Bitter Root 1: Familiengeschäfte (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 18. April 2025 09:27

Bitter Root 1
Familiengeschäfte
(Bitter Root Vol. 1, 2019)
Text: David F. Walker & Chuck Brown
Titelbild und Zeichnungen: Sanford Greene
Übersetzung: Gerlinde Althoff
Splitter, 2019, Hardcover, 160 Seiten, 24,00 EUR
Rezension von Elmar Huber
Harlem, New York, 1924: Die Familie Sangerye schützt die Menschheit seit Generationen vor den Jinoos, Menschen, deren Seele von negativen Gefühlen beherrscht wird, und die dadurch zu Monstern werden. Eine Berufung, die den Sangeryes längst zur alltäglichen Gewohnheit geworden ist; Business as usual. Doch etwas befindet sich in Veränderung. Zum einen nimmt die Zahl der Jinoos rasant zu, zum anderen tummeln sich plötzlich noch andere Wesen da draußen, die den Monsterjägern wirklich gefährlich werden können.
Es bahnt sich eine Situation an, in der die Sangeryes alle Hilfe benötigen, die sie bekommen können. Doch ein Trauma, das die Familie Jahre zuvor erlitten und die Familie zersprengt hat, droht die Dämonenjäger jetzt einzuholen.
„Bitter Root“ steigt tempo- und actionreich ein und zeigt sogleich, wie Familie Sangerye mit den Jinoos umgeht. Es gilt, die unglücklichen Wesen kampfunfähig zu machen, um sie mittels eines Kräutertranks wieder zu Menschen zurückzuverwandeln. David Walker und Chuck Brown etablieren hier mit wenigen, schnellen und prägnanten Szenen die Bestimmung, die Familiendynamik und das Umfeld der Sangeryes im Harlem der 1920er Jahre.
Aus den Gesprächen untereinander erfährt man, dass es noch weitere Familienmitglieder gibt, die jedoch (inzwischen) ihren eigenen Weg gehen. Natürlich lernen wir diese auch noch kennen, denn Blut ist bekanntlich dicker als Wasser, besonders, wenn es gegen einen gemeinsamen Feind zu bestehen gilt.
Hier liegt auch die absolute Stärke von „Bitter Root“. Die Szenen, in denen die einzelnen Charaktere vorgestellt werden, sind einfach grandios; der Humor kommt ebenfalls nicht zu kurz. Obwohl alles rasant und mit vielen schnellen Szenenwechseln vorangetrieben wird, verliert man nie den Überblick.
Sobald die Familienzusammenführung fürs Erste abgeschlossen ist, stellt sich jedoch eine gewisse Beliebigkeit ein. Was dann passiert - ein Straßenkampf gegen die unbekannten Wesen - könnte in etlichen anderen Serien (zum Beispiel „Dr. Strange“) genauso stattfinden.
Das Finale dieses ersten Bandes, das die ersten fünf Einzelhefte der Serie beinhaltet, hält noch einige Überraschungen bereit, die allerdings nicht richtig zünden wollen.
Zeichnerisch zelebriert Sanford Greene („Power Man and Iron Fist“) eine ungezügelte Wildheit. Die Figuren sind in einem kraftvollen Cartoon-Stil dargestellt mit einer erkennbaren Steampunk-Attitüde, was Kleidung und Waffen angeht. Die Panel-Anordnung scheint keinen Regeln zu folgen und verstärkt nochmals das Tempo, das die ganze Story vorlegt; Bild-in-Bild, überlappende Panels in sämtlichen Größen und Formen, Figuren ragen über die Umrandung hinaus.
Im umfangreichen Bonus-Material kommen Kreative und Kulturwissenschaftler zu Wort. Es ist die Rede von Ethno-Horror, Afrofuturismus, schwarzer Folklore, wo alles herkommt und möglicherweise hingeht. Ob das hier angebracht ist, ob „Bitter Root“ tatsächlich eine tiefere, ethnisch spezifische Bedeutung hat, muss jeder selbst entscheiden. Vielleicht hätte ein Tritt auf die Bremse hier und da gutgetan, um dies besser herauszuarbeiten.
Fürs Auge enthält der Band neben Konzept-Zeichnungen noch eine ganze Latte großartiger Variantcover namhafter Künstler, wie Mike Mignola, Bill Sienkiewicz, Skottie Young, Michael Del Mundo, Michael Cho, David Mack und so weiter.
„Ghostbusters in Harlem“; ein temporeicher und wilder Ritt, der den Leser schnell für sich vereinnahmt.