Stephenie Meyer: Biss zur Mitternachtssonne (Buch)

Stephenie Meyer
Biss zur Mitternachtssonne
(Midnight Sun, 2020)
Übersetzung: Henning Ahrens Sylke Hachmeister, Alexandra Rak und Annette von der Weppen
Titelbild: Roger Hagedone
Carlsen, 2020, Hardcover, 842 Seiten, 28,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Neben den „Harry Potter“- und den  „Die Tribute von Panem“-Romanen waren und sind die „Biss“-Bücher der Renner im phantastischen Buch-Bereich. Überall auf der Welt verkaufte sich Stephenie Meyers Vampir-Saga zigfach, stürmte die Bestseller-Listen und löste einen selten erlebten Hype aus. Die Verfilmung tat ein Übriges, den Erfolg weiter anzuheizen und über Jahre aufrechtzuerhalten.

Was aber tut man als erfolgreiche Autorin, die eigentlich ihre Saga erzählt hat, dem Drängen der Fans auf weiteres Material aber nachgeben möchte? Richtig, man erzählt die Geschichte ganz einfach noch einmal.

Stephenie Meyer wechselt also die Perspektive, und schon ist ein sehnsüchtig erwartetes, neues „Twilight“-Buch fertig.

Der Inhalt selbst ist bekannt. Die Saga erzählt von der eigentlich unvorstellbaren Liebe zwischen dem Vampir Edward und dem normalen Mädchen Bella. Im vorliegenden Roman berichtet jetzt Edward von den ersten Begegnungen mit Bella, die ihn in ihren Bann zieht. Es ist eine große, bewegende Love Story voller Gefühle, voller Dramatik und angereichert mit einem gehörigen Schuss Mystik.

Der Wechsel der Perspektive ermöglicht es der Autorin, nicht nur Edwards Gefühlschaos, seine Zweifel und seine Hingabe direkter als bislang darzustellen, sie nutzt den Blickwinkel auch dafür, die Romanze ein wenig dunkler zu zeichnen.

So findet sich der Leser/die Leserin sofort in der bekannten Welt wieder - und doch wirkt diese ein wenig anders, werden Figuren aus einer anderen Perspektive beleuchtet und erhalten so eine neue, interessante Dimension. Ein wenig übertrieben hat es Meyer allerdings mit der Ausarbeitung von Edwards inneren Monologen und seinem inneren Kampf.

Zudem sind die Leser in den Jahren, seitdem sie die Reihe verschlungen haben, älter und reifer geworden, so dass auch das Herangehen des Rezipienten an den Text ein anderer ist.

So sind manche Passagen, die man vor 10 Jahren als romantisch empfunden hat, in der Zeit von MeToo als zweifelhaft und nicht länger akzeptabel anzusehen. Um hier nur ein Beispiel zu nennen: Die nächtlichen Besuche Edwards und das tägliche Beobachten könnte man leicht als unangemessenes Stalking auffassen. Die Grenzen von Romantik und Belästigung sind hierbei fließend und könnten daher schnell anders interpretiert werden, als von der Autorin vorgesehen.

Als Fazit bleibt, dass der Band den Fans ein lange ersehntes Wiedersehen mit den Figuren beschert, dass er einen neuen Blickwinkel offeriert, dabei aber auch Längen aufweist und so Mancher feststellen muss, dass er der großen Liebesgeschichte entwachsen ist.