Anna Kendall: Der Pfad der Seelen – Seelen-Ttrilogie 1 (Buch)

Anna Kendall
Der Pfad der Seelen
Seelen-Trilogie 1
(Crossing Over)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Simone Heller
Titelillustration von Isabelle Hirtz
Blanvalet, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 384 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 978-3-442-26792-7 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Roger Killbournde hat es wahrlich nicht einfach getroffen; seine Mutter starb im Seelenrankenmorr, von seinem Vater weiß er nichts. So lernen wir den 13-jährigen kennen, wie er mit seiner verschüchterten Tante und seinem despotischen Onkel im Königreich umherreist und dabei hilft, trauende Witwen eine letzte Nachricht von den Verstorbenen auszurichten.

Nun ist derartige Scharlatanerie all überall verpönt, doch, was niemand ahnt ist, dass die Botschaften aus dem Reich der Verstorbenen wirklich sind, dass Roger den Weg der Toten beschreiten kann und ins Land jenseits des Schleiers einzutreten vermag. Nur starke Schmerzen befähigen ihn dazu, ein Auslöser, den sein Oheim ihm nur allzu gerne verpasst, wenn es dafür Silber und Gold regnet.

Eines Tages aber schließt sich sein Oheim Strandräubern an, die ein Schiff auf die Klippen locken. Was als brutaler Raubzug geplant war, entwickelt sich durch das Einschreiten einer königlichen Patrouille zum Fiasko. Nur Roger überlebt das Verbrechen, ja es gelingt ihm, zunächst als Wäscher am Königshof Anstellung zu finden. Hier erweckt er schnell das Interesse der Grünen Königin, die von seiner Gabe weiß. Als ihr Hofnarr nimmt er zunächst zu ihren Füßen platz, wird aber bald in die Intrigen seiner Herrin gegen ihre, allen Traditionen zum Trotz weiterregierende Mutter, die später einem Giftanschlag zum Opfer fällt, verwickelt...

Wer seine Fantasy-Lektüre immer nach demselben Schema mag, wer zusammen mit einem Helden und dessen buntgemischter Truppe aus Helfern auf die ständig sich wiederholende Queste wider das Böse gehen will, für den ist vorliegender Auftakt einer Trilogie nicht das Richtige. Die Autorin geht ganz eigene Wege, weit weg von gefährlichen Abenteuern mit Schwert und Zauberstab oder großen Schlachtengemälden. Stattdessen präsentiert sie uns einen ungewöhnlichen Erzähler und eine geheimnisvolle Handlung.

Roger als Protagonist ist dabei beliebe kein strahlender Held. Ungebildet und ängstlich ist er, dabei noch nicht einmal sonderlich gewieft oder sympathisch. Eher jemand, mit dem man Mitleid haben muss, ein Loser, der zunächst in der Dienerschaft aufgeht. Dennoch gelingt es der Autorin, uns ihre Hauptperson wahrhaftig zu machen und uns durch und mit ihm an den Plot zu fesseln. Gerade weil er von außen in die Königsburg kommt, erleben wir durch seine unwissenden Augen die Situation des Kampfes um die Macht von innen mit. Immer wieder wird er geschickt manipuliert, ausgenutzt, entwickelt sich dabei aber auch fort. Gerade diese Entwicklung macht einen großen Reiz des Romans aus, der sich mehr um innere Werte, um die Charakterentwicklung und dem Aufzeigen der Intrigen bemüht, als dass er große Actionszenen beleuchten würde.

Ein besonderes Pfund, mit dem die Autorin wuchert, ist die Art, wie sie die Welt der Toten beschreibt. Das ist kein Elysium kirchlicher Prägung, sondern eine Welt, die äußerlich der unseren gleicht. Das Besondere an diesem Ort ist die Art und Weise, wie Kendall ihre Verstorbenen beschreibt. Diese verlieren, kurz nachdem sie „übergetreten“ sind, jeglichen Antrieb, interessieren sich schlicht nicht mehr für ihr vergangenes Leben. Das ist von seiner Anlage her anders, als alles, was ich bislang diesbezüglich gelesen habe.

Ein interessanter Auftakt, der, nachdem er einmal etwas zögerlich in Schwung gekommen ist, den Leser fasziniert und neugierig darauf macht, wie es weitergehen wird.