Elric 1: Der Rubinthron (Comic)

Elric 1
Der Rubinthron
(Elric: Le trone de rubis)
Textadaption & Szenario: Julien Blondel
Zeichnungen & Farben: Didier Poli, Robin Recht, Jean Bastide
Übersetzung: Tanja Krämling
Splitter, 2013, Hardcover, 56 Seiten, 14,80 EUR, ISBN 978-3-86869-658-5

Von Frank Drehmel

Mit Elric von Melniboné, dem albinotischen, körperlich schwachen Herrscher auf dem Rubinthron der Hexerkönige von Imrryr, dessen seelenverschlingendes Schwert Sturmbringer ihn zum größten Krieger seiner Ära macht und der alles vernichtet, was er liebt bis hin zur Zerstörung seiner Welt, hat der britische Autor Michael Moorcock einen der bedeutendsten – ja geradezu ikonischen – tragischen Anti-Helden der Fantasy-Literatur geschaffen.

Im US-amerikanischen Comic hatte Elric schon im Jahr 1972 einen ersten Auftritt, ein regelrechter Hype mit zahlreichen Mini-Serien aus unterschiedlichen Verlagen nahm jedoch erst in den frühen 80ern seinen Anfang. Zwar fanden europäische Comic-Schaffende wie Philippe Druillet ebenfalls früh Gefallen an der Figur, dennoch beschränkten sich die Veröffentlichungen fast ausnahmslos auf angloamerikanisches Material. Mit dem ersten Album des auf vier Bände angelegten ersten Elric-Zyklus’ liegt nun eine frankobelgische Adaption aus 2013 vor, auf die der Schöpfer der Figur, Michael Moorcock höchstselbst, in einem Vorwort eine wahre Eloge hält.

Elrics Herrschaft, welche er in Nachfolge seines Vaters, Sadric dem Unerbittlichen, nach dessen Tod angetreten hat, wird nicht von jedem Melniboneer als positiv gesehen. Insbesondere der Bruder seiner Geliebten Cymoril, sein Cousin Prinz Yyrkoon, sehnt sich nach den Zeiten zurück, als die Hexerkönige den Herren des Chaos huldigten und die Welt unter der Grausamkeit Imrryrs erzitterte. In Yyrkoons Augen ist Elric nicht viel mehr als ein schwächlicher Herrscher, ein Philosoph, der mit Heiltränken und Zauberei sein erbärmliches Leben erhält. Und so versucht er eines Tages, Elric – und damit auch seine eigene Schwester – vor dem gesamten Hofstaat zu provozieren und bloßzustellen, indem er eine Heldentat von seinem König verlangt. Bevor der Konflikt zwischen den beiden Kontrahenten jedoch eskalieren kann, trifft die Botschaft eines bevorstehenden Angriffs der Barbaren aus dem Osten auf Imrryr von der See her ein. Als Yyrkoon sich anbietet, die königliche Flotte zum Sieg zu führen, kontert Elric diese erneute Provokation dadurch, dass er sich als Befehlshaber an die Spitze seiner Krieger stellt, um das erste Blut zu schmecken. Der Kampf ist zwar kurz, da Elric als Nekromant ein Heer von Untoten beschwört, das die Barbaren in Stücke reißt, jedoch kann der König den Ruhm nicht genießen, da ihn ein überlebender Angreifer vor den Augen und mit Duldung Yyrkkons in die tosende See reißt. Im Glauben, Elric sei endgültig beseitigt, ernennt sich kurz darauf der verräterische Prinz zum neuen Herrscher. Doch die Götter haben andere Pläne mit dem Albino. Und so kehrt der Totgeglaubte zurück, um grausame Rache zu nehmen.

Im Gegensatz zu den meisten US-amerikanischen Adaptionen gelingt es den kreativen Köpfen hinter der neuen Fassung – und an dieser Stelle kann man Michael Moorcocks Vorwort vorbehaltlos zustimmen –, das Wesen der Geschichte sowie der Figuren insofern perfekt und stimmig widerzuspiegeln, als nicht nur die Grausamkeit, die Dekadenz und die – nach unseren Vorstellungen – vollkommene Amoral der Melniboneer, sondern auch die charakterlich Ambivalenz der Figuren in drastischen Szenen und Bildern eingefangen werden. Obgleich Elric im Vergleich zu Yyrkoon – aber auch zu Cymoril – einen moralischen Kompass zu besitzen scheint und alleine aufgrund seiner körperlichen Schwäche zuweilen hilflos und erbarmungswürdig wirkt, ist er selbst dennoch von verstörender Mitleidslosigkeit seinen Feinden und den Sklaven gegenüber, die im Palast allerorts aus reiner Lust gefoltert, ausgeblutet und ausgeweidet werden. Seinen körperlichen Schwächen und seinen intellektuellen Zweifeln – insbesondere die Frage der Würdigkeit, die Nachfolge seines grausamen Vaters, angetreten zu haben, treibt ihn um – wird eine Arroganz entgegensetzt, die der seines Cousins in nichts nachsteht.

Das Artwork ist zeichnerisch durch einen eher rauen, oftmals nur knapp umreißenden, skizzenhaft-schnellen Duktus gekennzeichnet, der jedoch den Figuren Markanz und Charisma verleiht, während die Koloration mit gedeckten Farben und ohne nennenswerte Bunt-Nuancen einerseits dem Prunk des Palastes und der Rüstungen eine morbide Note des Verfalls gegenüberstellt und andererseits die Drastik der Bilder abmildert.

In editorischer Hinsicht runden neben dem Vorwort Moorcocks acht Seiten kommentierter Skizzen dieses erstklassige Album ab.

Fazit: Eine in Hinblick auf den Kern der Story und das Wesen der Figuren werknahe Comic-Adaption einer der bedeutendsten Dark-Fantasy-Geschichten des letzten Jahrhunderts: düster, grausam und hochspannend sowie brillant visualisiert. Als ambitionierter Fantasy-Fan kommt man an diesem Album nicht vorbei; selbst wenn man Moorcocks Romane schon rauf und runter gelesen hat.