Erik Hauser: Von Werwölfen, Vampiren und anderen Mitmenschen (Buch)

Erik Hauser
Von Werwölfen, Vampiren und anderen Mitmenschen
Ashera, 2024, Paperback, ‎220 Seiten, 16,90 EUR

Rezension von Andreas Flögel

Dieses Buch enthält insgesamt vier Geschichten:
"Wer hat Angst vorm bösen Wolf?"
"Die Jäger und die Gejagten"
"Sebastians Vampir"
"Annabella"

Auch wenn sich der Zusammenhalt der Geschichten aus der Verwendung bekannter Horror-Motive wie Werwölfe, Vampire und so weiter ergibt, ist doch allen gemeinsam, dass es keine plakativen Horror-Geschichten sind. Der Autor versteht es meisterhaft mit subtilen Andeutungen Spannung zu erzeugen und die Psychologie seiner Charaktere in den Mittelpunkt zu stellen.

 

Die Geschichte „Wer hat Angst vorm bösen Wolf?“ ist eine faszinierende und düstere Dekonstruktion des Märchen-Motivs vom Werwolf, eingebettet in ein kriminalistisches Puzzle.
Die Geschichte ist fesselnd geschrieben. Die detaillierten Beschreibungen erzeugen lebendige Bilder im Kopf des Lesers, und die Dialoge sind pointiert und enthüllen nach und nach die Konflikte und verborgenen Motive der Charaktere. Die geschickte Verknüpfung von alltäglichen Szenen mit übernatürlichen Elementen und kriminellen Andeutungen machen den Reiz dieses Märchen-Puzzles aus. Die Frage „Wer hat Angst vorm bösen Wolf?“ bezieht sich nicht nur auf eine potenzielle Bestie im Wald, sondern auch auf die dunklen Seiten der menschlichen Natur und die Macht des Aberglaubens in einer ländlichen Gemeinschaft.

"Die Jäger und die Gejagten" ist eine Geschichte, die auf mehreren Ebenen beunruhigt und fasziniert. Sie beginnt mit einer scheinbar harmlosen, fast abenteuerlichen Szene: Eine Gruppe junger Jungen, angeführt von Vater Bertram, bereitet sich darauf vor, Vampire zu pfählen. Die naive Begeisterung der Kinder, ihr Wunsch, sich zu beweisen und das Böse auszurotten, steht in scharfem Kontrast zu der brutalen Realität, die sich bald entfaltet.
Die Stärke der Geschichte liegt in ihrer vielschichtigen Auseinandersetzung mit Themen wie Schuld, Sühne, Gruppenzwang, Ausgrenzung, Gewalt und der Perversion von religiösem Eifer. Die naive Perspektive der Kinder am Anfang kontrastiert auf erschreckende Weise mit der Brutalität ihrer Handlungen und den traumatischen Folgen. Die eingestreuten Erinnerungen des Erzählers verleihen der Geschichte eine zusätzliche Tiefe und emotionalen Resonanz.
Der Schreibstil ist prägnant und atmosphärisch. Die detaillierten Beschreibungen der Umgebung und der inneren Zustände der Figuren erzeugen eine dichte und beklemmende Atmosphäre.

"Sebastians Vampir" ist eine meisterhaft erzählte Geschichte, die sich gekonnt der kindlichen Phantasie und der väterlichen Skepsis bedient, um eine Atmosphäre des schleichenden Unbehagens und schließlich handfesten Horrors zu erzeugen.
Es ist ein fesselnder und psychologisch dichter Text, der auf brillante Weise die Grenzen zwischen Realität und Phantasie, kindlicher Unschuld und erwachsener Verblendung auslotet. Die subtile Erzählweise, die unheilvollen Andeutungen und die zutiefst beunruhigende Atmosphäre machen diese Erzählung zu einem nachhaltigen Leseerlebnis, das noch lange im Gedächtnis nachhallt. Sie ist ein gelungenes Beispiel für modernen Horror, der weniger auf Schock-Effekte als auf die subtile Zerstörung des Vertrauten und die tief sitzenden Ängste des Menschen setzt. Eine klare Leseempfehlung für alle, die sich gerne von intelligentem und unaufdringlichem Horror gefangennehmen lassen.

Die Geschichte, „Annabelle: Ein Märchen aus unserer Zeit“, webt auf beunruhigende Weise eine scheinbar harmlose Abenteuer-Geschichte von Kindern, die ein verlassenes Haus erkunden, mit subtilem und zunehmend unheimlichem Horror zusammen.
Die Geschichte spielt gekonnt mit der Grenze zwischen kindlicher Phantasie und einer düsteren Realität. Die Verwendung der Puppe als zentrales Element des Unheimlichen ist klassisch, aber in dieser Erzählung besonders wirkungsvoll eingesetzt.
Insgesamt ist „Annabelle: Ein Märchen aus unserer Zeit“ eine fesselnde und beunruhigende Geschichte, die den Leser von einer scheinbar harmlosen Erkundung in einen Strudel des Unheimlichen zieht. Die subtile Andeutung von tiefer liegendem Grauen, kombiniert mit der authentischen Darstellung jugendlicher Dynamik, macht diese Erzählung zu einem bemerkenswerten Beispiel für modernen Horror, der lange nach dem Lesen nachwirkt.
Die Geschichte ist definitiv empfehlenswert für Leser, die subtilen, psychologischen Horror und Geschichten mit offenem, beunruhigendem Ende schätzen.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Autor es meisterhaft versteht, den Horror nicht explizit zu zeigen, sondern ihn durch Andeutungen, die sich steigernde Unheimlichkeit der Ereignisse und die psychologische Wirkung auf die Charaktere zu erzeugen.

Das Buch ist keine leichte Lektüre. Die Geschichten konfrontieren den Leser mit der dunklen Seite der menschlichen Natur und hinterlassen oft ein Gefühl der Unruhe. Es handelt sich um anspruchsvolle Erzählung, die auf beunruhigende Weise die Grenzen zwischen Gut und Böse, Jäger und Gejagtem verwischen. Aber gerade das macht dieses Buch empfehlenswert und auch unterhaltend.