Ransom Riggs: Die Insel der besonderen Kinder (Buch)

Ransom Riggs
Die Insel der besonderen Kinder
Pan, 2011, Hardcover, 416 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-426-28368-4 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Wir kennen sie ja alle, die wohlmeinenden Großeltern, die ihren Enkeln gerne Geschichten erzählen. Geschichten aus der guten alten Zeit, als alles noch besser war, als es geruhsamer und menschlicher zuging.

Bei dem mittlerweile 15-jährigen Jacob Portmann war es ein wenig anders. Zwar erzählte ihm sein Opa auch immer Geschichten, aber welche, die ihm seinen Schlaf raubten. Nicht nur von der Flucht vor den Nazis wusste der alte, aber noch rüstige Mann zu berichten, auch die Aufnahme in einem walisischen Heim für herrenlose Kinder, war ein wenig … verstörend. Nur ganz besondere Kinder sollten in dem Heim Aufnahme gefunden haben, Kinder mit besonderen Talenten. Als Beweis präsentiert Abe ihm dann offensichtlich retuschierte Fotos, die seine alten Spielkameraden und deren besondere Fähigkeiten zeigen sollten.

Mittlerweile hat Abe seine Erzählungen eingestellt, wohnt in einer Rentnersiedlung in Florida und ist offensichtlich geistig ein wenig verwirrt. Immer wieder faselt er davon, dass ihn Unsichtbare verfolgen, dass er bedroht wird. Eines Tages findet Jacob seinen Opa tödlich verletzt im Garten seines Hauses – und er sieht etwas, das nicht sein kann. Eine Bestie mit zu vielen, langen Zungen und krallenförmigen Händen.

Die abschließende Psychotherapie überzeugt ihn vollends davon, sich stressbedingt etwas eingebildet zu haben. Dann aber macht er sich zusammen mit seinem Vater auf, die walisische Insel, auf der sein Opa seine Kindheit verbracht, hat zu besuchen und stößt auf merkwürdig bekannte Kinder, Zeitschleifen und – Bestien…

Was ist das für ein Buch, das uns der Pan hier vorlegt? Angereichert mit jeder Menge – 32 – alten Fotos erzählt es uns die ergreifende Geschichte eines jungen Mannes, der ein traumatisches Erlebnis hat. Fantasie und Realität vermischen sich, es geht aber auch darum, seinen eigenen Weg zu gehen, sich von den Vorgaben des Elternhauses zu lösen, erwachsen zu werden.

Geschickt und überaus einfühlsam zeichnet der Autor in seinem Debütroman hier seinen Protagonisten. Man kann sich gut in dessen Haut versetzen, mit ihm frustriert sein ob der Orientierungslosigkeit und Zukunftsangst, die sich verklausuliert in der Ablehnung des von seiner Familie für ihn eingeplanten zukünftigen Lebenswegs widerspiegelt. Er muss sich emanzipieren, selbst entscheiden, was er denkt, wie er lebt und welche Zukunft er für sich wählt.

Geschickt hat der Autor dies in der Reise nach Wales und die dortigen phantastischen Ereignisse hineingewebt. Hier, abseits der felsenfest geordneten, hochtechnisierten und schnelllebigen Welt, erkennt er seinen Weg und findet letztlich, fast etwas zu schnell, zu sich selbst. Und hier stößt er dann auch auf verwandte Seelen – ebenfalls vielschichtig und interessant gestaltete Figuren, die dem Leser unter die Haut gehen, die anders sind, als die gewohnten Gestalten, die märchenhaft, aber auch nachdenklich wirken.

Atmosphärisch unheimlich dicht, voller malerischer Momenten und einem etwas zu actionlastigen Finale hin zu einem Cliffhanger verwöhnt das Buch tiefgründig, melancholisch und überzeugend seine Leser.