Die Zeit nach Mitternacht (BD)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 21. Mai 2025 09:54

Die Zeit nach Mitternacht
USA 1985, Regie: Martin Scorsese, mit Griffin Dunne, Rosanna Arquette, Linda Fiorentino u.a.
Rezension von Elmar Huber
In einem Café lernt der Programmierer Paul (Griffin Dunne: „American Werewolf“) eines Abends die charmante Marcy (Rosanna Arquette: „Im Rausch der Tiefe“) kennen. In der Hoffnung auf ein amouröses Abenteuer ruft er sie in derselben Nacht noch an.
Trotz einiger ungewöhnlicher Umstände treffen sich die beiden, doch die Nacht entwickelt sich nicht wie geplant. Für Paul beginnt eine Odyssee durch New York, die mehr und mehr (alb-) traumhafte und kafkaeske Züge annimmt.
Lässt man die Filmografie von Martin Scorsese (aktuell „Killers of the Flower Moon“) gedanklich Revue passieren, wird „Die Zeit nach Mitternacht“ - trotz Gewinn der Goldenen Palme in Cannes - oft vergessen. Der Regisseur hatte hier bereits die wuchtigen Filme „Wie ein wilder Stier“ und „King of Comedy“ gedreht und ging mit dieser ungeschliffenen schwarzen Komödie wieder zurück zu einem „kleinen“ Film, auch enttäuscht über den Stopp seines geplanten Projektes „Die letzte Versuchung Christi“.
Für Scorsese ein untypischer Film, doch für die Entstehungszeit Mitte der 80er und den herrschenden Zeitgeist absolut passend. Griffin Dunne ist als Paul gefangen in der Tretmühle eines eintönigen Bürojobs, dem sich als Single kaum ein Ausgleich dazu bietet. Als er die unkonventionelle Marcy trifft, ergibt sich zumindest für eine Nacht die Möglichkeit, aus dem langweiligen Trott auszubrechen. Die Geschichte vom Biedermann, der innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in immer neue, prekäre Situationen gedrängt wird, die sich seiner Kontrolle entziehen, erinnert auch frappierend John Landis‘ „Kopfüber in die Nacht“ aus dem gleichen Jahr.
Bei „Die Zeit nach Mitternacht“ überwiegt zunächst noch der komödiantische Anteil, wenn sich Paul recht unbeholfen auf neuem Terrain bewegt, sich ständig widersprüchlichen Situationen ausgesetzt sieht und nur tapsig zu reagieren vermag. Es beginnt damit, dass ihm im Taxi sein Geld abhandenkommt, und es folgt eine unvorhersehbare Kette von Ereignissen, die Paul immer weitertreibt. Nach und nach wird der Ton grotesker, die zunehmende Unsicherheit nimmt bedrohliche Züge an, und ein befreiendes Lachen will sich nicht mehr einstellen. Wie in einer Spirale zieht es Paul immer an dieselben Orte mit denselben Personen und stetig tiefer Richtung Paranoia und Verzweiflung. Eine Struktur, die vor allem mit der abschließenden Szene den Traum-Effekt noch verstärkt und auch freudsche Lesart zulässt.
Der Film ist mit Teri Garr, John Heard, Linda Fiorentino, Cheech & Chong, Will Patton und Dick Miller bis in die kleineren und größeren Nebenrollen prominent besetzt. Für Star-Kameramann Michael Ballhaus bedeutet der Film seinen Durchbruch in Hollywood.
Plaion Pictures hat diesem unbedingt wieder zu entdeckenden Kleinod der 80er ein limitiertes Mediabook spendiert, das den Film auf BD und DVD inklusive Audiokommentar mit Martin Scorsese, Griffin Dunne, Produzentin Amy Robinson, Cutterin Thelma Schoonmaker und Kameramann Michael Ballhaus enthält, dazu ein Making-of und Deleted Scenes.
„Die Zeit nach Mitternacht“ fällt in der Aufstellung bemerkenswerter 80er Jahre-Filme zu Unrecht oft unter den Tisch. Plaion Pictures macht es jetzt möglich, dieses ungeschliffene Meisterstück in angemessener Ausstattung (wieder) zu entdecken.