Das unheimliche Auge (BD + DVD)

Das unheimliche Auge
I 1987, Regie: Lamberto Bava, mit Serena Grandi, Daria Nicolodi, Vanni Corbellini u.a.

Rezension von Elmar Huber

Ein Jahr nach dem Unfalltod ihres Ehemannes hat das ehemalige Foto-Modell Gloria (Serena Grandi: „Giulia“, „Angelina - Von allen begehrt“) ihre Trauerphase überwunden, und sie übernimmt aktiv die Redaktion des Herrenmagazins „Pussycat“, das er ihr hinterlassen hat. Dabei kann sie sich der Unterstützung durch ihre Freundin Evelyn (Daria Nicolodi), ihres Bruders Tony und des Fotografen Roberto (David Brandon) sicher sein.

Nach einem erotischen Shooting, bei dem ihre Villa samt Swimmingpool als Kulisse diente, wird eines ihrer Models noch am selben Abend auf ihrem Grundstück mit einer Heugabel getötet. Glorias jugendlicher Nachbar Mark (Karl Zinny), der seit einem Unfall an den Rollstuhl gefesselt ist und die Schöne ständig durch sein Fernrohr ausgespannt hat, wird sogar Zeuge des Mordes, doch als die Polizei eintrifft, ist die Leiche verschwunden. Bis ein Foto auftaucht, auf dem das Opfer vor einem Plakat von Gloria drapiert ist.

Einige Tage später stirbt noch ein zweites Model auf ungewöhnliche Art - in ihrer Wohnung von Wespen zu Tode gestochen -, und wieder erreicht Gloria ein Foto mit der Toten vor ihrem eigenen vergrößerten Bild. Nun ist Gloria überzeugt, dass sie selbst das endgültige Ziel des unbekannten Mörders ist.


Lamberto Bava dürfte vor allem für seinen „Dämonen“-Zweiteiler bekannt sein, hat aber mit „Blade in the Dark“ und „Midnight Killer“ wenigstens zwei respektable Gialli abgeliefert, bevor ihm 1987 mit „Das unheimliche Auge“ der Avantgarde-Gaul durchgegangen ist. Ohnehin schon deutlich nach der großen Zeit der mysteriös-erotischen italienischen Whodunit-Thriller, wollte Bava hier wohl Manches deutlich anders machen und setzte dabei auf einige skurrile Ideen.

Vor dem ersten Mord sieht man noch ganz typisch aus der Killer-Perspektive, wie dieser um Glorias Haus schleicht, doch hier ist das Bild bereits in waberndes Rot und Blau getaucht. Beim Blick auf das Opfer reibt man sich dann ungläubig die Augen, ist das Gesicht der Frau doch ein einziger großer Augapfel. Opfer Nummer 2 hat in der Killer-POV einen Insektenkopf, der Mörder trägt einen Imkeranzug (!). Obschon komplett albern könnten Freunde des Bizarren doch Spaß daran haben, auch wenn diese ‚Visionen‘ reiner Selbstzweck sind und überhaupt keine Grundlage im Motiv oder der Geschichte des Killers haben.

Von diesen künstlerischen Mätzchen abgesehen hat man einen halbgaren Giallo vor sich, der vielleicht nicht das ausgefeilteste Drehbuch aufweist, dies jedoch mit reichlich Sleaze und einigen amtlichen Nackt- und Unterwäsche-Szenen überspielt, sodass keine Langeweile aufkommt. Ein Part, den die gutgebaute Gloria-Darstellerin Serena Grandi mühelos bewältigt, im Gegensatz zu den tatsächlich fordernden Handlungsteilen, in denen die Gute doch sehr oberflächlich bleibt.

Reichlich unmotiviert sind auch einige haltlose Szenen, die beliebig Verdachtsmomente ausstreuen sollen. So kommt beispielsweise völlig zusammenhanglos Marks Unfall zur Sprache und dass seine Lähmung keine körperliche Ursache hat, man sieht kurz, dass Glorias aufgewärmte Affäre (Luigi Montefiori aka George Eastman) sie am Telefon über seinen Aufenthaltsort belügt, und auch die alternde Flora (Capucine), die scharf auf das „Pussycat“-Magazin ist und die Chefin auch nicht von der Bettkante stoßen würde, wird als Verdächtige etabliert. Alles Fäden, die im Film nie wieder aufgenommen und zu einem Abschluss gebracht werden.

Die Auflösung und die Enthüllung des Killers - nachdem Gloria noch einmal blankziehen muss - kommen schließlich komplett gehaltlos um die Ecke. Hier ist von den abgründigen und psychologisch begründeten Höhepunkten der großen Giallo-Klassiker nichts zu spüren.

Als Giallo ist „Das unheimliche Auge“ mehr Kuriosum als ernstzunehmender Genre-Beitrag. Auch wenn seine Stärken nicht auf erzählerischer Ebene liegen, gestaltet sich der Film für Fans des Italo-Kinos doch erstaunlich unterhaltsam.

 

Das Mediabook von cmv-Laservision ist in vier Cover-Varianten erschienen.