Tad Williams: Die dunklen Gassen des Himmels (Buch)

Tad Williams
Die dunklen Gassen des Himmels
(The Dirty Streets of Heaven)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann
Titelillustration von Kerem Beyit
Hobbit Presse, 2013, Hardcover, 572 Seiten, 22,95 EUR, ISBN 978-3-608-93834-0 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Glauben Sie an Engel? Anmutige, sphärische Geschöpfe voller Güte und mit großen Flügeln, die nach Ihrem Tod auf Sie warten und Sie in den Himmel geleiten? Dann muss ich Ihnen eine bedauerliche Enttäuschung bereiten: Engel gibt es, auch das mit dem Himmel ist mehr oder minder zutreffend, doch sphärisch oder geflügelt, das trifft zumindest auf die ersten Abgesandten des Elysiums, den Sie nach ihrem Ableben treffen, nicht zu.

Stattdessen stoßen Sie auf – mich. Als Ihr Anwalt versuche ich, Ihre Seele im Streit gegen einen Winkeladvokaten aus der Hölle für den Himmel zu reklamieren, oder zumindest vor dem ewigen Fegefeuer zu bewahren. Bobby Dollar nennt man mich in San Judas, einem pittoresken Örtchen an der Bay, das vor allem für die Stanford University bekannt ist. Hier darf ich wirken und bin eigentlich nicht unglücklich mit meinem Job. Mit den elysischen Hügeln, dem Paradies, habe ich es nicht so. Zu sehr bin ich mit meinem menschlichen Körper zufrieden, liebe das Leben unter den Menschen.

Doch dann gerät mein eigentlich geordnetes Nachleben plötzlich und unerwartet aus den Fugen. Einer der höllischen Ankläger, ein alter Widersacher, wird gefoltert und endgültig tot aufgefunden, Seelen Verstorbener verschwinden spurlos und ein Höllenprinz setzt einen uralten, vorchristlichen sumerischen Feuerdämon auf meine Spur. Und das alles nur, weil Gerüchte wissen wollen, dass ich etwas in meinem Besitz hätte, das Himmel und Hölle aus ihren Angeln heben könnte. Verfolgt von Dämonen und Höllenfürsten mache ich mich auf, den Versuch zu überleben und vielleicht ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen…

Tad Williams hat sich schon höchst erfolgreich auf den verschiedensten Bühnen bewegt. Science Fiction oder High Fantasy, seine Bücher überzeugten durch packend geschilderte Abenteuer und faszinierende Figuren. Vorliegend nimmt er sich, wie kann es anders sein, auf ganz eigene Art und Weise des Subgenres der Urban Fantasy an. Klett-Cotta hat hier mit Stephen Brust und Kevon Hearne bereits Erfahrung gesammelt, doch Tad Williams Beitrag zu den Engel- und Teufel-Reihen ist etwas Besonderes.

Wie von ihm gewohnt erwarten den Leser nicht nur packende Geschehnisse, die rasant erzählt werden, sondern wiederum Gestalten, die einem ans Herz wachsen. Dazu gesellt sich dann ein Plot, der vor filmreifen Actionszenen nur zu strotzt, der actionreiche, packende Kampfszenen mit Intrigen und Geheimnissen verbindet, die einen Dan Brown vor Neid blass werden lassen. Mehr noch, Williams beschäftigt sich verklausuliert in dem rasanten Thriller mit ernsten Fragen: Gibt es Gott? Was passiert nach dem Tod, wie sieht es bei anderen Religionen aus? Fragen, die mit zunehmendem Alter wichtiger werden, in den Fokus der Menschen rücken und uns alle beschäftigen. Immer wieder sinnt sein Protagonist über den Sinn des Lebens und über das höchste Wesen, das auch die Engel im Roman nicht kennen, nach. Das sind Fragen und Themen, die für einen Unterhaltungsroman starken Tobak darstellen, die den Plot aber auch mit einem ernsten, einem interessanten Gerüst unterfüttern. Dass es Williams hier gelingt, die Balance zwischen ernsten Themen und Action-Feuerwerk zu bewahren, zeigt nur, dass er zu den besten Autoren des Genres gehört und auch im Bereich der Urban Fantasy Maßstäbe setzt.