Brandon Sonderson: Der Weg der Könige – Die Sturmlicht-Chroniken 1 (Buch)

Brandon Sanderson
Der Weg der Könige
Die Sturmlicht-Chroniken 1
(The Way of Kings)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michael Siefener
Titelillustration von Gerard Miley
Heyne, 2011, Hardcover, 896 Seiten, 21,99 EUR, ISBN 978-3-453-26717-6 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Zehn Bände soll dieses Fantasy-Epos des Brandon Sanderson einmal umfassen. Nachdem der Autor mit seinen „Mistborn“-Bänden sowie der Fertigstellung von „Das Rad der Zeit“ des verstorbenen Robert Jordan auf sich aufmerksam machte, legten seine Verlage sowohl jenseits des großen Teiches als auch in Good Old Germany den Auftaktband seiner „Sturmlicht-Chroniken“ in einer gediegenen Ausstattung vor. Allen Gerüchten zum Trotz wurde der Roman nicht gekürzt, sondern für seine deutsche Ausgabe in zwei Bände aufgesplittet. Der zweite Teil erscheint schon im August unter dem Titel „Der Pfad der Winde“.

Der Roman beginnt mit einem Prolog, der tausende von Jahren vor der aktuellen Handlung angesiedelt ist. Übermenschliche Recken wollen ihre Queste, die ihnen immer neues Leid aufzwingt, nicht länger fortsetzen. Sie trennen sich von ihren magischen Klingen und gehen ihrer Wege. Die eigentliche Handlung setzt dann mit der Ermordung des Königs von Alethkar an. Mit dieser actiongeladenen Szenen führt der Autor den die Handlung unterfütternden kriegerischen Konflikt zwischen Alethkar und dem östlichen Reich der Parshendi ein. Im Anschluss begleitet der Leser drei Erzähler auf ihrem Lebens- und Leidensweg.

Die aus gutem Hause stammende Shallan macht sich nach dem überraschenden Tod des Vaters auf, bei der berühmtesten Forscherinnen Jasnah als Lehrling angenommen zu werden. Dass ihr Vater der Familie überraschend nur Schulden hinterlassen hat und der magische Edelstein der Dynastie, mit dem man für Reichtum sorgte, gebrochen ist, führt dazu, dass sie den waghalsigen Plan fasst, Lady Jasnah ihr magischen Kleinod zu stehlen. Zunächst aber muss sie ihr potentielles Opfer überzeugen, sie als Auszubildende zu akzeptieren. Gebildet ist sie, einer noblen Familie entstammend und eine wahre Künstlerin mit dem Zeichenstift – doch langt dies, um bei der ständig wissbegierigen, brillanten Jasnah zu punkten?

Dalinar, der Bruder des zu Beginn des Romans ermordeten Königs, wird von seiner Vergangenheit heimgesucht. Während er einen Krieg zu führen hat – gewinnen kann er diesen nicht – suchen ihn Erinnerungen heim. Erinnerungen etwa an seinen Sohn, dessen Vertrauen er verloren hat, aber auch an Erlebnisse, die dazu führten, dass er zunächst den Glauben an sich selbst, und dann den Respekt für die Männer, die er führt, die für ihn kämpfen, die für ihn sterben, verloren hat. Zwar hat er ebenso wie sein Sohn eine der magischen Rüstungen und eine der Splitterklingen, doch der Krieg gegen die Truppen der Parshendi hat ihn zermürbt. Trotz seiner adeligen Herkunft, und der daraus resultierenden Pflicht für seinen König zu streiten, empfindet er tief in sich den Krieg als nutzlos. Visionen suchen ihn heim, Visionen, die vom Untergang nicht nur seiner Familie sondern des ganzen Königreichs künden.

Kaladin, der Sohn eines Heilers, einst ein junger, vom Glück belächelter Hauptmann der seine Krieger immer unbeschadet aus den Scharmützeln führte, hat nun sein Schicksal als Sklave der vierten Brückencrew Roshars gefunden. Als erster Brückenmann ist er dafür zuständig, dass die schweren Überwege rechtzeitig für die Soldaten über die Spalten und Klüfte der Ebene des zerbrochenen Landes gelegt werden. Einst hat es ihn voller Elan zur Waffe gezogen, wollte er seinem Vater beweisen, dass man mit dem Schwert sehr wohl etwas Dauerhaftes bewirken kann. Mittlerweile hat er den Glauben an sich selbst im Blut der vielen Opfer verloren. Dass er die ihm unterstellten Männer nicht schützen konnte, hat ihn innerlich gebrochen. Nur langsam findet er wieder zu einer gewissen Selbstachtung zurück und nimmt das Heft des Handelns wieder in seine eigenen Hände.

Sanderson baut sein großes Gemälde also auf drei Archetypen auf. Die Gelehrte, der Anführer und der Krieger dienen ihm dazu, seine Welt quasi von innen zu beleuchten und dem Leser näherzubringen. Zu Beginn erinnert Vieles an seinen „Mistborn“-Zyklus, schnell aber wird deutlich, dass Sanderson vorliegend weit mehr für seine Fans im Gepäck hat. Seine Welt Roshar wirkt deutlich differenzierter, ja auch dunkler als seine bisherigen Handlungsschauplätze. Dabei nutzt er geschickt seine drei Erzähler, um dem Leser seine ganz eigene Kreation nahezubringen. So erwartet den Rezipienten nicht etwa ein müder Abklatsch einer mittelalterlichen Welt, sondern eine ganz eigene Weltenschöpfung mit einer faszinierend anderen Flora und Fauna, mit Landstrichen, die markant anders sind, als das sonst Gebotene. Hier, und nicht nur hier merkt man dem Text an, wie lange der Autor schon an seinem Werk gefeilt hat, wie sorgfältig er bei dessen Planung vorgegangen ist. Das wirkt, gerade weil alle Rädchen ineinandergreifen, weil unglaublich viele Details sich zu einem großen Gemälde fügen, in sich überzeugend und realistisch.

Alle drei Hauptfiguren wurden durch einen gravierenden Verlust geprägt. Damit meine ich nun nicht nur den Verlust eines geliebten Menschen, sondern auch den Verlust an Integrität, an inneren Zielen und Überzeugungen, die den jeweiligen Charakter prägen, ihre Handlungen motivieren und so zur inneren Überzeugung der jeweiligen Person beitragen. Das sind zwar auf den ersten Blick archetypische Figuren, die dann aber, durch ihre persönliche Historie und die Entwicklung, die sie im Verlauf des Buchen durchlaufen, interessant sind. Man nimmt Anteil an ihrem Schicksal, fühlt mit den geplagten Geschöpfen, bangt mit ihnen und möchte ihnen Mut zusprechen. Insoweit gelingt es Sanderson auf eine ganz eigene Art und Weise, seine Leser in die Handlung zu ziehen, sie trotz der anfänglich etwas langsam voranschreitenden Handlung – immerhin halten wir nur den ersten Teil des ersten Romans in Händen – mit dem Erzählten zu faszinieren.

Ein großer Wurf also, ein Buch, das Aufmerksamkeit verdient hat, das sich nicht uniform und dem Erfolgsgewohnten entsprechend präsentiert, sondern eigene Wege geht und das den beeindruckenden Auftakt zu einer großen Saga bildet.