Miu Degen: Der Fetisch Club (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 16. April 2025 10:38

Miu Degen
Der Fetisch Club
Blue Panther Books, 2023, Taschenbuch, 220 Seiten, 12,90 EUR
Rezension von Irene Salzmann
Unter dem Pseudonym Miu Degen schreibt eine Autorin, die Anfang der 80er Jahre geboren wurde und sich, seitdem die Familie mit dem Flüggewerden das Haus verlassen hat, dem Verfassen erotischer Romane widmet, in die sie nach eigenen Angaben auch persönliche Erfahrungen einfließen lässt. Bei Blue Panther Books liegen mehrere Titel von Miu Degen vor, darunter „Der Fetisch Club“. Ob es hier Parallelen zu ihrem eigenen Lebenslauf gibt, bleibt das Geheimnis der Autorin.
Iris und Joachim sowie ihre beiden Kinder im Schulalter verkörpern den Traum kleinbürgerlichen Familienidylls: Reihenhaus mit Garten, Joe bezieht ein gutes Einkommen, Iris ist Hausfrau, die Kinder sind brav und mit sich selbst beschäftigt. Mit den Nachbarn gibt es keine Probleme, ganz im Gegenteil, Tanja von nebenan ist eine gute Freundin.
Hinter dieser Fassade verbirgt sich jedoch ein Geheimnis: Tanja ist Nymphomanin und Sadistin. Iris liebt es, erniedrigt zu werden, und bekommt alles, was Joe ihr nicht geben kann, von Tanja. Er wiederum hat einen „Arsch-Fetisch“. Zwar könnte er bei beiden Frauen auf seine Kosten kommen, doch in erster Linie ist er Mittel zum Zweck, um Iris zu demütigen und Tanja Befriedigung zu verschaffen.
Die Dreiecksbeziehung erfährt eine Steigerung, als Tanja beschließt, in ihrem Haus einen Fetisch Club einzurichten, in den von ihr ausgewählte Gäste mit speziellen Vorlieben eingeladen werden. Iris und eine weitere junge Frau fungieren als Dienerinnen, Joe ist ein Besucher wie die übrigen, die sich zu ihren Fetischen bekennen und diese miteinander ausleben wollen.
Obwohl Joe mitmacht, ist er von dieser Entwicklung nicht begeistert. Durch die reine Befriedigung von Trieben ohne jegliche Gefühle entfremden er und Iris sich voneinander, ihre Ehe ist dabei, zu zerbrechen. Mit ihr reden kann er nicht, denn gerade in der strikten Trennung von Sex und Liebe sieht Iris den Schlüssel, einerseits den notwendigen Kick zu bekommen, andererseits das Familienleben weiterzuführen, wie gewohnt. Dass sie längst süchtig nach immer extremeren Spielarten ist und ihr ganzes Denken ausschließlich um den nächsten Orgasmus kreist, wischt sie in den seltenen klaren Momenten schnell beiseite.
Die Situation eskaliert, als ein Paar aus der Nachbarschaft zu den Spielen eingeladen wird. Sven will sich als dominanter Hengst austoben, während Michaela die schüchterne Unschuld mimt. Kurz darauf schlagen sie Joe und Iris vor, sich auch außerhalb des Clubs miteinander zu vergnügen - woraufhin das Verhängnis endgültig seinen Lauf nimmt.
Der Text auf dem Backcover bereitet den Leser auf das Kommende vor. Das Buch selbst wirkt wie eine Warnung an jene, die meinen, sich von erotischen Romanen und Kurzgeschichten zu einem erfüllten, abwechslungsreichen Sex-Leben inspirieren lassen zu können: Sie sollten es sich sehr gut überlegen, was sie ausprobieren und wie weit sie damit gehen möchten, denn was in einer Geschichte (!) vielleicht verlockend klingt und womöglich funktioniert, bildet nicht die Realität ab, erfasst nicht die vielen Wenn und Aber, kann oft nicht klappen, weil die Beteiligten unterschiedliche Erwartungen und Grenzen haben - so wie in „Der Fetisch Club“, für dessen Hauptfiguren es ein böses Erwachen gibt.
Schon zu Beginn der Lektüre ahnt man, was passieren wird, und das dumpfe, bedrohliche Gefühl, das sich in einem festsetzt, wird mit jeder Seite intensiver. Im Mittelpunkt steht Iris, die sich ganz ihrer Sexsucht hingibt und alles mit sich machen lässt, trotzdem - selbst ihr - deutlich wird, dass den Mitspielern ihr Wohl weitgehend gleichgültig ist. Zwar erkennt Joe, dass sie dabei sind, ihre Familie zu zerstören, doch er lässt alles einfach weiterlaufen, statt gemeinsam mit Iris professionelle Hilfe zu suchen.
Gerade wenn man mit Sadismus/Unterwerfungsphantasien wenig anfangen kann, ist man erschüttert, was Iris alles auf sich nimmt, weil ihr nur noch übelste Erniedrigungen Lustgefühle verschaffen. Indem die Demütigungen nicht auf Rollenspiele begrenzt bleiben, sondern in ihren Alltag eindringen, fällt die letzte moralische Barriere zwischen dem, was bisher ausschließlich bei Tanja passierte, und allem, was die Ehe von Joe und Iris aufrechterhielt. Zwar hat Iris ein schlechtes Gewissen, doch der Schock trifft sie schwer, als sie feststellt, dass Joe diesen Schritt schon vor ihr tat.
Noch schlimmer macht alles der Umstand, dass Iris völlig allein ist, denn den Kindern kann sie sich nicht anvertrauen, und Tanja ist ihr auch keine Hilfe, obschon die Autorin um deren Ehrenrettung bemüht ist und das Negativ-Image auf den letzten Seiten abmildert.
Tatsächlich ist der Roman eine einzige Aneinanderreihung von Fetischen und damit verbundenen Praktiken, die durch eine dünne Rahmenhandlung um vor allem Iris, teilweise Joe, Tanja, Sven und Michaela verknüpft werden. Obwohl sich Miu Degen redlich bemüht, das Ganze durch immer härtere Sessions zu steigern, setzt schon bald eine gewisse Ermüdung, ja, Langeweile ein, da nichts wirklich Neues geboten wird, weitgehend Iris‘ Demütigungsphantasien und -spiele thematisiert werden und all diese expliziten Schilderungen das vorhersehbare Ende lediglich hinauszögern.
Die Handlung kann leider auch nicht durch interessante, sich weiterentwickelnde Charaktere punkten. Vielmehr sind diese durchweg unsympathisch, die Kinder des Paares haben lediglich Statistenrollen inne, Joes und Tanjas Anteile werden im gleichen Maße weniger, wie die von Iris das Geschehen zunehmend dominieren.
Hingegen ist der Stil der Autorin positiv zu bewerten, denn er fängt den Leser ein und lässt ihn Anteil nehmen an der beklemmenden Situation.
Infolgedessen dürfte „Der Fetisch Club“ in erster Linie einem Publikum zusagen, das Spaß an den vielen grafischen Beschreibungen von mehr oder minder ausgefallenen Praktiken hat, dabei den Plot und die Akteure als unwesentlich erachtet und auch kein Happy End braucht. Mag man es lieber weniger bedrückend und drastisch, findet man im breiten Programm von Blue Panther Books gewiss Titel, welche die persönlichen Vorlieben besser bedienen.