Rusch, Kristine Kathryn: Kallisto – Miles Flint 6 (Buch)

Kristine Kathryn Rusch
Kallisto
Miles Flint 6
(Recovery Man)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Frauke Meier
Titelillustration von Arndt Drechsler
Bastei-Lübbe, 2009, Taschenbuch, 430 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3- 404-23339- 7

Von Carsten Kuhr

Miles Flint haben wir als findigen Polizisten und Lokalisierungsspezialist kennen- und schätzengelernt. Als Mondansässiger hat er Verbrechen auf Armstrong, der Mondkolonie, aufgeklärt, Terrorakte verhindert und zumindest in finanzieller Hinsicht sein Glück gemacht.

Doch ein wohlgefülltes Bankkonto allein birgt noch kein Lebensglück. Seit dem Tod seiner Tochter vor gut fünfzehn Jahren und der anschließenden Scheidung von seiner Frau hat er wahres Glück nicht gekannt. Als er dann in den von seiner Vorgängerin übernommenen Dateien Hinweise entdeckt, dass seine Ex-Frau etwas zu verbergen hatte, ja dass seine Tochter vielleicht noch leben könnte, wirft ihn das verständlicherweise aus der Bahn.
Die Spur führt auf den Jupitermond Kallisto. Hier lebt seine Ex-Frau zusammen mit einer ihm unbekannten Tochter. Als seine ehemals Angetraute entführt wird und herauskommt, dass es sich bei der Tochter um einen Klon handelt, geht die Jagd auf die Hintergründe und Auftraggeber des Verbrechens los – eine Jagd, die in Richtung einer Fremdrasse weist …

Ruschs Miles-Flint Serie erfreut sich insbesondere im Markt jenseits des großen Teiches regen Zuspruchs. Die gelungene Mischung aus Science Fiction und Kriminalroman übt auf den Leser einen ganz besonderen Reiz aus. Neben der Suche nach dem Täter erwächst dem Plot durch die Möglichkeit selbigen in einer Zukunftsumgebung anzusiedeln besonderer Reiz.
Mit Augenmaß hat Rusch hier das Bild einer Welt gezeichnet, die so – oder zumindest so ähnlich – vorstellbar wäre. Neben Aliens, die erstaunlicherweise in vielen der Bücher eher eine Randerscheinung bleiben, und der Möglichkeit mittels Raumschiffen interstellar zu reisen sind es die Beschreibungen der menschlichen Kolonien auf Monden und Planeten, die den Leser hier besonders faszinieren. Mittlerweile ist Armstrong, die Mondkolonie, als Handlungsort schon reichlich ausgereizt, so dass es folgerichtig weiter hinaus ins Planetensystem geht. Nach dem Mars nun auf den Jupitermond – und tief in die Vergangenheit unseres Protagonisten.

In drei parallel laufenden Erzählebenen begleiten wir Miles bei seiner schmerzhaften Auseinandersetzung mit den dunkelsten Tagen seines Lebens, die Gekidnappte in ihrem Martyrium an Bord des Raumschiffes auf das sie verschleppt wird und das Kind, das hilflos miterleben muss, wie es als Spielball einer Multikonzerns verschachert zu werden droht.

Insbesondere die Zeichnung des mutigen Mädchens und des fast schon panischen Miles berühren den Leser. Miles, der uns als fast immer beherrscht, ja unterkühlt agierender Ermittler geschildert wurde, befindet sich in einem emotionalen Wirbelsturm. Alles, was er mühsam akzeptiert hat, mit dem er sich in langen Jahren der Trauer abgefunden hat, ist plötzlich wieder in Frage gestellt. Die dabei zu Tage tretende Hilflosigkeit hat die Autorin sehr überzeugend und gut nachvollziehbar portraitiert. Ähnlich gelungen auch die Zeichnung der geklonten Tochter. Für diese bricht mit der Offenbarung, dass sie ein Klon ist, ein Ding ohne Rechte, eine Welt zusammen. In Verbindung mit der Entführung ihrer Mutter verliert sie jeglichen emotionalen Halt, beweist dabei aber auch Mut und Eigenständigkeit. Auch hier gelang der Autorin der Spagat zwischen einer spannenden Handlung und einer glaubwürdigen Charakterzeichnung gut.

Demgegenüber ist der Subplot, der sich um die entführte Mutter und ihre Kidnapper rankt, ganz vordergründig auf Action getrimmt. Der Kampf um ihre Freiheit, die Auseinandersetzung mit dem Verbrecher, lässt für große Charakterstudien schlicht keinen Raum.

Insgesamt gesehen ein gelunger Roman, wenn nicht der gelungenste der Serie, auch und insbesondere, weil die Autorin ihre Hauptperson noch vielschichtiger und menschlicher zeichnet als bislang.