Sandra Ann Fortner: Das Blut der Gläubigen (Buch)

Sandra Ann Fortner
Das Blut der Gläubigen
Verlag Philipp von Zabern, 2011, Hardcover, 384 Seiten, 9,90 EUR, ISBN 978-3-8053-3950-6
Titelgestaltung von Katja Holst unter Verwendung des Motivs „Good and Evil: the Devil Tempting a Young Woman“, 1832 (detail, oil on canvas), Andre Jacques Orsel (1795 – 1850)/Musee des Beaux-Arts, Lyon, Frankreich/Peter Willi/The Bridgeman Art Library

Von Irene Salzmann

Augsburg im Herbst 1286: Ein Regen aus Blut, verbrennende Vögel, eine Seuche, bei der Körperteile schwarz werden und abfaulen, schrecklich zugerichtete Leichen und andere Vorkommnisse ängstigen die Bevölkerung. Jemand muss daran schuld sein, und nur wenn der oder die Betreffende gerichtet wird, wird die Heimsuchung ein Ende haben.

Mechthild Brueglin ist die Tochter eines Deutschen und einer Sarazenin. Früh verlor das Mädchen die Mutter und musste auch ihre Heimat Akkon verlassen, weil der Vater Grund hatte, um ihrer beider Leben zu fürchten. Weil behauptet wurde, er habe die hübsche Ursula vergewaltigt, wurde er lebendig begraben und Mechthild vom Nachrichter aufgenommen, bei dem sie lernte, wie man aus Leichen Stoffe für Arzneien gewinnt. Nach dessen Tod nahm die Apothekerin Magistra Notburga Mechthild als Lehrling an und gab ihr ein neues Heim.

Nun ist Mechthild eine junge Frau, die aufgrund ihrer Herkunft zum Sündenbock erklärt wird. Notburga, aber auch der Physicus Wolfram von Menkingen, der Theriakhändler Bartholomeo de Vulture, der Stadtrat Meister Gawinus und der Schmied Meister Nithart bemühen sich, sie zu retten, doch einer von ihnen spielt falsch und ein weiterer wird zur Marionette in dem bösen Spiel…

Der Roman beginnt etwas träge, da die detailreichen historischen Ausführungen, so interessant sie auch sein mögen, verhindern, dass die Handlung schnell in Fluss kommt. Daran merkt man, dass Sandra Ann Fortner in erster Linie Historikerin und erst an zweiter Stelle Autorin ist. Sie hebt ihr umfassendes Geschichtswissen über das Charakterdesign und den Spannungsbogen. Dennoch folgt man den Geschehnissen voller Neugierde, da mysteriöse Ereignisse Augsburg – eine Stadt, die man besuchen kann – erschüttern und die abergläubische Bevölkerung sich prompt gegen Unschuldige wendet, hoffend, selber davonzukommen, indem jemand geopfert wird, der sich in einer Außenseiterposition befindet. Dass es für die Geschehnisse logische Erklärungen gibt, wissen nur die wenigsten.

Mechthild ist der ideale Sündenbock, denn sie sieht anders aus als die Menschen ihrer neuen Heimat, sie ist die Tochter einer Ungläubigen, ihr Vater wurde als Verbrecher hingerichtet … Selbst jene, die sich von ihr in der Apotheke bedienen ließen und nie einen Grund für eine Klage hatten, lassen sich aufhetzen. Wie grausam daraufhin mit ihr umgesprungen wird, wie wenig ihre Freunde für sie tun können, ist erschreckend. Vor diesem Hintergrund entwickelt Mechthild eine Art Hass-Liebe zu Wolfram, der seinerseits hin und her gerissen ist zwischen seinen Gefühlen und – trotz aller Aufklärung – der Befürchtung, dass die junge Frau doch mit dem Bösen im Bunde sein könnte und Wiedergänger heraufbeschworen hat.

Mehr zu verraten, würde dem Buch den Reiz genau in dem Moment nehmen, ab dem es richtig spannend wird. Etwa ab der Hälfte geht Sandra Ann Fortner die Geschichte viel leichter aufs Papier, es ist eine Menge passiert, und man möchte unbedingt wissen, wer die Fäden im Hintergrund zieht, welche Motive er hat, ob die Hauptfiguren doch noch mit dem Leben davonkommen.

Der Roman liest sich etwas schwerfällig: Die narrative Handlung und vor allem die historischen Details nehmen mehr Raum ein als die Dialoge, die Charaktere sind in ihren Rollen gefangen und entwickeln wenig Individualität, wichtige Zusammenhänge werden durch Rückblenden oder die Offenbarungen des Drahtziehers enthüllt und nicht durch die Handlung an sich. Trotzdem lässt man sich von der dichten Atmosphäre und den belegten Fakten einfangen, man nimmt Anteil an den typischen Schicksalen und fiebert gespannt den Erklärungen für die diversen Phänomene sowie der Auflösung des Ganzen entgegen.

Auf den letzten Seiten finden sich Hinweise zu den wahren und fiktiven Personen beziehungsweise Begebenheiten, es gibt ein Glossar und ein Literaturverzeichnis.

„Das Blut der Gläubigen“ ist ein interessanter Roman, der sich vor allem an historisch interessierte Leser wendet, denen die stimmigen Details wichtiger sind als eine Spannung, die aus zurechtgebogenen Autoren-Kniffen geschaffen wird. Sandra Ann Fortner bedient sich Letzterer so selten wie möglich, sodass sie tatsächlich ein beeindruckendes Buch mit Histo-Krimi-Flair abliefert, das sich nach dem zähen Start deutlich steigert und den Leser sehr zufriedenstellt.