Bionda, Alisha (Hrsg.): Dark Ladies 1 & 2 (Buch)

Alisha Bionda (Hrsg.)
Dark Ladies 1 und 2
Titel- und Innenillustrationen von Gaby Hylla
Fabylon, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 226 bzw. 245 Seiten, 12,00 EUR bzw. 13.00 EUR, ISBN 978-3-927071-25-4 bzw. 978-3-927071-26-1

Von Carsten Kuhr

Dass sich phantastische Kunst und Literatur gegenseitig befruchten können ist altbekannt. Schon in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts legen Periodika wie der Orchideengarten oder Kokain beredt Zeugnis von dem Inspiration, die Literatur und bildende Kunst aufeinander ausüben können, ab.

In den letzten Jahren, ja man muss fast schon Jahrzehnte sagen, aber haben sich in den allermeisten Verlagen die Rechenschieberkünstler durchgesetzt. Illustrationen, noch dazu eventuell extra für den Inhalt angefertigt, kosten Geld und sind damit für den Break-Even eines Buches Gift. Die Folge war und ist, dass die meisten Verlage ihre lieblos konzipierte Massenware auf den Wühltisch schmeißen, ohne sich groß über Kundenwünsche oder Kundenbindung, über einfallsreiche Präsentation Gedanken zu machen. Bücher sind zu einer Massenware geworden, die billig gemacht werden, um dem schnellen Gebrauch möglichst unter Schnäppchengesichtspunkten zu entsprechen.

Doch es gibt auch eine Bewegung, die dem entgegenläuft. Gerade die umtriebigen Kleinverlage suchen ihre Leser – dort sind es eben noch nicht nur Käufer, sondern Gleichgesinnte, die das Erlebnis eines gut gemachten Buches suchen – mit sorgfältig und liebevoll gemachten Bänden zu erfreuen, und diese so an den Verlag zu binden.

Mehr noch, das was bei den Großverlagen seit Jahren keinen Platz mehr findet, Anthologien – noch dazu von Autoren deutscher Feder – werden hier gepflegt.

Doch selbst in diesem Umfeld ist es beachtenswert, wenn die Bilder einer Künstlerin als Inspiration für insgesamt 28 Geschichten dienen.
Unter www.gabyhylla-3d.de/ stieß die Herausgeberin Alisha Bionda eines Tages auf die 3-D Grafiken der Künstlerin Gaby Hylla. Die Dark Ladies, die sich dort in Farbe präsentierten, begeisterten Alisha und schon war ein Projekt geboren, wie es die deutschsprachige Phantastik bislang noch nicht gesehen hat. Jeder der Autoren konnte sich von einem der Bilder zu seiner eigenen Geschichte inspirieren lassen, die Vorlagen wurden in schwarz-weiß der fertigen Story im Buch dann vorangestellt.

Mit Uschi Zietschs Fabylon Verlag fand man dann eine verlegerische Heimat, die die Bände mit hochwertiger Klappenbroschur und sorgfältigem Druck einen ansprechenden Rahmen bieten. Aufgrund des Umfangs entschloss man sich dazu, die Novellen und Kurzgeschichten in zwei Büchern herauszubringen. Und das Ergebnis kann sich nicht nur optisch und handwerklich sehen lassen.

Erstaunlich ist, dass keine der Geschichten stilistisch aus dem Rahmen fällt. Bei all der gebotenen Bandbreite der Texte ist dies mehr als bemerkenswert.

Doch um was geht es im Einzelnen?

Den Reigen eröffnet Martin Clauß, der uns von einer zweiten, rückwärtsgerichteten Schöpfungsgeschichte berichtet. Eine interessante Idee, die auch bei näherer Betrachtung besticht.

Sabine Ludwig berichtet uns in einer bemerkenswert surreal wirkenden Atmosphäre von der etwas eigenen Art einer jungen Frau, ihre Beziehung zu beenden.

Günter Suda unternimmt mit uns einen Ausflug in esoterische Gefilde. Auf der Suche nach dem Motiv des Todes seines Freundes wird diesem nur zu deutlich, wie sich sein Freund gefühlt hat.

Eva Markert entführt uns ins ewige Eis. Der Inuit der als Jäger am Eisloch auf Beute lauert ist selbst ins Fadenkreuz einer Jägerin gerückt.

Barbara Büchner greift auf sehr eigenwillige, aber durchaus ergreifende Art das alte Motiv des »Beauty and the Beast« auf. Gerade weil die Autorin nicht ins Detail geht, mehr andeutet als grell beleuchtet, wirkt ihre Geschichte besonders intensiv.

Martin Kay stellt einen Söldner in den Mittelpunkt seiner geradlinig erzählten Handlung. Ein Mann, der sich nicht gescheut hat, unschuldige Frauen und Kinder zu ermorden, soll nach seinem Tod seinen gerechten Lohn erhalten – Walhalla oder die Hölle, das ist hier die Frage. Die Verbindung zwischen temporeicher Action und Mythenanspielungen funktioniert hier besonders gut.

Corina Bomann berichtet uns in ihrer Novelle von der Rückkehr einer Hexengräfin. In der recht geschickt aufgebauten Spukgeschichte punktet sie mit einer warmherzigen Beschreibung ihrer Protagonistin – einer Hebamme – die sich der von den Toten zurückkehrenden Gräfin mit Verve entgegenstellt. Auch wenn die Story als solche recht vorhersehbar ist, sind die Details sorgfältig ausgearbeitet, die Lektüre flüssig und spannend.

Harald A. Weissen doziert ein wenig in Römischer Geschichte. Ein dekadenter Adeliger hat sich neben sodomistischen Umtrieben die Verbindung von Mensch und Tier auf seine Fahnen geschrieben.

Christoph Hardebuschs Beitrag war eine der Geschichten, mit denen ich persönlich am wenigsten anfangen konnte. Erzählt wird das Schicksal eines Sklaven. Als besonders schöner, kampfstarker Mensch erobert er das Herz einer der Sklavenhalterinnen, wird verraten und flieht mit dem gemeinsamen Kind. Der ständige Wechsel der beiden Erzählebenen, die noch dazu sehr kurz gehalten sind, verwirrt mehr, als dass sie als Stilmittel überzeugen.

Uschi Zietsch legt ihre ganz eigene Version des Märchens »Dornröschen« vor. Die altbekannte Geschichte wird aus der Sicht des kussbereiten Prinzen erzählt, der zu wenig auf die väterlichen Warnungen hört, um das sich anbahnende Unheil abwenden zu können. Gerade das bitterböse Ende und der ungewohnte Ansatz sorgen hier für Lesespaß.

Damian Wolfe zeigt uns, was zwei Möchtegern-Hexen nicht alles anstellen können – und den Preis ihrer Selbstüberschätzung. Flüssige, muntere Dialoge und ein überraschendes Ende verwöhnen hier den Leser.

Lothar Nietsch zeigt auf, dass der Tanz mit der geheimnisvollen Schönen, auch wenn dieser einen ultimativen Preis fordert, den Tänzer in Versuchung führt.

Boris Koch schließt den ersten Teil dann mit einer gewohnt routiniert, inhaltlich einmal mehr überraschenden Geschichte ab. Lilith, die in der Hölle für die Züchtigung der Wollüstigen zuständig ist hat von ihrem Job die Schnauze voll – und kündigt. Wie von Boris gewohnt, verwöhnt er mit Einfallsreichtum und stilistischen Finessen.

Fran Henz eröffnet den zweiten Band mit einem Bericht über Gestaltwandler die versuchen ihre Prophetin an sich zu binden – und dabei böse ausmanövriert werden. Auch wenn die Geschichte vom logischen Standpunkt nicht ganz überzeugt, gelingt es der Autorin mit markanten Bildern ihre Leser zu fesseln.

Jennifer Schreiner verbindet griechische Mythologie mit unserer Zeit. Ein ferner Nachfahre von Odysseus begibt sich auf dessen Spuren – und fällt einem uralten Übel zum Opfer. Nach einem guten Beginn verliert sich die Autorin im Finale leider ein wenig in ihren nicht immer überzeugenden Details.

Rainer Innreiter lässt uns in seiner sehr kurzen Geschichte auf einen Mönch treffen, der mittels Fleischeslust in Versuchung geführt werden soll.

Barbara Büchner, die einzige Autorin mit zwei Geschichten in den beiden Titeln, spielt vorliegend ein wenig mit der Sado-Maso-Masche. Dabei bleibt Vieles aufgrund der fehlenden Länge der Geschichte offen.

Tanya Carpenter erzählt von einem Familienfluch, der einmal mehr ein Opfer fordert. Ein wenig zu sehr konzentriert die Autorin sich hier auf ihre wenigen Personen, so dass atmosphärisch eine Lücke auffällt.

Arthur Gordon Wolf entführt uns mit seinem Protagonisten in die virtuelle Spielewelt der griechischen Antike. Dummerweise sind die Amazonen so betörend, dass der Held sein Fluchtwort vergisst. Nach einem guten Beginn lässt die Geschichte zum vorhersehbaren Finale nach.

Monika Wunderlich lässt das bekannte Motiv des verschmähten Kindes wieder auferstehen. Als ihre Adoptiveltern doch noch eigenen Nachwuchs bekommen gilt es, die eigene Stellung zu sichern – um jedem Preis. Leider bleibt die Ausführung ein wenig arg dem Bekannten verhaftet.

Dave T. Morgan berichtet von einer Versuchung mit samtweicher Haut. Eine Story, die mich nicht wirklich in ihren Bann ziehen konnte, da der direkte Zugang zum Erzähler fehlte.

Linda Budinger bedient sich ebenfalls eines alten Motivs. Schon Odysseus ist um seine Eurydike von den Toten zurückzuholen in den Hades eingezogen. Auch der Regentänzer macht sich auf, seine verstorbene Angebetete zu retten – und erkennt dabei, dass ein gebrochener Käfig nicht mehr geschlossen werden kann.

Guido Krain nimmt der Ball auf und entführt uns in die Welt der Heroic Fantasy. Die Suche des Winters nach seiner Gefährtin findet ein überraschendes Ende. Die archaische Atmosphäre der wikingerähnlichen Gesellschaft bietet den Rahmen für eine zu Herzen gehende Geschichte.

Robin Gates berichtet uns von einer Attentäterin, die zur Ausübung ihres Berufs zeitweilig in den Körper einer Giftschlange schlüpfen kann. Unerwartete Wendungen und stringente Handlung überzeugen hier.

Christoph Marzi Text ist sicherlich neben den Beiträgen von Uschi Zietsch, Barbara Büchner und Boris Koch eines der Highlights der Bände. Er stellt uns eine ungewöhnliche Superheldin vor. Eine etwas andere Hauptdarstellerin, die voller Aufopferung ihre debile Mutter versorgt, und dennoch Zeit findet, einen alten Gegner zu bekämpfen. Eindringliche Bilder, überraschende Wendungen und sprachlich ausgefeilt, besser geht es kaum.

Aino Laos stellt nochmals eine vom Schicksal Gebeutelte ins Zentrum. Eine querschnittgelähmte junge Frau sucht einen Ausweg aus ihrem Los – und erhält mehr, als sie erwartet hat.

Desirée & Frank Hoese berichten vom Kampf dreier Verbündeter gegen einen Succubus. Zu viel bleibt unklar, insbesondere in der Beziehung untereinander, als dass die Handlung wirklich überzeugen könnte.

Harald Braem schließt den Band dann mit der Suche nach dem legendären El Dorado ab. Nach einem sehr stimmungsvollen Beginn enttäuscht das etwas handlungsarme Finale dann ein bisschen.

Neben den Bildern und Geschichten runden ein Vor- und ein Nachwort sowie eine ausführliche Vorstellung der Beteiligten Autoren und der Künstlerin die gelungenen Bände ab.

Angesichts der Fülle des unterschiedlichen Materials – von der Variation klassischer Märchen und Sagenstoffe hin bis zu Superhelden ist alles vertreten – wird jeder Leser sicherlich einige Geschichten nach seinem persönlichen Gusto finden, und dabei auch Gelegenheit zu der einen oder anderen neuen Entdeckung haben.

Die Umsetzung der Bildvorlagen erfolgte das eine oder andere Mal ein wenig verkrampft, so manche der Beiträge präsentierten sich überkonstruiert, und die Konzentration auf Anti-Heldinnen ist bemerkenswert, dennoch ist die gebotene Qualität, insbesondere in stilistischer Hinsicht, beachtlich.

Insgesamt ein verlegerisches Wagnis, das dem Leser einen bunten Strauß sehr unterschiedlicher Geschichten in einer hervorragenden Ausstattung und zu einem moderaten Preis offeriert. Man kann nur hoffen, dass sich die Bände ob der gebotenen Qualität durchsetzen werden, verdient haben sie es.