Isau, Ralf: Messias (Buch)

Ralf Isau
Messias
Titelillustration von Shutterstock
Piper, 2009, Hardcover, 428 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-492-70142-6

Von Carsten Kuhr

Ein kleines irisches Kaff irgendwo auf der grünen Insel. In der Ortskirche bereitet sich der katholische Geistliche gerade auf die in den nächsten Tagen anstehenden Ostermesse vor, das örtliche Faktotum, ein über 100-jähriger rüstiger Mann, dem einstmals Wunderheilungen nachgesagt wurden, repariert die alterschwachen Kirchenbänke, da geschieht etwas Unerhörtes. Ein helles Licht erscheint, und als der Pfarrer und der alte Mann aufschauen, liegt ein Mann auf der Altar. Aus seinen Stigmata tritt Blut aus, auf dem Kopf hat er eine Dornenkrone und er bittet auf hebräisch um Hilfe. Sein Name: Jeshua – Jesus. Ist der Messias auf die Erde zurückgekehrt um die Menschen zu richten, und die Kirche, die allzu selbstherrlich geworden ist, zurückzustutzen?

Während sich Pilger aus aller Herren Länder auf den Weg nach Graiguenamanagh machen, um die alte Zisterzienserabtei, den Ort der Wiedergeburt und der in der Folgezeit auftretenden Wunder zu besuchen, entsendet der Vatikan seinen besten Mann. Hester McAteer hat in den vergangenen dreißig Jahren auf der ganzen Welt Wunder untersucht, Scharlatane enttarnt, und die Kirche so vor Schaden bewahrt. Jetzt droht ein neues – das ultimative – Schisma, die katholische Kirche zu zerreißen.

Hester macht sich auf, das Rätsel zu lösen – und er trifft in seinem Heimatdorf nicht nur auf Verwandte und einen alten Familienfluch, sondern auch auf einen längst besiegten Feind, der nun grausam Rache nehmen will …

Ralf Isau ist einer der wenigen deutschsprachigen Autoren, der auch in literarisch anspruchsvollen Kreisen einen guten Ruf genießt. Seine Romane – gleich ob es sich um Jugendbücher oder um Thriller für ein erwachsenes Publikum handelt – unterhalten immer spannend, bieten darüberhinaus aber immer auch Denkanstöße. Ob der Leser diese nutzt, bleibt ihm überlassen, doch der gläubige Christ und Humanist offeriert seinen Lesern immer auch nachdenkenswerte Ideen.
Einst von Michael Ende protegiert, hat er sich längst vom Vorbild gelöst und ein eigenständiges Oeuvre vorgelegt. Dabei verbindet er seine Romanuniversen oftmals durch Auftritte von Protagonisten in anderen Romanen, ohne dass dies die von unvorhersehbaren Wendungen und spannenden Rätseln strotzende Handlung im Geringsten stören würde.

Vorliegend nimmt er sich einer interessanten Frage an. Was wäre, wenn der Heiland tatsächlich auf die Erde zurückkommen würde? Wie würden die Menschen, wie die Medien und insbesondere der verkarstete, auf einen Machterhalt schielende Klerus reagieren?
Dabei geht es ihm zunächst auch darum, in seinen Lesern die Akzeptanz für ganz alltägliche Wunder zu wecken. Wunder, werden Sie sagen, die gibt es doch gar nicht. Doch wenn einmal wieder eine gefährliche Situation im hektischen Straßenverkehr in letzter Sekunden gut ausgeht, wenn eine problematische Situation sich überraschend unkompliziert auflöst, der Schutzengel einmal mehr Überstunden schiebt – ist das nicht oftmals ein Wunder? Was sind Wunder? Muss es sich dabei immer um weltbewegende Rettungen aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz handeln, oder sind es nicht auf die kleinen, unerwarteten Freuden im Leben etwas, das man als Wunder ansehen kann? Fragen, Gedanken, die uns der Autor stellt.

Dazu lässt er einen spannenden Vatikanthriller – und ich benutze diese seit »Sakrileg« verunglimpfte und viel zu oft gebrauchte Schlagwort bewusst – vor unseren Augen ablaufen. So nebenbei spricht er Themen wie das Zölibat, die überdurchschnittliche Anzahl homosexueller Priester oder den Machtmissbrauch der Kirchenhierarchie an, geht auf Wallfahrtstourismus und Machtstreben der Bischöfe ein und packt dies alles in einen rasant ablaufenden Thriller, der ganz im Gegensatz zu Dan Browns Bestseller keine inneren Brüche aufweist und auch stilistisch zu überzeugen weiß.

Mit großer Sympathie für seine Figuren, mit Ideen und Gedanken, die zum mit- und weiterdenken anregen und einer teilweisen atemberaubend spannenden Handlung legt Ralf Isau mit »Messias« sicherlich einen seinen besten Romane vor.