch! Möchtest Du abschließend Deinen Lesern noch etwas sagen außer, dass Sie Deine Bücher kaufen sollen?

Kauft meine Bücher!