Lynn Flewelling: Die prophezeite Königin – Tamír Triad 3 (Buch)

Lynn Flewelling
Die prophezeite Königin
Tamír Triad 3
(The Oracle’s Queen, 2006)
Aus dem Amerikanischen von Michael Krug
Otherworld, 2009, Paperback, 618 Seiten, 15,95 EUR, ISBN 978-3-902607-18-8 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

„Die prophezeite Königin“ ist nach „Der verwunschene Zwilling“ und „Die verborgene Kriegerin“ der dritte und letzte Band der „Tamír Triad“-Trilogie. Man sollte die beiden vorherigen Romane gelesen haben, um mit dem Setting, den Charakteren und den Konflikten vertraut zu sein, da das Finale auf den früheren Ereignissen aufbaut und man trotz des Personenregisters leicht den Überblick über die vielen Akteure und ihre Beziehungen verlieren kann.

Nicht zwingend notwendig hingegen ist die Lektüre des vierteiligen „Schattengilde“-Zyklus‘, der zeitlich nach den in „Tamír Triad“ geschilderten Geschehnissen angesiedelt ist, jedoch von der Autorin vorher geschrieben wurde und ebenfalls in sich abgeschlossen ist.

Skala wurde seit Generationen von Königinnen regiert und erlebte eine Blütezeit. Diese nahm ein jähes Ende, als ein König widerrechtlich den Thron an sich riss und alle Mädchen, die Anspruch auf die Krone hätten erheben können, ermorden ließ. Als Ariani, die Gemahlin von Herzog Rhius und eigentliche Thronfolgerin, Zwillinge zur Welt bringt, nehmen der Vater, die Zauberer Iya und Arkoniel und die Hexe Lhel eine schwere Schuld auf sich: Sie töten den Jungen und geben dem Mädchen Tobin seine Gestalt, damit sie erwachsen werden, den gegenwärtigen König entmachten und ihr Volk retten kann.

So wächst Tobin in dem Glauben auf, ein Junge zu sein, und wird zum Krieger erzogen. Mit 12 Jahren entdeckt er sein wahres Wesen und zärtliche Gefühle für seinen Freund und Knappen Ki, wahrt jedoch das große Geheimnis, da der König ihn voller Argwohn beobachtet und auch dessen Sohn Korin zunehmend einen Rivalen in ihm sieht. Als eine Seuche unter den Bewohnern Skalas wütet und die Plenimarer das Land verheeren, offenbart Tobin, das sie „die prophezeite Königin“ Tamír ist und fordert die Krone.

Es gelingt Tamírs Soldaten, die Invasoren zu vertreiben und das Reich zu befrieden. Doch damit sind längst nicht alle Probleme gelöst. Die neue Königin muss lernen, sich als Frau zu akzeptieren und ihren Pflichten nachzukommen. Das gleiche gilt für Ki, der zwischen der Trauer um den vermeintlich verlorenen Kameraden und seiner nicht standesgemäßen Liebe zur Königin schwankt. Auch die Schicksale von Korin, Iya, Arkoniel und Lhel erfüllen sich.

Man mag geteilter Meinung darüber sein, ob der Abschlussband die hohen Erwartungen, die die beiden anderen Bücher weckten, erfüllt. Da alle Handlungsstränge zusammengeführt und sämtliche Einzelschicksale vollendet werden, so dass keine Frage offen bleibt, darf man laut ‚ja‘ sagen. Andererseits lebten die anderen Teile von Tobins Geheimnis, das nur wenigen Eingeweihten und dem Leser bekannt war und durch das sich immer wieder gefährliche und pikante Situationen ergaben, insbesondere zwischen ihm und Ki. Das vermisst man im letzten Buch ein wenig, denn die neue Annäherung der beiden verläuft in konventionellen, weniger prickelnden Bahnen.

Alles in allem zählt Lynn Flewellings „Tamír Triad“-Trilogie zu den herausragenden Werken der epischen Fantasy. Der Autorin ist es gelungen, eine nachvollziehbare, magische Welt aufzubauen, die ganz ohne triviale Zauberei, Elfen & Co. auskommt, und sie mit mittelalterlich anmutenden Völkern zu füllen. Man findet ein komplexes Gesellschaftssystem im Wandel vor, dessen Wohl und Wehe von dem Gelingen eines raffinierten und zugleich düsteren Plans abhängt. Ausnahmslos müssen die involvierten Personen Opfer bringen – jeder erntet, was er gesät hat. Kein noch so kleines Detail wird übersehen, sodass man das Buch nach der letzten Seite zufrieden aus der Hand legt.

„Die prophezeite Königin“ wendet sich an Leser, die großen Wert auf ausgefeilte, sich entwickelnde Charaktere und realistische Szenarien, legen, welche den ausgetretenen Pfaden des Genres nur soweit folgen, wie es unbedingt notwendig ist. Schätzt man Lektüren wie „Der Drachenbeinthron“, „Die Herren von Winterfell“ oder „Erdsee“, wird man auch von „Tamír Triad“ niveauvoll unterhalten.