Thurner, Michael Marcus: Turils Reise (Buch)

Michael Marcus Thurner
Turils Reise
Heyne, 2009, Taschenbuch, 416 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-453-52564-1

Von Gunther Barnewald

Turil gehört zu den Thanatologen, ist also eine Art intergalaktischer Bestattungsunternehmer. Er lebt im sogenannten Kahlsack, einer galaktischen Region, die von den umliegenden Galaxien völlig abgeschottet ist. Dort leben viele verschiedene Rassen, deren Geschichte mysteriöserweise zum genau gleichen Zeitpunkt begann. Gewaltige Siedlerschiffe brachten alle hierher, eine Flucht scheint unmöglich, und so haben sich die meisten Rassen weiterentwickelt und betreiben Raumfahrt und Handel auf beschränktem Raum.

Auch Turil geht seinen Geschäften nach, die ihn unter anderem auf einen Planeten führen, in der Pflanzenwesen einen neuen Herrscher herbeisehnen, denn der alte ist dermaßen holzig und erzreaktionär geworden, dass die Bewohner des Planeten in ihrer Entwicklung massiv gebremst werden. Also ist es Turils Aufgabe, den alten Herrscher von Leben zum Tod zu befördern. Doch mitten im Ritual überfallen die Kitar den Planeten, eine aggressive Rasse, deren einziges Ziel die Zerstörung zu sein scheint, die alle Rassen des Kahlsacks bedrohen und die niemand aufhalten kann.
Zwar kann sich Turil in Sicherheit bringen, bald jedoch begreift er, dass sein Schicksal mit dem der kriegerischen Kitar verknüpft ist und er der Einzige zu sein scheint, der diese aufhalten kann …

Was verheißungsvoll als intergalaktischer Abenteuer-Roman beginnt, versinkt bald in technischen Details und allzu bedeutungsschwerem Geschreibsel. Warum müssen deutsche Heftromanautoren immer gleich ganze Welten retten? Können sie nicht einfach mal nur eine wunderbar exotische Geschichte erzählen?
Aber offensichtlich gelingt »Perry-Rhodan«-Autor Thurner dies nicht, der im Klappentext dafür aber gleich zu »einer der bedeutendsten deutschen Science-Fiction-Autoren« hochstilisiert wird, obwohl er bisher nur Autor von Heftromanen war und somit nichts wirklich Bedeutendes zur deutschsprachigen SF beigetragen hat.

Bedauerlich ist dies vor allem deswegen, weil die Grundidee des Buchs und sein Auftakt recht verheißungsvoll sind. Doch bald verliert sich die wunderbar exotische Handlung in intergalaktischen Intrigen und am Ende bleibt der frustrierte Leser mit der Erkenntnis zurück, dass die wichtigsten Fragen offen bleiben, man nichts erfährt über die Besiedlung des Kahlsacks und von deren Initiatoren. Fortsetzung folgt!

Die Figuren bleiben insgesamt zu blass, dies gilt leider auch für Turil. Stattdessen führt der Autor immer neue Figuren ein, wer schon tot ist, ersteht als elektronisch abgespeicherter Erinnerungsinhalt wieder auf, intrigante Roboter und machtbesessene Androiden vervollständigen ein unmotiviertes Diorama oberflächlicher Charaktere. Darunter leidet der Lesefluss und vor allem der Spannungsgehalt der Geschichte erheblich. Irgendwann beginnt der Leser sich zu langweilen, wenn ihn nicht vorher die Klischees erschlagen haben.

Schade, denn der Ansatz des vorliegenden Werks hätte wirklich eine phantasievolle und sehr unterhaltsame Geschichte transportieren können. Wer jedoch einen bunten Abenteuer-Roman à la Jack Vance oder ein Ideenfeuerwerk wie in Piers Anthonys herrlicher Geschichte um einen intergalaktischen Zahnarzt (dt. »Der Retter von Dent-All«) erwartet, wird einfach nur maßlos enttäuscht sein.

Aus einem raumfahrenden Bestattungsunternehmer und seinen Erlebnissen hätte man wirklich mehr machen können und müssen, zumal der Autor zwischenzeitlich mit einigen tollen Ideen glänzt. Aber leider muss der Protagonist schlussendlich ja wieder einmal ganze Welten und Sternensysteme retten und kann sich so nicht um grundlegende Dinge kümmern! Da ist jede Exotik verschenkt, jeder gute Ansatz wird in Heldentum ertränkt.

Kein wirklich grottenschlechter Roman und für einfach strukturierte Leser zweifellos goutabel, wer aber mehr erwartet als kindische Klischees und Superhelden, wird bitter enttäuscht sein. Und wer von Helden und wirklich interessanten intergalaktischen Verschwörungen lesen will, sollte zu Sergej Lukianenko greifen, dem einzigen zeitgenössischen SF-Autor, der diesen Schwulst und Bombast heutzutage noch glaubhaft an seine Leser verkaufen kann!