Sam Sykes: Das Buch des Dämons – Die Tore zur Unterwelt 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 25. Mai 2011 18:11

Sam Sykes
Das Buch des Dämons
Die Tore zur Unterwelt 1
(Tomb of the Undergates)
Aus dem Englischen übersetzt von Wolfgang Thon
Titelillustration von Isabelle Hirtz
Penhaligon, 2011, Paperback mit Klappenbroschur , 732 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-7645-3055-6
Von Alexandra Balzer
Eine Gruppe von Abenteurern in einer grausamen Welt: Erzählt wird zunächst aus der Perspektive von Lenk, einem desillusionierten Krieger. An seiner Seite kämpft Kataria, eine Shict – was so ungefähr einer Elfe entspricht, nur, dass die Dame sehr blutgierig ist und von Hass auf so ziemlich alles und jeden getrieben wird. Auch Gariath, ein Drachenmann, kennt nichts als Hass und Kampf: sein Ziel ist es, möglichst ehrenhaft – sprich: blutig – sterben zu können. Die Priesterin Asper, der Magier Dreadelon und der Assassine Denaos schließen die Runde ab.
Ihr Auftrag ist es, einen Priester zu beschützen, der auf der Suche nach dem Äonstor ist, ein gefährliches Artefakt, das als „Schlupfloch in der Barriere zwischen Himmel und Erde“ beschrieben wird. Keine leichte Sache, wenn man seinen eigenen Begleitern zutrauen muss, dass sie einem nachts die Kehle durchschneiden, und eine Horde von Piraten darauf lauert, alles umzubringen, was ihnen vor den Säbel läuft. Als dann noch das Buch der Niederpforten gestohlen wird, in dem der Weg zum Äonstor geschrieben steht, wäre ein Schulterzucken und was geht mich das an? die natürliche Reaktion dieser Abenteurergruppe gewesen. Doch für die atemberaubende Summe von 1000 Goldstücken würden sie auch in einen Dämonenhort einbrechen – was gar nicht so unwahrscheinlich ist…
Schon auf den ersten Seiten macht der Autor unmissverständlich klar, dass dies keine Geschichte über tapfere Recken ist, die voller Ideale auszieht, das Böse dieser Welt zu besiegen. Die Helden dieses Buches sind Abenteurer, und das bedeutet: ehrlos, geldgierig, feige, dafür aber billiger als Söldner. Man findet hier keine Freunde, die füreinander einstehen und sich gegenseitig den Rücken freihalten, sondern Einzelkämpfer, die einander verachten (oder im Fall von Asper: möglicherweise auch begehren) und nur deshalb nicht umbringen, weil sie keiner dafür bezahlt.
Das wunderschöne Cover in warmen, goldenen Farbtönen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die wichtigste Farbe des Romans Blutrot ist. Das Ausmaß an Gewalt, Tod und fliegenden Körperteilen ist extrem.
Ein harmloses Beispiel:
„Der Pirat senkte den Blick und sah sein eigenes Entsetzen, das sich im Stahl spiegelte. Dann hob er den Kopf, und Lenk erkannte das Spiegelbild seiner Augen in dem starren Blick des Feindes, während dessen Lebenslicht erlosch.
Spreu vom Weizen.
Er zog fest an seiner Klinge, die sich jedoch so tief in den Mann gegraben hatte, dass er auf das Deck stürzte. Lenk setzte ihm seinen Stiefel auf die Kehle und zog erneut. Sein Schwert löste sich in einer blutroten Fontäne.“ (S. 55)
Die Sprache ist mal annähernd poetisch:
„Es schien dem Jüngling nur merkwürdig, dass der Vogelkot auf seiner Schulter in diesem Moment nicht der Grund für seine Abneigung gegen die Vögel über ihm war. Eher stört mich, dachte er, während er zu dem geflügelten Ungeziefer hinaufsah, dass sie nicht annähernd genug Lärm machen. Ebenso wenig wie der Ozean oder der Wind oder die Seeleute, die sich vor ihm versammelt hatten und bedeutungslose Gebete zu Göttern murmelten, die nicht existierten, zusammen mit der blau gekleideten Frau, die schwor, dass es sie gab.
Obwohl er bezweifelte, dass selbst die Götter, falsche oder wahre, in diesem Moment genug Lärm hätten machen können, um diese unbehagliche Stille zu übertönen, die zwischen ihm und ihr herrschten.“ (S. 37)
Dann wieder drastisch, vor allem in den Dialogen. Ein harmloseres Beispiel zwischen Kataria und dem Assassinen Denaos:
„Und was für ein Rat wäre das?“, erkundigte sich Kataria verächtlich. „Weglaufen? Verstecken? Oder willst du ihnen deine Körperöffnungen gegen das zweifelhafte Versprechen auf Gnade anbieten?“
„Oh, bei dir würden sie nicht einmal genug Geduld aufbringen, auf ein Angebot zu warten, das versichere ich dir.“ (S. 25)
Dieses Buch ist geschrieben, wie ein Rollenspielabend in einer lauschigen AD & D- oder DSA-Runde ablaufen mag. Wenig Handlung auf immerhin 730 Seiten, sehr viel Gemetzel, niveauniedrige Dialoge und Helden, die von Hü nach Hott springen, weil sie nicht wissen, wo es lang geht. Für gewöhnlich sind solche Abenteurergruppen allerdings befreundet, oder, falls der Charakter eines Helden so etwas nicht hergibt, einigermaßen anpassungsfähig. Die Hauptfiguren dieses Buches werden nur von der Aussicht auf Gold zusammengehalten, ein gewagtes Experiment des Autors, der damit fehlende Bindung zwischen Leser und Protagonisten riskiert.
Wer bei Fantasy-Romanen eine spannende Handlung, starke Charaktere mit zumindest der einen oder anderen liebenswerten Eigenschaft und sorgsam ausgefeilte Fremdwelten sucht, vielleicht sogar noch mit ein wenig Romantik rechnet, sollte dieses Buch vermeiden. Wer flotte Sprüche, Action und soviel Kampf wie nur irgend nötig bevorzugt, mit der einen oder anderen tiefenphilosophischen Einsicht, wird sich hier gut aufgenommen fühlen.