M. L. Wang: Blood Over Bright Haven (Buch)

M. L. Wang
Blood Over Bright Haven
(Blood Over Bright Haven, 2023)
Übersetzung: Ulrike Brauns
Adrian, 2025, Hardcover, 480 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Eine Welt, die dem Untergang entgegentaumelt. Das Leben im Flachland der Kwen, einem der Nomadenstämme, die die Welt bevölkern - genauer gesagt bevölkerten - schwindet. Andere Sippen sieht man nie, auch die legendären Schattenwölfe wurden seit Jahrzehnten nicht mehr gesichtet. Als wären das Eis und der Schnee nicht schon genug, sucht auch noch der Feuerbrand heim, der - wie der Name sagt - die Befallenen in einem Taumel aus Schmerzen verbrennt.

Es gibt eine Hoffnung: Die Stadt Tiran, die ein magischer Schutzwall umschließt, bietet Demjenigen, der es schafft, die Grenze zu überqueren, Aufnahme - sofern sie oder er von Nutzen sein kann, versteht sich. Die Bürger der magischen Stadt sind schließlich alles andere als mitfühlend.

Thomil, einer der nomadischen Jäger, und sein Stamm haben es fast bis zum Refugium geschafft - doch dann schlägt das Schicksal in Form brechenden Eises und einer aufflammenden Seuche zu. Nur Thomil und seiner kleinen Nichte gelingt es, die Stadt zu erreichen.

Sciona ist eine dieser Bürgerinnen. Seit zwanzig Jahren studiert sie Magie - und sie ist nicht nur talentiert, sie ist begnadet. Das Problem ist, dass das Hohe Magisterium Frauen nicht unbedingt als gleichberechtigt ansieht. Um dort Mitglied zu werden, muss man eine Prüfung ablegen - zu der auch Sciona angemeldet ist. Allen Widrigkeiten zum Trotz, wird sie in das Hohe Magisterium aufgenommen - merkt jedoch bald, dass sie ausgegrenzt und geschnitten wird. Statt eines fähigen Assistenten wird ihr nur ein Hausmeister - Thomil - zugewiesen.

Nach einem holprigen Start erweist sich das Gespann jedoch als überraschend einfallsreich und erfolgreich - ergänzen sich ihre Naturelle doch bestens. Dann stoßen sie auf ein Geheimnis, das die Machtpyramide, ja, die Welt für immer verändern könnte…


M. L. Wang hat diesen Roman - wie so viele der interessantesten Neuerscheinungen - im Eigenverlag publiziert. Inzwischen hat sie mit dem für den Herbst bei Adrian in Vorbereitung befindlichen „The Sword of Kaigen“ einen von Kritik wie Fans hochgelobten Auftakt einer ganz eigenen Reihe vorgelegt.

In „Blood Over Bright Heaven“ erzählt die Verfasserin nicht nur eine interessante Geschichte, sondern sie nimmt sich auch wichtiger Themen an. Unter anderem spricht sie - deutlich, aber geschickt in den spannenden Plot integriert - Probleme wie Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung ganzer Volksgruppen, Frauenfeindlichkeit und Emanzipation, Klassenunterschiede und Korruption, Vorurteile und Verleumdungen gegenüber Randgruppen sowie Imperialismus an. Das sind durchaus ernste, schwere Themen, die sie hier einfließen lässt - die jedoch die Handlung nicht stören oder deren Fortgang verzögern, sondern den Plot überhaupt erst tragen.

Das Magiesystem, das sich uns nach und nach enthüllt, ist komplex und erfordert ein wenig Zeit, bis man es durchschaut und einordnen kann.

Es sind die Charaktere, die das Buch tragen. Die verkopfte Sciona ist kein stromlinienförmiger Charakter. Zu Beginn wirkt sie auf uns Lesende unsympathisch mit ihrer Besessenheit, ihr großes Ziel - letztlich die verdiente Anerkennung als Frau in einer absoluten Männerdomäne - zu erreichen. Sie ist charismatisch, sie ist fleißig und begabt, aber keine Person, mit der wir uns gerne verabreden würden.

Anders Thomil und dessen Nichte Carra. Der Nomadenjäger ist ein schweigsamer Mensch - was beileibe nicht heißt, dass er nichts zu sagen hätte. Er überlegt zuerst, bevor er redet, zieht Vieles ins Kalkül, bevor er handelt. Die Geschehnisse auf der Flucht haben ihn geprägt. Er verfolgt seine Ziele hartnäckig, bis hin zu einer gewissen Starrköpfigkeit. Innerlich ist er - ob der Verletzungen, die ihm durch die Bürger der Stadt zugefügt wurden - tief getroffen. Diese vergisst er nie, vergibt sie noch weniger. Und doch muss er „Dreck fressen“, um das Überleben seiner Nichte und seiner selbst zu sichern. Insofern begegnet uns hier ein Charakter, der viel leidet, der verunglimpft und verachtet wird - und letztlich nichts für seine Herkunft und die Flucht in Sicherheit kann. Die Alternative wäre gewesen, aufzugeben - und das würde seinem Charakter so gar nicht entsprechen.

So ist dies ein gehaltvolles Buch - ein Buch, in dem gelitten wird, das die dunklen Seiten der Menschen schonungslos zeigt, dabei aber gleichzeitig gut und fesselnd unterhält.

Ein tolles Buch, das definitiv eine Lektüre wert ist.