Chris Wooding: Havoc (Buch)

Chris Wooding
Havoc
(Havoc)
Aus dem Englischen übersetzt von Katarina Ganslandt
Titelillustrationen von Dan Chernett
Ravensburger, 2011, Hardcover, 448 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-473-35338-5

Von Carsten Kuhr

Stellen Sie sich einmal vor, die Welt aus einem Comic sei nicht nur Imagination, sondern real. Dass Leser, die ein bestimmtest Ritual ausführen, gar in diese Welt eintauchen können und dort Abenteuer erleben. Ein faszinierender Gedanke – zumindest auf den ersten Blick. Denn in einer erdachten Welt geschieht oft, zum Amüsement der Leser, Abenteuerliches, ja Gefährliches. Noch dazu, wenn einer der Herren über diese Welt, nennen wir sie der Einfachheit halber Malice, die anderen Herrscher in einem blutigen Streich abgesetzt, und sich zum despotischen Herren aufgeschwungen hat. Willkommen also in Malice, einer Welt im eisigen Griff von Tall Jake und seiner im Todeshaus zusammengebauten grausamen Maschinenwesen und Regulatoren.

Immer wieder verschwinden Kinder aus der wirklichen Welt, nachdem sie das in Internetforen beschriebene Ritual ausgeführt haben. Tall Jake holt sie nach Malice, und nur ganz wenigen gelingt die Flucht zurück in die reale Welt. Ein Zauber bewirkt, dass sie alle Erinnerungen an Malice verlieren. So ging es auch Seth. Nachdem er im ersten Band des Zyklus zusammen mit Kady und Justin gegen Tall Jake gekämpft hat, sollte er eigentlich Shard, ein mysteriöses Objekt mit dessen Hilfe man Tall Jake vielleicht vernichten kann, suchen und nach Malice bringen. Doch auch er hat seine Erlebnisse in Malice verdrängt. Erst nach und nach kommt die Erinnerung zurück. Jetzt gilt es einen Zugang zu Malice zu finden, denn Tall Jake kann er natürlich unmöglich bitten ihn zu holen.

Währenddessen machen Kady und Justin sich auf, in Acropolis, der Stadt der Katzengöttin, nach Unterstützung im Kampf gegen Jack zu suchen. Zusammen mit dem Shard, dem Laq und der menschlichen Rebellengruppe Havoc, die einst von Kady angeführt wurde, soll der Angriff auf Jake von Erfolg gekrönt sein – wenn nicht Grendel, der göttliche Zeichner des Comics, die Pläne in seinen Zeichnungen verrät…

Chris Woodings Bücher zeichnet immer etwas ganz Besonderes aus. Abseits der ausgetretenen Wege sucht er seine Leser in seinen Bann zu ziehen, indem er ein ungewöhnliches Setting mit markanten Figuren paart und eine spannende Handlung erzählt. In den Jugendbüchern um Malice, dessen zweiter Band nun vorliegt, hat er darüberhinaus den Roman mit Comiceinschüben verbunden und so den Inhalt auch optisch kongenial umgesetzt. Das spricht sowohl Leser wie auch Comicliebhaber an, bietet eine gelungen Synthese beider Medien und passt zudem noch zum Inhalt.

Überraschend war und ist für mich, dass Wodding in seine für eine jugendliche Zielgruppe verfassten Romane sich selbst kaum zügelt. Da werden Menschen die Köpfe aufgebrochen und die Teile des Gehirns, die für Mitleid zuständig sind, entfernt, und so willige Sklaven Jakes hergestellt. Daneben warten blutrünstige Metallwesen auf ihren Einsatz gegen unsere tapferen Helden, Kinder werden verfolgt, gefoltert und ermordet – das ist starker Tobak für ein Jugendbuch. Dennoch, oder vielleicht auch gerade deshalb, funktioniert die Story. Und dies nicht nur im faszinierend beschrieben Umfeld Malices, das seine Steampunk-Reminiszenzen zunehmend hinter sich lässt, auch der Handlungsstrang, der sich in der realen Welt mit den Hintergründen, den Strippenzieher und dem mysteriösen Schöpfer Malices auseinandersetzt, weiß zu überzeugen. Dies liegt neben der eindeutigen Darstellung der Bösewichter auch und insbesondere an den Helden. Sie, die Kinder, sind nachvollziehbar gezeichnet, sind genervt oder fürchten sich, verhalten sich schlicht überzeugend. Natürlich punktet der Autor insbesondere mit der Darstellung von Malice – die im tiefen Dschungel liegende Stadt der Katzen in all ihrer verschwenderischen Pracht, die mit den vielen Mosaiken verzaubert ist – den Leser regelrecht. Aber auch die großen, auf Stelzen gelagerten Bahnhöfe und technischen Lebewesen üben ihren ganz eigenen Reiz auf die Leser aus. Mit der Geschichte Grendels schließlich hat mich der Autor verblüfft. Ohne hier zu viel verraten zu wollen, nimmt er hier das alte Motiv des guten Wesens in einem furchterregenden Körper auf, zeichnet den Schöpfer Malices als letztlich missbrauchtes Wesen, das für die Taten, die auch in seinem Namen begangen werden, nichts kann.

Nach dem fulminanten Auftakt hat es der Autor geschafft, nicht nur sein hohes Tempo sondern auch die Spannungskurve beizubehalten, seine Schöpfung in sich logisch weiterzuführen und erneut ein spannendes Abenteuergarn zu spinnen.