Freja Lind: Die zwei Gesichter der geilen Dominanz (Buch)

Freja Lind
Die zwei Gesichter der geilen Dominanz
Blue Panther Books, 2024, Taschenbuch, 170 Seiten, 12,90 EUR

Rezension von Irene Salzmann

Zwei Frauen, zwei Schicksale: verbunden durch - was?

Sina kommt aus einer zerrütteten Familie, hat einen guten Beruf, war verheiratet und hatte einige Beziehungen, leider immer mit den falschen Männern. Als sie den charmanten Luke kennenlernt, einen Mann, der über Manieren verfügt, einfühlsam ist und weiß, welche Knöpfe er bei Sina drücken muss, beginnt sie zu glauben, endlich ihren Mr. Right gefunden zu haben, mit dem sie eine Familie gründen kann.

Dass er immer wieder Dates absagt und sich längere Zeit nicht meldet, nimmt sie klaglos hin, denn in der Firma, für die er tätig ist, hat er eine hohe Position inne.

Unerwartet begegnet er ihr nicht mehr nur mit Zuckerbrot, stattdessen knallt die Peitsche immer heftiger, insbesondere nachdem Sina Luke eröffnete, dass sie sein Kind erwartet. Selbst die Geburt von Luna hält die Spirale in den Albtraum nicht auf. Obwohl sie begreift, dass nicht richtig ist, was mit ihr passiert, kommt sie von ihrem Peiniger nicht los und schlägt sämtliche Hilfsangebote aus.

Die Situation eskaliert auf unvorhersehbarer Weise, bis Sina nur noch einen Ausweg zu haben meint.

Katrin wird scheinbar mit dem goldenen Löffel im Mund geboren als einziges Kind eines erfolgreichen Unternehmers. Bereits im Beruf stehend, heiratet sie den einstigen Mädchenschwarm aus ihrer Schulzeit, Paul, der nach Bundeswehr und Studium ausgerechnet zu ihr, die eigentlich gar nicht seinem Beuteschema entspricht, zurückgekehrt ist. Beide sind in der Firma von Katrins Vater tätig, sehen sich wegen unterschiedlicher Verpflichtungen bloß zwei Mal in der Woche. Die Ehe bleibt kinderlos; Paul wird Zeugungsunfähigkeit attestiert.

Ein Unfall reißt das Paar jäh auseinander. Katrin trauert ein Jahr, bis sie zufällig am benachbarten Grab Rolf begegnet, der ebenfalls einen Verlust erlitten hat. Sie sehen sich wieder, da sie sich sympathisch finden, woraus bald mehr wird. Aufgrund einiger seiner Fragen fängt Katrin an, ihre Ehe, das Wirken ihres Vaters und Manches mehr, das ihr Leben in diese, nicht von ihr geplanten, Bahnen gelenkt hat, zu überdenken. Als sie Geschehnisse aufdeckt, die alles Gewesene wie ein Kartenhaus einstürzen lassen, muss sie erfahren, dass auch Rolf ihr nicht alles über sich verraten hat.


Wie immer ist Freja Lind für eine Überraschung gut. Darum nimmt man jedes ihrer Bücher mit einer großen Erwartungshaltung zur Hand. Einerseits gut für einen Autor, andererseits auch eine Last, denn es wird stets schwieriger, die Leser durch ungewöhnliche Ideen zu befriedigen.

Der „reißerische“ Titel „Die zwei Gesichter der geilen Dominanz“ ist wohl in erster Linie dem Verlag Blue Panther Books geschuldet, der ein Publikum bedient, das nach erotischen Büchern verlangt. Inhaltlich wird das Thema abgebildet durch zwei Frauen und zwei Männer. Das eine Paar wird vom Mann immer brutaler dominiert, weil er es kann und es ihm nur um sich selbst geht, das andere liebevoll von der Frau, die endlich die Gelegenheit erhält, ihre eigenen Wünsche auszuprobieren. Tatsächlich kann von einer „geilen Dominanz“ bloß bedingt die Rede sein, denn „geil“ und „Dominanz“ beziehungsweise abstoßend und Sadismus sind zweierlei.

Auf jeden Fall wird man überrascht, denn der Roman ist - obschon Freja Lind in ihren früheren Titeln (unter anderem „Heißes Treiben hinter fremden Fenstern“, „Mein erstes Mal“) gewiss nicht mit Erotik geizte - doch sehr sexlastig.

Sonst baut die Autorin gern eine dicht gewobene, abwechslungsreiche mit unerwarteten Wendungen versehene Handlung auf (oft verknüpft mit phantastischen und Krimi-Elementen), doch diesmal hat sie darauf weitgehend verzichtet und die Schicksale zweier Paare in den Mittelpunkt gestellt, die durch ihre intimsten Wünsche zueinanderfinden und Wege einschlagen, die eher nicht zu einem glücklichen Ausgang führen.

Natürlich ist das nicht alles, denn das Wesentliche sind die Motive hinter den Entscheidungen, die teils aus Tragödien geboren wurden und teils in welchen enden, viele Reflexionen inklusive. Selbst der gefälligen Auflösung mangelt es nicht an Bitterkeit, denn es gibt kein wirkliches Happy End für alle, lediglich eine Aussöhnung und Erklärung, wie es dazu hatte kommen können.

Es ist von Anfang an klar, dass es eine Verbindung zwischen Sina und Katrin gibt, deren Leben, vor allem die letzten Monate/Jahre, im Wechsel vor der Leserschaft ausgebreitet werden. Hier spielt die Autorin gelungen mit dem Publikum, das reichlich spekulieren darf. Freja Lind kann auch die erfahrenen Leser eine Weile aufs Glatteis führen, etwa bis zum Auftauchen von „Pupsie“, weil der Schlüssel von Anfang an in der Grammatik liegt, die Lösung keineswegs aus heiterem Himmel fällt, das Finale lediglich die letzten losen Fäden vertäut, die von einem Mastermind gesponnen wurden.

Hätte dieser die Handlung aktiver bestimmen dürfen, statt dass sein geheimes Treiben kurz auf den letzten Seiten abgehandelt wird, hätte der Roman fast ein „Wuthering Hights“-Light mit einem Heathcliff-Light (Emily Brontĕ: „Sturmhöhe“) werden können. Allerdings hätte das Drama sich dann nicht derart zuspitzen und mit der Beantwortung aller Fragen enden können, weil der Hintergrund früh hätte offengelegt werden müssen. Man kann nicht alles haben…

„Die zwei Gesichter der geilen Dominanz“ ist ein weiteres Highlight von Freja Lind bei Blue Panther Books - eine ergreifende Story für die Freunde verwirrender Familien-Tragödien mit einer appetitlichen Ladung Erotik für jene, die genau das wünschen. Sie schafft es, die Waage von beidem zu halten, sodass beide Lesergruppen - einmal mehr - bestens unterhalten werden.