August Niemann: Aetherio – Eine Planetenfahrt (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 04. August 2012 12:20

August Niemann
Aetherio – Eine Planetenfahrt
Mit einem Nachwort von Dr. Franz Rottensteiner
Verlag Dieter von Reeken, 2012, Paperback, 172 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-940679-66-6
Von Carsten Kuhr
Deutschland in einer fiktiven Zukunft. Während die Wissenschaftler in abgegrenzten Gebieten geschützt vor den Unbillen der modernen Technik flanieren und sich inspirieren lassen, lebt die breite Bevölkerung des Deutschen Reiches wieder auf dem Land. Mittels genialer Düngung der Felder ist es möglich, aus fast jedem Kartoffelacker ertragreiches Land zu machen, der Weg aus der Stadt zurück aufs Land und zur Natur ist das Maß der Dinge.
In Berlin selbst sind nur der Monarch und seine Beamten verblieben. Verköstigt werden sie durch die chinesischen Gaststätten, die den deutschen Wirten längst mit Qualität und Kundenfreundlichkeit den Rang abgelaufen haben. Die modernen Verkehrsmittel sind den Honoratioren suspekt und technisch-wissenschaftliches Arbeiten ist zumindest anrüchig, wenn nicht verpönt.
Hier lernen wir das Mündel des Königs, dessen Nichte Fantasia, kennen. Seitdem sie die gute Partie, mit der sie ihr Oheim verheiraten wollte, abgelehnt hat, ist sie auf ihrem Landsitz isoliert. Um an die Millionen seiner Nichte zu kommen scheut der Monarch auch nicht davor, sie als nervenkrank hinzustellen. Als er ihr den letzten Kontakt mit der Außenwelt und mit ihren geliebten wissenschaftlichen Forschungen verbieten will, rebelliert sie. Zusammen mit Meditor, ihrem väterlichen Kollegen der wissenschaftlichen Kunst, und ihrem Leibarzt Pratico flieht sie mittels eines kristallförmigen Gebildes aus Wasserstoffgas, das unter Druck, Wärmeentzug und schließlich Elektrizität verfestigt worden ist.
Zunächst geht es gen Süden. Am Vesuv wird Halt gemacht, dann beschließen sie auf Jules Vernes Spuren das Erdinnere zu erkunden. Ein Überfall bringt die Idee ins Wanken. Statt das Erdinnere zu bereisen soll es nun gen Luna gehen. Hier vermutet Meditor ein Überbleibsel des von der Erde weggesprengten Atlantis aufzufinden. Zwar stoßen unsere Forscher auf versteinerte Überreste von Walen und eine primitive Spezies, Atlantiden aber finden sie nicht. So soll sie ihr Weg weiter ins Weltall führen. Der Mars wird angepeilt, doch stattdessen landen sie auf der Venus. Am Ufer eines großen Meeres werden sie dort von einem Chinesen begrüßt, bevor sie dann doch noch ihr eigentlichen Ziel erreichen…
Was sich in der Zusammenfassung als eine Mischung aus Jules Verne, Kurd Laßwitz und Edgar Rice Burroughs anhört, das geht inhaltlich eigene Wege. Abseits gängiger wissenschaftlicher Erkenntnisse nutzt Niemann den Roman immer wieder, um Seitenhiebe auf seiner Meinung nach bedenklichen Entwicklungen auszuteilen. Voller Elan verrennt er sich hier in ein ständig massiver werdendes Bild des guten Gestern, als früher noch alles besser war. Ein Ewig-Gestriger also, der, um seine Botschaft besser an den Mann zu bringen, diesen in ein durchaus unterhaltsames Ambiente versetzt.
Ohne sich groß um wissenschaftliche Tatsachen zu kümmern, entsendet er seine vier Reisenden – zu den oben Genannten stieß noch ein italienischer Monteur – durch das Planetensystem. Das hat durchaus auch heute noch seinen Unterhaltungswert, wirkt aber oftmals unfreiwillig komisch, wenn man Niemanns missionarischen Eifer bemerkt. Als Zeitzeugnis interessant, deutet der Roman leider nur an, was aus den vielen Ideen, die Niemann in ihn hat einfließen lassen, hätte werden können, wenn der Autor sich mehr auf das phantastische Abenteuer, die Erkundung des Mars und der Venus konzentriert und auf seine gesellschaftspolitischen Irrwege verzichtet hätte.
Auch weil sich seine Protagonistin am Schluss gegen das „Heimchen-am-Herd“ wehrt, sich ganz der Wissenschaft zuwendet, versöhnt das Finale, verblüffen die vielen interessanten Ansätze, die der Autor aufgeführt hat, und unterhalten die phantastischen Settings.