Ars Amoris 6: Masken der Sinnlichkeit, Guido Krain (Buch)

Guido Krain
Masken der Sinnlichkeit
ars amoris 6 (herausgegeben von Alisha Bionda)
Cover und Innenillustrationen: Crossvalley Smith
Fabylon, 2011, Paperback, 200 Seiten, 14.90 EUR, ISBN: 978-3-927071-40-7

Von Carsten Kuhr

Der Fürstenhof Carl Eugen von Württemberg orientiert sich an den Vorgaben, die aus Versailles nach Osten kommen. Es wird geprasst, verschwendet und vergnügt, ohne dass die Kosten eine Rolle spielen. Die Lust der Mächtigen – egal ob in fleischlicher Hinsicht oder kulturell – wird befriedigt; die einfachen Menschen, die den Adeligen dienen, werden benutzt ohne wirklich wahrgenommen zu werden.

Vanadis wächst als kränkelnde Bauerntochter im Umland auf. Für ihre vielköpfige Familie ist sie eigentlich mehr Belastung als Hilfe auf den Feldern oder im Haus, träumt sie doch mehr vor sich hin, als dass sie ihre Aufgaben im Haushalt übernehmen kann. Als eines Tages die Kutsche der herzoglichen Konkubine auf dem Hof vorfährt und die bezaubernde Edelfrau die weißhaarige und bleiche, dabei aber liebreizende, Vandis um Hilfe für ihr derangiertes Äußeres bittet, eröffnet sich ihr die Chance als Kammerzofe an den Hof des Herzogs zu wechseln.

Schon am ersten Tag aber wird sie jäh aus ihren Träumen aufgeschreckt. Sicherlich, überall prunkt der Reichtum, bedecken Teppiche den Boden, Tapeten die Wände und goldene Kerzenlüster beleuchten die Gänge und Zimmer. Doch dass die Adeligen gedanken- und gewissenlos die Diener und Dienerinnen als Objekte für ihre Lustbefriedigung benutzen, dass ihre Frauen dabei noch fasziniert zusehen oder gar aktiv mit zugange sind, schockiert die behütet aufgewachsene Bauerntochter. Einzig das französische Zimmermädchen Michelle und ihre Herrin, die Kurtisane, scheinen ihr vertrauenswürdig, auch wenn letztere den Herzog mit ihren frivol-devoten Künsten an sich bindet und Vanadis mit Anal- und Oralpraktiken schockt.

Trotz der schützenden Hand, die ihre Herrin über sie hält, fällt auch die bleiche Schönheit mit den knöchellangen weißen Haaren den Adeligen auf. Als kurz darauf einer der Wüstlinge mit aus dem Körper gerissenem Rückgrat aufgefunden wird, ist klar, dass Vanadis einen Beschützer hat. In ihren Träumen kommt ein mächtiger Schatten zu ihr, der sie bezaubert. Während der Verlegung des Fürstenhofs nach Venedig, wo der Herzog dem Karneval huldigen will, offenbart sich ihr Galan der bleichen Schönheit – kein Mensch, aber ein Mann will sie auf ewig zur Braut nehmen…

In der „ars amoris“-Reihe präsentiert die Herausgeberin Alisha Bionda ihren Leser Geschichten voller dunkel-phantastische Erotik. Auch nach dem Wechsel des Verlagshauses bleibt sowohl die gelungene äußere Ausstattung der Reihe wie deren inhaltliche Ausrichtung erhalten.

Wie gewohnt von Crossvalley Smith ansprechend illustriert wartet vorliegend ein Roman auf den Leser, der die dezentere Erotik pflegt. Dabei gelingt es dem Autor, ein überzeugendes Sittengemälde der damaligen Zeit zu zeichnen. Perversitäten, das Ausleben der eigenen Lust ohne Rücksicht auf die gesellschaftlich tiefer stehenden Partner, zeichneten die Epoche und ihre Adeligen aus. Dies wird im Text auch so dargestellt, wobei die entsprechenden Schilderungen doch sehr zurückhaltend und stimmungsvoll ausfallen. Statt plakativer Beschreibungen des Aktes – tatsächlich kommen nur eine knappe Handvoll entsprechender Szenen vor – konzentriert sich Krain in einer fast märchenhaften Prosa darauf, uns das Schicksal seiner Hauptperson nahe zu bringen.

Eingebettet in die Dekadenz am Hofe des Herzogs und dem Ortswechsel nach Venedig ist dies daher in erster Linie eine Geschichte über eine junge, zunächst unschuldig-naive Frau, die aus ihren Träumen gerissen wird, nur um schlussendlich in einer traumhaften Gesellschaft Aufnahme zu finden.

Geschickt stellt der Autor die Überheblichkeit und den Reichtum der Adeligen der Armut und Tristesse der Bauern gegenüber, zeichnet aber auch ein Bild rauschender Feste mit prächtigen Roben, ausschweifenden Bällen und lasziven Vergnügungen. Das ist von seiner Anlage her etwas ruhiger, zurückhaltender und sanfter als gewohnt, überzeugt aber gerade deshalb mit stimmungsvollen Schilderungen und Atmosphäre.