Michael Schmidt (Hrsg.): Zwielicht Classic 11 (Buch)

Michael Schmidt (Hrsg.)
Zwielicht Classic 11
Titelillustration von Oliver Pflug
Paperback, 2016, 182 Seiten, 12,95 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Es ist schon geraume Zeit her, da reifte in Michael Schmidt der Entschluss, gegen die darniederliegenden Möglichkeiten für Autoren ihre Kurzgeschichten zu veröffentlichen, etwas zu tun. Er hob das Horror-Magazin „Zwielicht“ aus der Taufe, dem kurze Zeit später „Zwielicht Classic“ nachfolgte. In letzterem Magazin erschienen und erscheinen bereits veröffentlichte Geschichten, die jedoch kaum mehr erhältlich sein dürften. Sinn und Zweck war und ist es, Storys und Novellen, die dem Leser herausragende Horror-Vergnügen offerieren, aus dem Vergessen zu reißen und in gesammelter Form zugänglich zu machen. Der Herausgeber sichtet dafür eine Unzahl Periodika, nimmt aber gerne auch immer Hinweise und Empfehlungen aus kundiger Richtung entgegen und legt in unregelmäßigen Abständen die Sammelbände vor. Der neueste, bereits elfte Band hält wieder faszinierendes, ebenso abwechslungsreiches wie niveauvolles und handwerklich solides Lesefutter für den Interessierten bereit.

 

Wundern Sie sich nicht auch, dass ausgerechnet die größten Künstler immer früh sterben? The Good die young, heißt es in der Branche, doch hinter den tragischen Toden steckt, das weiß Marianne Labisch in „Profit durch Mord“ zu berichten, etwas ganz anderes.

In Uwe Voehls „Sternschnuppennächte“ begegnen wir in einem christlichen Kloster einem offensichtlich verwirrten Mann. Warum nur zieht diesen eine sphärische Melodie, die von der Christuskrone in der Kapelle ausgeht, so an und warum fasziniert ihn der Meteorit, der in die Krone eingearbeitet wurde, so?

Susanne Schnitzler entführt uns in „Lennie Bell beschwimmt den Teufel“ auf eine Jugendfreizeit an einem See. Hier, so geht die Mär, wartet der Teufel darauf, dass sich eine übermütige Seele mit ihm im Wettschwimmen messen will - doch dann bekommt es der Seelentrinker mit einer jungen Frau zu tun, die ihn mit seinen eigenen Waffen bekämpft.

Was ist wichtig im Leben? Das, was die Eltern für einen geplant haben, oder vielleicht doch das, was man sich tief drinnen selber wünscht? Vor der Entscheidung gestellt in ein besseres Nachleben zu treten, oder doch sich hier auf Erden zu verwirklichen, steht Susann Obando Amendts Protagonistin in „Blendlicht“ - doch für was wird sie sich entscheiden?

Des Menschen bester Freund ist bekanntlich der Hund. In Karin Reddemanns „Kleiner“ begegnen wir einem kleinen, süßen Hündchen - das es wahrlich in sich hat, wie erst Nachbars Katze und dann der böse Nachbar selbst erkennen müssen.

Gedanken lesen zu können müsste doch toll sein - oder? Nun, in Christian Weis’ „Gedankenspiele“ erfährt ein eigentlich ganz sympathischer Mann in den besten Jahren mittels seiner neuen Gabe weit mehr, als er ertragen kann - und zieht Konsequenzen.

Eine revolutionäre Heilmethode gegen Krebs hat in Andreas Fiebergs „Heute, Kinder wird’s was geben“ gänzlich unerwartete Folgen - denn merke, Krebszellen sind kaum kaputt zu bekommen und können fehlende Organe replizieren.

Michael Tillmann befasst sich in „Rationalisierungsmaßnahmen“ mit den modernen Foltermethoden, die sich so ganz von denen im Mittelalter unterscheiden - nur humaner sind sie nicht geworden.

Ein Toter übernimmt die Hauptrolle in Hubert Katzmarz’ „Der Mann, der die Wespen hasste“. In einer verlassenen, baufälligen Fabrik findet man einen aufgrund einer allergischen Reaktion auf einen Wespenstich Getöteten. Wer war er, was wollte er - Fragen, die die Polizei sich stellt. Ellen Nortens „Begleittext zu Der Mann, der die Wespen hasste“ erläutert ein wenig die Hintergründe des vorhergehenden Textfragments.

Willkommen im Hotel California heißt es in Nadine Muriels „Jesses Reise“, in der uns ein Hippie von seinem Aufenthalt im Hotel berichtet - der länger dauert, als gedacht.

Die Menschen auf den Kanalinseln leben seit Generationen vom Fischen. Was aber, wenn wie in Markus K. Korbs „Fischaugen im Dämmerlicht“ der Fang ausbleibt? Es ist am Ältesten der Fischer dafür Sorge zu tragen, dass die Meeresbewohner wieder anbeißen.

„Im Schatten“ von Vanessa Kaiser & Thomas Lohwasser entführt uns ins viktorianische London. Ein Privatdetektiv wird auf einen reichen Erben angesetzt, um dessen untadeligen Lebenswandel zu erforschen - und findet sich binnen Kurzem in einer Opiumhöhle und Freudenhaus wieder. Damit nicht genug, führt ein unterirdischer Gang zu etwas ganz anderem - etwas, aus seiner eigenen Vergangenheit.

Vincent Voss lässt in „Eine kurze Geschichte über den Tod und den Untod“ eine Ich-Erzählerin von ihrer Obsession vom Tod berichten. Die Mutter und Ehefrau hat im Studium Bestattungsriten und den Umgang moderner wie archaischer Gesellschaften mit dem Ableben untersucht, arbeitet jetzt bei einem Bestattungsunternehmen - das bald viel, sehr viel, zu viel zu tun bekommt.

Karin Reddemann schließlich beschäftigt sich in ihrem Artikel „Die dunkle Muse“ mit dem Tod, dem Begraben sein, in all seinen Variationen, insbesondere aber im Sarg, ohne dass der vermeintlich Verblichene tatsächlich verstorben ist - eine wahrhaft grausame Vorstellung!