Uwe Voehl & Jörg Kleudgen: Arkheim (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 23. April 2025 12:07

Uwe Voehl & Jörg Kleudgen
Arkheim
Titelbild & Innenillustrationen: Jörg Kleudgen
Goblin Press, 2016, Taschenbuch, 102 Seiten, 15,00 EUR
Rezension von Elmar Huber
Auf eine Anzeige im Deutschen Ärzteblatt hin, erklärt sich der Protagonist bereit, die Urlaubsvertretung von Dr. Lutz Semmelbach in Arkheim anzutreten. Der Ort erweist sich als Kleinstadt von verblasstem Glanz, offenbar eine ehemalige Kurstätte - davon zeugen die massigen Gradierwerke und der Kurpark, der inzwischen deutlich vernachlässigt ist.
Auch das Haus, das sowohl die Praxis wie auch die Wohnräume Semmelbachs beherbergt, die der Neuankömmling für die Zeit seines Aufenthalts nutzt, weist merkwürdige Besonderheiten auf. So verlaufen nicht nur die Rohre sicht- und hörbar über die Innenwände der Wohnung, es scheint auch, als würden die Nachbarn ständig und insgesamt Unmengen von Wasser entnehmen.
Mehr und mehr nimmt die bedrückende Atmosphäre von Arkheim Einfluss auf den seelischen Zustand des Mediziners. Die täglichen Besuche der durchweg betagten Patienten, von denen eine erschreckend große Zahl von Hautkrankheiten geplagt ist, verschwimmen zu einem Einerlei, etwas Abwechslung bieten nur die abendlichen Streifzüge durch die Stadt. In einem Antiquariat stößt der Arzt schließlich auf ein unbekanntes Buch von Alfred Kubin, dessen Inhalt seine eigene, jetzige Situation wiedergibt.
„Man sitzt in seinem gemütlichen Abteil und genießt die Aussicht. Mal geht die Reise durch liebliche Täler und Auen, dann wird die Gegend rauer und unwirtlich. Im Großen und Ganzen gestaltet sich die Fahrt recht angenehm. Aber irgendwo auf der Strecke haben Arbeiter vergessen, ein Stück Schiene einzusetzen, sodass der Zug unweigerlich entgleisen wird.“
Mit diesen Worten wird bereits auf der zweiten Seite angedeutet, dass Protagonist (und Leser) nun das Terrain der Realität verlassen und in eine Welt des Unwirklichen, Albtraumhaften eintreten. Und tatsächlich scheint Arkheim in einem dauernden Zwielicht zu liegen. Menschenleere Gassen, unförmige Schemen und unerklärliche Beobachtungen schüren ein Gefühl der Unsicherheit und des Irrealen.
Viele Versatzstücke wird der geneigte Leser wiedererkennen: Die unbestimmt lange Abwesenheit eines Kontakts oder Auftraggebers, eine Ortschaft, die sich stets zu verändern scheint, Bücher, deren Inhalt eine makabre Wechselwirkung mit der Realität eingehen, und nicht zuletzt eine Femme fatale, die den ahnungslosen Protagonisten seiner Bestimmung zuführt. Alles Motive, denen man auch in anderen Werken von Voehl, Kleudgen oder auch Michael Siefener begegnet. Ein surrealer Teppich, in den die Autoren auch Motive von H. P. Lovecraft einweben, die sich jedoch nie in den Vordergrund drängen.
Das Nachwort von Jörg Kleudgen informiert den Leser, dass die Ursprünge von „Arkheim“ drei Kurzgeschichten von Uwe Voehl sind, alle angesiedelt in der ehemaligen Kurstadt, doch ansonsten voneinander unabhängig zu lesen. Hier sind diese Erzählungen nun zu einem Ganzen verschmolzen, das in seiner Gesamtheit in guter Tradition einiger anderer Goblin-Press-Veröffentlichungen steht. „Ich sah in ihnen immer einen der besonders gelungen Versuche, H. P. Lovecrafts kosmisches Grauen in Deutschland […] anzusiedeln.“ Und nicht nur das. Uwe Voehl hat sich mit dem Ortsnamen Arkheim nicht nur einen oberflächlichen Verweis auf Lovecrafts Arkham erlaubt, er gibt dem Namen darüberhinaus eine tragende Bedeutung in seiner Geschichte. Damit ist „Arkheim“ weit mehr als das landläufige Lovecraft-Pastiche, welches der Titel vermuten lässt.
Als Extra sind in den Buchblock eingebunden noch zwei Illustrationen (Größe A4) sowie ein von Jörg Kleudgen gezeichneter und ausgeschmückter Arkheim-Stadtplan (Größe A3) zum Ausfalten enthalten.