Brian Keene: Kill Whitey (Buch)

Brian Keene
Kill Whitey
(Kill Whitey)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michael Krug
Otherworld, 2010, Hardcover, 276 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-8000-9527-8

Carsten Kuhr

Larry ist bei GPS angestellt. Zusammen mit seinen Kumpels ackert er dort in der Nachtschicht. Von 4.00 bis 8.00 Uhr hieven sie Pakete in die Laster, die dann in den ganzen Oststaaten verteilt werden. Als eines Freitags frühmorgens ein PKW in das Stromhäuschen rast, haben sie früher Feierabend.

Doch was mit der zu Ende gehenden Nacht anfangen? Sie einigen sich, ein kürzlich neueröffnetes Striplokal heimzusuchen, und da ist es dann um Larry geschehen. Kaum hat er die faszinierende Sondra, die ihren Körper auf unvergleichbar laszive Weise um die Stange wickelt, erblickt, da ist es um sein Herz geschehen. Künftig wird er seiner Göttin täglich bei ihren zwei Auftritten direkt an der Bühne huldigen, und dabei sein schwerverdientes Geld der Russenmafia, die den Strip-Schuppen betreibt, in den Rachen schieben. Dass seine Angebetete gerüchteweise früher als Nutte in einem New Yorker Massagesalons angeschafft hat, stört ihn dabei wenig, weiß er doch, dass er seiner Göttin nie näher als bis zum Bühnenrand kommen wird. Doch da hat er sich getäuscht. Eines Nachts fällt der Strip aus. Die russischen Rausschmeißer suchen hektisch nach etwas, wohl eher nach Jemandem. Während der russische Mafiaboss der Gegend – Whitey, wie er aufgrund seiner weißen Haarmähne respektlos genannt wird – seine Schläger auf die Suche schickt, flieht die Schöne in Larrys Pick-Up. Kaum hat sie, die sich natürlich illegal in den Staaten aufhält und von Whitey schwanger ist. ihn im Schlafzimmer für seine Rettung belohnt, dringen die Handlanger Whiteys in seine Wohnung ein. Es kommt, wie es absehbar war – der russische Pate will sein Pferdchen nicht gehen lassen und schlägt brutal mit aller Gewalt zu. Larrys Freunde werden gefoltert und ermordet, er selbst und seine Lady werden verfolgt, gejagt und ebenfalls gefoltert. Whitey erweist sich dabei als wahres Stehaufmännchen mit schier unglaublichen Nehmerqualitäten. Als Nachfahre des legendären Rasputin kennt er das Geheimnis ewiger Jugend und Kraft – ein Geheimnis, das er nicht gelüftet sehen will und zu dessen Umsetzung er Sondra braucht – und das um jeden Preis, komme was wolle. Und so beginnt ein Shoot-Out, der es in sich hat, wächst Larry doch als schlagkräftiger Gegner weit über sich hinaus...

Brian Keenes Werke zeichnen sich bei aller inhaltlicher Abwechslung durch eine Gemeinsamkeit aus. Sie alle erschlagen den Leser schier mit ihrer Intensität und Wucht. Wie Christian Endres in seinem Vorwort zutreffend ausführt, punktet Keene immer wieder mit mehr als sympathischen Protagonisten. Larry ist hier keine Ausnahme. Schon im zunächst etwas behäbigen Beginn des ersten Kapitels, in dem wir Larry und seine drei Kumpel im Auto begleiten, schafft es der Autor, eine selten intensive Vertrautheit mit seinem Erzähler aufzubauen. Larry ist, und das wird gerade durch die vielen kleine Details die der Autor einstreut deutlich, ein netter Kumpel, mit dem zusammen man gerne mal einen trinken gehen würde. Das ist der sympathische Nachbar von nebenan, wie man ihn so gerne hätte, oder der Kollege, auf den Verlass ist, ein Typ der überall reinpasst, nett und umgänglich. Dass ausgerechnet dieser sich in eine Stripperin verliebt ist schade, würden wir ihm doch eine anschmiegsame Frau und Familienglück wünschen. Doch wie heißt es so treffend – shit happens, und so ist die Handlung bis zur Flucht durchaus im Bereich des Möglichen und in sich überzeugend ausgestaltet. Gerade die vielen Kleinigkeiten, die Keene in seine Beschreibungen einfließen lässt, sind es, die den Roman hier authentisch machen.

Kaum hat man sich gemütlich eingerichtet, quasi in seinem Lieblingssessel zurückgelehnt, beginnt dann die rasante Achterbahnfahrt à la Brian Keene. Zwar bleiben dieses Mal Zombies oder Götter außen vor, nichtsdestotrotz erwartet den Rezipienten starker Tobak. Eine Jagd voller Blei und Blut, Gewalt und Terror schließt sich an. Man kann die Seiten kaum schnell genug umblättern, um zu verfolgen, wie unsere Anti-Held und seine Geliebte vor dem anscheinend unbesiegbaren Verfolgen flüchten. Das hat mit der Realität nichts mehr zu tun, wenn Whitey mit halb weggeschossenen Kopf seine Verfolgung hartnäckig wie Freddy Krueger fortsetzt, dafür umso mehr mit der Faszination von dem Bösen, dem Unerklärlichen, ja Undenkbaren.

Das packt, fasziniert und ist sicherlich nichts für schwache Nerven – aber jede Minute der Lektüre wert.