Anthony Horowitz: Der Tote aus Zimmer 12 (Hörbuch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 29. April 2025 13:52

Anthony Horowitz
Der Tote aus Zimmer 12
Susan Ryeland 2
(Moonflower Murders, 2020)
Übersetzung: Lutz-W. Wolff
Sprecher: Katja Danowski & Volker Hanisch
GOYALiT, 8CDs, ca. 740 Minuten, 17,49 EUR
Rezension von Elmar Huber
Die ehemalige Lektorin Susan Ryeland betreibt seit mittlerweile zwei Jahren mit ihrem Partner zusammen das Hotel Polydoros auf Kreta, als sie unvermittelt von den damaligen Ereignissen um den Tod und das letzte Manuskript des Autors Alan Conway eingeholt wird (siehe „Die Morde von Pye Hall“).
Pauline und Laurence Treherne, die ehemaligen Besitzer des exklusiven Hotels Branlow Hall suchen sie mit einer ungewöhnlichen Geschichte auf. Vor acht Jahren wurde dort ein Gast, Frank Parris, brutal getötet. Als Täter wurde damals Stephan Kodrescu überführt, der im Rahmen eines Resozialisierungsprogramms als Hilfsarbeiter im Hotel tätig war.
Cecily Treherne, die Tochter von Pauline und Lawrence, hat sich nun bei ihren Eltern mit der Nachricht gemeldet, dass Kodrescu nicht der Mörder von damals ist. Sie habe das in dem Roman „Atticus unterwegs“ von Alan Conway gelesen, dem dritten Roman der Buchreihe um den genialen Detektiv Atticus Pünd, die Susan als Lektorin betreut hat. Seitdem ist Cecily spurlos verschwunden.
Tatsächlich war Alan Conway nach dem Mord nicht nur Gast in Branlow Hall gewesen, er kannte auch den Toten Frank Parris, der ihn maßgeblich zu seinem Coming-out ermutigt hat.
Pauline und Laurence Treherne engagieren Susan jetzt in der Annahme, dass sie durch die Zusammenarbeit mit Conway dessen Gedankengänge nachvollziehen kann, möglicherweise zu denselben Schlüssen kommt, wie der Autor acht Jahre zuvor, und den Fall damit lösen kann.
Ohne dass es ihr bewusst war, ist das die Gelegenheit, auf die Susan gewartet hat, nach England zurückzukehren und den chaotischen und aufreibenden Hotelbetrieb in Griechenland zumindest kurzzeitig hinter sich zu lassen.
In „Atticus unterwegs“ wird Melissa James ermordet, eine bekannte Schauspielerin, die aufgrund ihres Alters langsam aufs künstlerische Abstellgleis gerät und die nebenbei ein Hotel betreibt. Wegen der massiven Einwirkung seiner Assistentin übernimmt der Detektiv den Fall und stößt bei seinen Recherchen auf zahlreiche Verdächtige und Motive: ein verprellter Filmproduzent, die betrügerischen Hotelverwalter, denen sie eine Buchprüfung androht, ihr Liebhaber, der ein Schneeballsystem betreibt und sie nicht wie gewünscht auszahlen kann. Doch sind es wieder die unwichtig erscheinenden Kleinigkeiten, an denen sich Pünd festbeißt und deren richtige Einordnung letztendlich ein Bild ergeben, das zur Lösung des Falls führt.
Auf den ersten Blick hat Alan Conways Roman nichts mit den Ereignissen um die Ermordung von Frank Parris und das Verschwinden von Cecily Treherne zu tun, aber erneut sind es die versteckten Hinweise - eine Leidenschaft des Autors, die Susan nur allzu bekannt ist -, die sie auf die richtige Spur führen.
Man hält es kaum für möglich, doch Anthony Horowitz hat es tatsächlich geschafft, seinem grandiosen Detektiv-Meisterstück „Die Morde von Pye Hall“ eine nicht weniger einfallsreiche Fortsetzung folgen zu lassen. „Der Tote aus Zimmer 12“ ist grundsätzlich unabhängig davon zu lesen, doch schadet es nicht, die Vorgeschichte zu kennen, denn einige Personen aus „Pye Hall“ tauchen hier als Nebenfiguren wieder auf.
Erneut präsentiert Horowitz einen Roman im Roman, wobei die Binnenhandlung in einem verklausulierten Bezug zur Haupterzählung steht. Zuvor jedoch kehren wir zurück zu unserer Heldin Susan Ryeland, die den Trubel um Alan Conways Tod hinter sich gelassen und die Flucht nach vorn, in ein neues Leben angetreten hat. Doch inzwischen zeigen sich deutlich die Schattenseiten des Hotelbetriebs, die während der aktuellen geschäftlichen Durststrecke umso dunkler scheinen. So braucht es keine lange Überzeugungsarbeit seitens des Ehepaars Treherne, zumal ein dicker Scheck für ihre Bemühungen winkt. Also betätigt sich Susan erneut als Amateur-Detektivin; sie macht sich mit den Menschen um Branlow Hall und mit den Ereignissen vor acht Jahren vertraut und bemerkt sehr schnell, dass einige Personen unangenehme Geheimnisse hüten.
An passender Stelle wird der komplette Roman „Atticus unterwegs“ eingeschoben, und erneut gelingt Anthony Horowitz eine dermaßen plastische Darstellung der Charaktere und Begebenheiten, dass man nach kurzer Orientierung auch von dieser Handlung wieder vollständig gefesselt ist. Sofort ist man als Leser auch selbst im Detektiv-Modus und hält unbewusst Ausschau nach Ähnlichkeiten oder Zusammenhängen, die bei Susans Ermittlungen eine Rolle spielen könnten.
So wiederholt der Autor in „Der Tote aus Zimmer 12“ zwar den Roman-im-Roman-Trick des Vorgängers, doch ist die Story abermals derart raffiniert und mitreißend konzipiert, dass sich kein Detektiv-Fan darüber beschweren kann.
Das Hörbuch: Die Schauspielerin Katja Danowski liest die Rahmenhandlung und wird damit zur Stimme von Susan Ryeland. Grandios versteht es die Schauspielerin, auch den anderen Figuren durch minimale Änderungen in Stimme und Sprachmuster Leben einzuhauchen, ohne dass dies unnatürlich wirkt. Beispielsweise als angeschickerte, übellaunige Lisa (Cecilys Schwester, die Susan lieber früher als später loswerden möchte).
„Atticus unterwegs“ - der Roman im Roman - wird ungezwungen vornehm und sehr lebendig von Volker Hanisch interpretiert, der ebenfalls die verschiedenen Figuren mit eigenen kleinen Nuancen in Stimme und Sprechweise versieht. Beides Stimmen, denen man sehr gern zuhört.
Susan Ryelands Rückkehr als eine Art „Literatur-Detektivin“ macht nicht weniger Spaß als der Vorgänger. Eine absolute Empfehlung für Fans von Agatha Christie und ähnlicher Krimi-Literatur, versehen mit einem modernen Anstrich.