Novik, Naomi: Drachenwacht – Die Feuerreiter Seiner Majestät 5 (Buch)

Naomi Novik
Drachenwacht
Die Feuerreiter Seiner Majestät 5
(Victory of Eagles)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Marianne Schmidt
Titelillustration von Anne Stokes
Penhaligon, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 412 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-7645-3015-0

Von Britta van den Boom

Will Laurence kehrt als Verräter nach England zurück, nachdem er – auf das Drängen seines Drachen Temeraire hin – dem Erzfeind Napoleon das Gegenmittel gebracht hat, um die tödliche Seuche zu stoppen, die ansonsten nicht nur in Frankreich sondern auf dem ganzen Kontinent alle Drachen getötet hätte. Die britischen Befehlshaber mochten es als eine gute Kriegslist angesehen haben, mit dem Verbreiten der Seuche ihrem Feind einen schweren Schlag zu versetzen und sich ganz nebenbei zu einer der führenden Luftarmeen der Welt aufzuschwingen.

Doch Laurence sieht die Drachen schon lange nicht mehr als nützliche Tiere und Kampfmaschinen sondern als das, was sie wirklich sind: Als intelligente, begabte Wesen mit Verstand und Seele gleichermaßen, die einen Platz in der Gesellschaft verdient haben, der sie ansonsten nur aufgrund der Treue zu ihren Kapitänen dienen.
Obwohl Laurence des Hochverrates für schuldig befunden und zum Tode verurteilt wird, kommt es nicht zur Vollstreckung des Urteils, denn Napoleon überquert den Kanal und fällt in England ein – und somit wird jeder Drache und jeder Mann zu seiner Abwehr benötigt. Aber die revolutionären Ideen Temeraires, des Himmelsdrachens, stellen die bisherige Ordnung in Frage, selbst in Dingen des Krieges. Und so entwickelt sich die entscheidende Schlacht gegen die Franzosen auf heimatlichem Grund ganz anders, als es sich die Befehlshaber vorstellen konnten – denn einige der Drachen übernehmen selbst das Kommando und kämpfen nach ihren Regeln und Taktiken.

Der fünfte Band des Zyklus wartet wieder mit neuen Ideen auf und entgeht somit der Gefahr, nur eine Verlängerung der vorherigen Bücher zu sein. Konsequent und anschaulich entwickelt Novik die in den vorherigen Romanen begonnenen Gedanken weiter, die zu einer neuen Sicht auf die Drachen, ihre Rechte und ihre Möglichkeiten führen, und diesmal beschreibt sie auch mehr als vorher aus der Perspektive von Temeraire selber, was der Erzählung eine interessante weitere Facette gibt.
Gleichzeitig ist »Drachenwacht« der bisher schwermütigste Roman der Serie, da sich Laurence durch den Verrat an seinem Heimatland in die Position eines Märtyrers gebracht hat, mit allen dunklen Grübeleien, mit Verachtung und Verlust von Freundschaften und nicht wenigen Selbstzweifeln. In der Gesellschaft, die dem späten 19. Jahrhundert ähnelt, gelten Ehre und Respekt einem Gentleman mehr als sein eigenes Leben: Der Konflikt zwischen den Pflichten eines Soldaten gegenüber seinen Vorgesetzten und seinem Land, der Treue zu seinem Drachen und der ethischen Entscheidungen, die nur ein Einzelner treffen kann, nehmen einen nicht geringen Teil der Erzählung ein.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Beschreibungen der kleineren und großen Schlachten, die auf englischem Boden geschlagen werden und die Novik abwechslungsreich und schlüssig darstellt. Die Szenerie lässt jedoch keinen Raum für die Exotik, die in den vorherigen Bänden auf den Reisen der Protagonisten nach China und Afrika einen Großteil des Charmes der Romane ausgemacht hat. Somit ist »Drachenwacht« viel mehr auf die Innenwelten der Charaktere und auf militärische Geschehnisse ausgerichtet, wobei der Cliffhanger, mit dem das Buch endet, eine Rückkehr zu früherer ›Reiseberichterstattung‹ verspricht.
Der Roman ist gut und flüssig geschrieben, sehr schön zu lesen, greift viele Geschehnisse der vorherigen Bände auf und bringt sie teilweise zu einem Abschluss. Somit fügt er sich in den insgesamt sehr lesenswerten Zyklus wunderbar ein und ist jedem nur zu empfehlen, der die bisherigen »Temeraire«-Bücher gerne gelesen hat.

Ebenfalls erwähnenswert ist die sehr liebevolle Aufmachung des Buches mit geprägtem Cover und aufwändiger Gestaltung, die auch ein Paperback zu einem kleinen Kunstwerk werden lassen.