Marvel Exklusiv 92: Thor – Für Asgard (Comic)

Robert Rodi
Thor – Für Asgard
Marvel Exklusiv 92
(Thor: For Asgard 1-6, 2010/2011)
Aus dem Amerikanischen von Reinhard Schweizer
Titelillustration und Zeichnungen von Simone Bianchi, Andrea Silvestri, Simone Peruzzi
Panini, 2011, Paperback, 172 Seiten, 16,95 EUR

Von Irene Salzmann

„Thor – Für Asgard“ ist eine sechsteilige Mini-Serie, die für sich steht und völlig unabhängig ist von den Geschehnissen in anderen „Thor“- und Marvel-Reihen. Robert Rodi („Rogue“, „Loki“) ließ sich für diese Saga von der „Edda“ beziehungsweise „Ragnarök“ inspirieren und erzählt seine Version vom Untergang der Asen. Als Zeichner konnte Simone Bianchi („Batman“, „Thunderbolts“) gewonnen werden, dessen realistisch-idealistischer, etwas verwaschen wirkender Zeichenstil die Handlung gelungen ergänzt.

Durch Lokis List wurde Balder getötet, und seither breitet sich der ewige Winter aus. Odin, der auszog, um nach einem Mittel zu suchen, das den Untergang Asgard abwenden könnte, gilt als verschollen. Sein Sohn Thor hat den Thron bestiegen und versucht, weiteres Unheil von der Welt der Götter fern zu halten. Doch die Asen sind uneins, und vor allem die Streitigkeiten zwischen Sif, die eine Abkehr vom bisherigen Kurs der Gewalt verlangt, und Tyr, der sich für mehr Härte einsetzt, schüren die Unruhen. Thor ahnt, dass es ein Fehler war, die anderen Völker durch Drohungen und Krieg unter Asgards Herrschaft zu zwingen, denn der Hammer Mjöllnir gehorcht ihm nicht mehr. Selbst seine Reise nach Walhall verhilft ihm nicht zu den ersehnten Antworten. Stattdessen wird er Zeuge von Helas Angriff auf die Halle der verstorbenen Helden, die nun in das finstere Totenreich hinab müssen. Als Thor zurückkehrt, eskaliert in Asgard die Situation, und der Donnergott wird tödlich verwundet …

Geschickt verbindet Robert Rodi mehrere Motive aus der „Edda“. Zwar macht „Ragnarök“ den Schwerpunkt aus, doch findet man auch Anleihen an die Geschichte von Odins Suche nach mehr Weisheit und den Verlust von Iduns Äpfeln, die den Asen Unsterblichkeit schenken. Thor ist in dieser epischen Fantasy-Erzählung ein von Zweifeln geplagter Charakter, der seinen starken Willen verloren hat und sich treiben lässt. Statt zusammen mit seinen Freunden und Ratgebern nach einer Lösung zu suchen, überlässt er die anderen Götter ihren Streitigkeiten, zieht sich zurück und brütet nur noch vor sich hin. Erst der Tod Heimdalls reißt Thor aus seiner Lethargie. Aber da ist es bereits zu spät: Asgard ist geschwächt, die geknechteten Völker erheben sich, und Hela wagt es, Walhall zu zerstören, so dass alle Toten in ihr Reich einkehren müssen – auch Thor.

Würde sich der Autor nun weiterhin an der Vorlage orientieren, wäre die Geschichte damit (fast) zu Ende, denn nach dem finalen Kampf bleiben nur die Nachkommen der Asen übrig, und es wird eine neue Welt geschaffen. Stattdessen jedoch wird der Auferstehungs-Mythos ins Spiel gebracht, und die Handlung nimmt eine überraschende Wende, die neue Hoffnung schenkt. Kennt man Thor aus seiner fortlaufenden Serie, seinen Abenteuern mit zum Beispiel den Avengers, dann wird man vermutlich etwas irritiert von diesem hadernden, zögerlich agierenden Helden sein. Auf der anderen Seite wirkt die Hauptfigur hier sehr viel menschlicher und verletzlicher, denn auch ein (Marvel-) Gott ist nicht unfehlbar und allmächtig.

Wurde man durch den Kino-Film auf die „Thor“-Comics aufmerksam, kann man anhand des vorliegenden Paperbacks unverbindlich in das Marvel-Universum hineinschnuppern und testen, ob die Bildergeschichten genauso viel Spaß machen wie der Film. Hinzu kommt, dass „Thor – Für Asgard“ eine abgeschlossene Story bietet und völlig frei ist von fast 50 Jahren „Story-Ballast‘. Für Neulinge also ideal – und auch die Sammler kommen selbstverständlich auf ihre Kosten.