Doris Kurella und Inés de Castro (Hrsg.): Inka – Könige der Anden (Buch)

Doris Kurella und Inés de Castro (Hrsg.)
Inka – Könige der Anden
Zabern, 2013, Hardcover, 348 Seiten, 29,90 EUR, ISBN 978-3-8053-4657-3

Von Irene Salzmann

Obwohl die Inkas in Südamerika für gut drei Jahrhunderte über ein blühendes Großreich herrschten, bis es von Pizarro im 16. Jahrhundert zerstört wurde, ist wenig über ihre Herkunft und Kultur bekannt. Man vermutet, dass das indigene Volk vom Titicacasee einwanderte und sich im Laufe der Generationen entlang der Westküste über weite Teile des heutigen Chile und Argentinien, sowie Bolivien, Peru und Ecuador ausbreitete. Um 1200 gründeten die Inkas die Hauptstadt ihres Reiches: Cusco. Kulturell erreichten sie einen der eurasischen Bronzezeit entsprechenden Stand.

Da es von den Inkas selber keine – schriftlichen – Aufzeichnungen gibt, von den Kotenschnüren (Quipu) einmal abgesehen, basiert das meiste Wissen über sie auf archäologischen Funden, Abbildungen (auf Monumenten, Stoffen etc.) und vor allem Sekundärquellen (Aufzeichnungen der Soldaten und Priester).

Die frühesten Nachweise von menschlichen Siedlungen in jenen Gebieten, die später zum Inka-Reich gehören sollten, datieren auf 5000 v. Chr. Um das Jahr 1000 n. Chr. bedingte ein Klimawandel die Einwanderung neuer Volksgruppen in die Region, darunter die Inkas, die andere Stämme assimilierten, indem sie ihre Oberschicht entweder durch eine geschickte Heiratspolitik an sich banden oder auslöschten und das einfache Volk in der Hierarchie auf einer niedrigeren Stufe integrierten oder versklavten. Die Errungenschaften jener Kulturen wurden übernommen und weiterentwickelt.

Man muss sich angesichts des Wissens und der Technologie, über die die Inkas verfügten, fragen, wie die Welt heute wohl aussehen würde, wäre diese Kultur nicht der Habgier der spanischen Krone zum Opfer gefallen und vernichtet worden.

„Inka – Könige der Anden“ ist der Begleitband zur „Großen Landesausstellung Baden-Württemberg im Linden-Museum Stuttgart“ vom 12. Oktober 2013 bis 16. März 2014 und der „Sonderausstellung im Ausstellungszentrum Lokschuppen Rosenheim“ vom 11. April 2014 bis 23. November 2014.

Das Hardcover setzt sich aus einem Informations- und einem Katalogteil zusammen. Etwa zwei Drittel informieren den interessierten Leser über den heutigen Wissensstand der Forschung, das übrige Drittel erläutert die Exponate. Über 500 farbige Abbildungen auf Hochglanzpapier zeigen Landschaften, Bauwerke, Menschen, Gebrauchs- und Kultobjekte, Kunst und Vieles mehr. Die Fotos haben wenigstens die Größe einer Kreditkarte und belegen bis zu zwei Seiten.

Zunächst machen die Autoren ihr Publikum mit den geografischen Begebenheiten vertraut, die die Rahmenbedingungen für die dort ansässige Bevölkerung liefern beziehungsweise für die frühzeitlichen Stämme lieferten. Auch die Vorläufer- und Parallelkulturen, von deren Errungenschaften die später eingewanderten Inkas profitierten, werden berücksichtigt. Obgleich man ihre Namen kaum kennt, ist die Geschichte der Nasca beispielsweise mindestens so interessant wie die der Inkas.

Ein weiterer Punkt ist die Herkunft der Inkas, der mythologisch, archäologisch und linguistisch beleuchtet wird. Die neuesten Erkenntnisse liegen im Widerspruch zum Schöpfungsmythos und den Mythen der Andenvölker allgemein. Wie so oft war der Grund für die Einwanderung nicht etwa das idealistische Bedürfnis, Ordnung in einem Landstrich voller mehr oder minder verfeindeter Stämme zu etablieren, sondern der simple Bedarf an Nahrungsmitteln und die Sicherung von Ressourcen.

Die weiteren Kapitel widmen sich den Expansionen, die von den verschiedenen Inka-Herrschern vorangetrieben wurden, der Staats- und Infrastruktur, der Landwirtschaft und dem Bergbau, den Profan- und Sakralbauten, der Religion und dem Totenkult, der Kommunikation und Dokumentation – bis zum Niedergang des Reichs. Es folgen die Eroberung durch Pizarro und die Kolonialzeit.

Alle Texte sind nicht länger als unbedingt notwendig, sachlich und sehr informativ. Auch Laien können den Ausführungen problemlos folgen und finden am Ende des Buchs eine umfangreiche Literaturliste, falls sie sich mit einigen Themen gern detaillierter befassen möchten, ferner die eMail-Adressen der 17 Autoren, sollten konkrete Fragen bestehen.

Die Fotos sind wunderschön und verleihen dem Buch Bildbandqualität – ja, sie machen wirklich neugierig auf die Ausstellungen. Im Katalogteil sind die Exponate, die eingangs großformatig zu sehen sind, klein abgebildet und mit Erklärungen versehen. Allein das Gewicht des Buchs (Kunstdruckpapier ist schwer) spricht dagegen, es beim Besuch der Ausstellung mit sich zu führen und das eine oder andere vor Ort nachzuschlagen.

„Inka – Könige der Anden“ ist nicht nur ein gelungener Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung, sondern auch ein sehr informatives Sachbuch beziehungsweise ein optisch sehr schön gestalteter Bildband über eine untergegangene Kultur, über die man gern mehr erfahren möchte.