Andrews, Ilona: Die dunkle Flut – Stadt der Finsternis 2 (Buch)

Ilona Andrews
Die dunkle Flut
Stadt der Finsternis 2
(Magic Burns)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Jochen Schwarzer
Titelillustration von Emin Kully
Lyx, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 312 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8213-4

Von Carsten Kuhr

Atlanta, Georgia. Man hat sich daran gewöhnt, dass die Metropole alle sieben Jahre von einer magischen Flut heimgesucht wird, die die sonst überall auf der Welt spürbaren Auswirkungen der Magie weit in den Schatten stellt.
Jetzt aber scheint es, dass die Magie weit öfter und stärker überschwappt, als bislang gewohnt. Zwischenzeitlich haben sich die Menschen und übernatürlichen Wesen damit arrangiert, dass die Technik immer wieder versagt, dass Vampire, Werwölfe und Hexen zum Alltag gehören. Der Orden und die militärische Sondereinheit für die Bekämpfung des Übersinnlichen nehmen sich der bedrohlichsten Übergriffe an, dazu kann man sich natürlich auch immer noch – gegen klingende Münze versteht sich – der Hilfe der Gilde versichern.

Kate Daniles ist eine der Söldnerinnen der Gilde. Und sie ist gleichzeitig Mitglied des Ordens, soll als Verbindung zwischen den beiden miteinander konkurrierenden Organisationen dienen. Und sie ist – mal wieder – pleite.
Da kommt es geschickt, dass ein Dämon frei herumstreift und mit seinem Salamander ein magisches Feuerwerk abbrennt. Das Kopfgeld hat sie schon fest für Miete und Gasrechnung verplant, da meldet sich ein Konkurrent. Bei der Verfolgung des Dämons kommt Kate erstmals mit einem geheimnisvollen Kämpfer in Kontakt. Seine Armbrustpfeile treffen unfehlbar, er selbst besitzt die Gabe der Teleportation und Heilung. Dass er die Karten des Gestaltwandler-Clans klaut macht die Angelegenheit allerdings ein wenig heikel.
Im Auftrag des Alphas der Gestaltwandler macht sich unsere Kate also auf, das strenggeheime und wertvolle Kartenmaterial wiederzubeschaffen.
Dass sie dabei auf zwei einander bekriegende altirische Götter trifft, dass ganz Atlanta von Meeresdämonen überrollt zu werden droht, und das alles nur, weil ein Hexenzirkel ein wenig Macht für sich suchte, ist noch nicht das Schlimmste, oh nein. Einander misstrauisch beäugende Kandidaten um die Gunst Kates und ein gekidnapptes Mädchen halten sie zusätzlich auf Trab – bis Armageddon anbricht, dann werden die Hemdsärmel hochgerollt und Schluss ist mit lustig …

Das Programm von Lyx ruht auf zwei dicken Säulen. Die eine sind die Romance Fantasys – gut gebaute Amerikanerinnen sind auf der Suche nach Ihrem Traumprinzen, nach Möglichkeit aus uraltem europäischen Vampirgeschlecht – die andere rasant verfasste Urban Fantasy Kracher.

Ilona Andrews Saga um die ebenso sympathische wie schlagkräftige Kopfgeldjägerin Kate Daniels gehört eindeutig zur letzteren Sorte. Packende Kämpfe, jede Menge fiese Dämonen und widernatürliches Gezücht – und mitten darin eine Frau, die den Machos um sie herum zeigt, was eine Harke ist.

Das liest sich auch im zweiten Teil spannend, volle Action auf einen Rutsch durch. Dabei nimmt uns die Ich-Erzählerin nicht nur aufgrund ihres Mutes gefangen, sondern die Kämpferin zeigt auch Herz. So kümmert sie sich um eine Waise, rutscht immer wieder in depressive Phasen, trauert um verlorene Freunde und ihre Familienangehörige, verliert dabei aber nie ihren Mut für das, was sie als richtig erkennt einzustehen und zu kämpfen. Hier zeigt die Protagonistin Charakterstärke, wirkt durch die zu Tage tretenden Schwächen gleichzeitig menschlicher und sympathischer.

Daneben werden Nebendarsteller weiter ausgebaut, der Handlungsort Atlanta aus ungewöhnlichen Blickwinkeln beleuchtet. Mit der Idee, dass die periodisch auftretende Magie die hochentwickelte Technik immer wieder stört, ja ausschaltet, und den sich daraus ergebenden Folgen – man beachte, dass Pferdekutschen wieder groß im Kommen sind – hat das Autorenehepaar Neuland betreten. Seite an Seite, einander störend wie zwei die voneinander nicht lassen, aber auch nicht zusammenkommen können, bietet diese Situation Aufhänger für so mache interessante und überraschende Wendung. Hier haben die beiden Autoren ihre Lücke in Urban-Fantasy-Allerlei gefunden, und nutzen sie geschickt. Dass sie auf die irischen Sagenwelt zurückgreifen mag nicht jedermann Geschmack sein, ich persönlich hätte mir eher eigenständige Kreationen gewünscht, wobei die Anspielungen auf die Anderswelt erfreulich dezent blieben.

Alles in allem eine packend aufgezogene, straff gegliederte Handlung voller Dramatik, die den Leser an die Seiten zu fesseln weiß.