Anthony Ryan: Der Verräter (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 12. April 2025 11:37

Anthony Ryan
Der Verräter
Der stählerne Bund 3
(The Traitor, 2023)
Übersetzung: Sara Riffel
Hobbit Presse, 2025, Hardcover, 682 Seiten, 26,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Ich bin… ja, was bin ich eigentlich? Zu Beginn meiner Karriere, so man diese solche bezeichnen mag, war ich ein Dieb, ein Gelegenheitsmörder, ein Aufschneider und Betrüger. Dann wurde es besser - und gleichzeitig schlimmer.
In den Minen lernte ich nicht nur das Schreiben, sondern auch das Denken. Aus mir wurde ein ganz passabler Schreiber, später dann ein Verkünder von Sihldas Testament. Und ich wurde der Vertraute der Prophetin, ihr Hauptmann in ihrem Heer, der Kompanie des Bundes, ein Adeliger und ein Krieger - etwas, worauf ich nicht wirklich stolz bin!
An der Seite der wiederauferstandenen Prophetin begleite ich sie bei ihrem Kreuzzug - der sie mir immer weiter entfremdet.
Wo nur ist die Frau geblieben, in die ich mich verliebt habe? Die Frau, die mein Innerstes berührte, die Frau, der Zehntausende folgten, für die Tausende ihr Leben gaben? Die Frau, die die Kirche spaltete, die Frau, die sich jetzt zur Herrscherin aufschwingen möchte, die Frau, die mein Kind trägt?
Dies ist nicht nur meine Geschichte, dies ist auch die Geschichte einer Prophetin, die die verkarsteten politisch-religiösen Strukturen aufbrach, die Gutes wollte - und dann von Macht und verblendetem Sendungsbewusstsein korrumpiert wurde. Und so ist dies auch die Geschichte einer letztlich tragischen Liebe - aus der dann aber doch das Pflänzlein Hoffnung sprießt…
Im dritten, abschließenden Band der Trilogie bringt Anthony Ryan seine Saga um Alwyn Scribe zu einem in sich runden, befriedigenden Ende.
Sie vermissen in meinem letzten Satz das Adjektiv „triumphal“? Ja, denn anders als die beiden ersten Teile der Reihe konnte mich der Plot dieses Mal nicht ganz so sehr in seinen Bann ziehen. Dies mag damit zusammenhängen, dass nach der Reihe von zwar sehr mühsamen und mit vielen Opfern verbundenen Siegen nun eine Zäsur ansteht. Der scheinbar unaufhaltsame Siegeszug der Prophetin und ihres Mannes fürs Grobe stößt auf entschiedenen Widerstand.
Mehr noch: Alwyn selbst ist in Gewissensnöten. Kann er seiner geliebten Märtyrerin und ihren Motiven noch trauen? Kann er sich selbst noch trauen - in seiner blinden Gefolgschaft, mit der er Evadine beschenkt? Sind die Ziele und die Methoden, die zu ihrer Erreichung angewandt werden, noch legitim und verhältnismäßig? Fragen, die ihn umtreiben, die sich uns auch stellen und auf die unser Ich-Erzähler Antworten finden muss - wie auch wir.
Da passt es, dass die Hexe wie auch die Stimme, die er in seinem Kopf vernimmt, mahnend die Prophetin als Unheil darstellen. Was nur soll er tun, angesichts der Taten und der daraus resultierenden Folgen, die immer drastischer werden? Und warum nur ist es ausgerechnet an ihm, dem primitiven Verbrecher, später dem intelligenten Schreiber, dem egoistischen Schlitzohr und treuen Freund, hier so entscheidend ins Weltgeschehen einzugreifen?
Ryan konzentriert sich auf die Frage, was die Kämpfe, die Morde und der Verrat aus den Menschen machen - wie sie durch ihre Taten, die eigentlich im Guten motiviert sind, traumatisiert werden, sich innerlich verändern - und wie sie ihr Denken und Handeln hinterfragen müssen. Das ist ein oft schmerzhafter Prozess, der uns innerlich berührt und Mitleid mit unserem Protagonisten weckt.
Dass sich Vieles schon recht früh im Buch abzeichnet, nimmt dem Plot ein wenig die Spannung. Ryan entwickelt seine Figuren nachvollziehbar und glaubwürdig weiter, die Welt selbst bleibt eine faszinierende Bühne. Allein das Gefühl, die Seiten gar nicht schnell genug umblättern zu können, um zu erfahren, wie es weitergeht, fehlte mir diesmal.
Insofern ein würdiger, aber nicht triumphaler Abschluss einer der unbestritten besten High-Fantasy-Reihen der letzten Jahre.