K. W. Jeter: Die Nacht der Morlocks: Die Zeitmaschine kehrt zurück (Buch)

K. W. Jeter
Die Nacht der Morlocks: Die Zeitmaschine kehrt zurück
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Michael Siefener
Titelbild von Philipp S. Neudorf
Edition Phantasia, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 214 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-937897-4

Von Christel Scheja

K. W. Jeter gilt als einer der wichtigen zeitgenössischen Autoren der amerikanischen Science Fiction, seit er die Filmadaption von Philipp K. Dicks „Blade Runner“ mit drei Fortsetzungen versah und dabei viel Lob erntete. Doch der 1950 geborene Autor hat auch noch viel mehr geschrieben. Weniger bekannt ist seine Fortsetzung von H. G. Wells „Die Zeitmaschine“.

Edwin Hocker ist ein gestandener Mann des Britischen Empire, der an die Vernunft und Wissenschaft glaubt, für die ausufernde Phantasie anderer aber nicht viel übrig hat. Im Jahr 1892 wird er zusammen mit anderen illustren Gästen zu einem Essen eingeladen, bei dem ihr Gastgeber eine seltsame Geschichte erzählt. Er berichtet über eine Zeitreise und eine weit entfernte zukünftige Welt, die zunächst wie ein Paradies erscheint, dann aber auch verrät, dass dieses ebenfalls seine Schattenseiten hat und der Mensch weiterhin eine Bestie ist. Denn neben den engelhaften Eloi leben auch noch die Morlocks unter der Erde – Kreaturen, deren Hauptnahrung aus Menschenfleisch besteht. Und diesen Ort will er bereist haben.

Anders als ein Gast namens H. G. Wells lacht Hocker erst einmal über die Geschichte. Doch dann muss er am eigenen Leib feststellen, dass vielleicht doch etwas Wahres an der Sache ist, denn ein Fremder namens Ambrose hinterfragt nicht nur das, was er lachend erzählt, sondern entführt ihn auch in ein London, das bereits im Mittelpunkt einer apokalyptischen Schlacht steht. Dort haben die Morlocks den Zeitreisenden ermordet und benutzen nun seine Zeitmaschine, um in das Jahr 1892 zu reisen. Im viktorianischen England wollen sie ihre Schreckensherrschaft erweitern und die Menschheit bereits jetzt versklaven. Edwin Hocker bleibt nichts anderes übrig, als in den Kampf einzugreifen, denn der Fremde ist kein anderer als Merlin, der weise alte Zauberer selbst, der ihm klarmacht, dass nur ein Mann noch das Land und die Welt retten kann – Artus. Zusammen mit der aus der Zukunft stammenden Tate macht sich Hocker deshalb auf die Suche nach dem Mann und seinem Schwert, nicht ahnend, dass er sich auf einen wilden Trip zwischen den Zeiten begibt.

„Die Nacht der Morlocks“ ist einer jener Romane, bei dem man zunächst nicht so genau weiß, was der Autor eigentlich will. Handelt es sich um eine Satire, in der Jeter nicht nur das Selbstverständnis der spätviktorianischen Zeit, sondern auch noch andere Werke von Wells parodiert, da gerade die Kämpfe im von den Morlocks besetzten London sehr an „Krieg der Welten“ erinnern? Oder handelt es sich bei dem Buch um eine ernstgemeinte Hommage an den Klassiker und dessen Autor? Da auf recht plakative und naive Weise, die sehr stark an die Pulp-Romane aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erinnert, auch noch Merlin und Artus eingebunden werden, ist zunächst eher ersteres zu vermuten. Doch muss man den unterschwelligen Humor in der ansonsten eher oberflächlichen Abenteuer-Geschichte erkennen, die Anspielungen an andere große Werke, die zeitgleich mit „Die Zeitmaschine“ entstanden, die leise Kritik am Kolonialismus und die pointierte Zurschaustellung gewisser englisch-viktorianischer Werte und Regeln.

Alles in allem braucht man schon einiges an Aufmerksamkeit, um hinter die seichte Action, die allzu vorhersehbar ist, um tiefer in die platt wirkenden Charaktere zu blicken. Letztendlich ist das 1979 erschienene Werk nur so als gut zu werten und eignet sich daher nicht unbedingt als Lektüre für zwischendurch, sondern muss viel genauer unter die Lupe genommen werden.

„Die Nacht der Morlocks: Die Zeitmaschine kehrt zurück“ ein Roman, der Zeit braucht um zu wirken und nicht nur als oberflächliche und vorhersehbare Abenteuer-Geschichte gewertet werden darf. Denn seicht ist die hintergründige und bissige Satire ganz und gar nicht.