Genevieve Cogman: Eleanor (Buch)

Genevieve Cogman
Eleanor
(Elusive, 2024)
Übersetzung: Dr. Arno Hoven
Lübbe, 2025, Paperback, 510 Seiten, 18,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Wir schreiben das Jahr 1793. In Frankreich regiert das Proletariat, das die verhassten adeligen Vampire verfolgt und auf die Guillotine bringt. Jenseits des Ärmelkanals ist die Welt noch in Ordnung. Hier die Adeligen und die Vampire, dort die Untergebenen - die Trennung ist klar und für alle Seiten in Stein gemeißelt.

Doch das Elend der Bourgeoisie jenseits der Meeresenge ruft Mitleid hervor. Die Liga des Scarlet Pimpernel, eine Gruppe Adeliger, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die noblen Vettern und die Vampire, soweit möglich, vom Festland zu retten.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht jemand, dem man eine solche Rolle eigentlich nicht zugetraut hätte. Eleanor, die ein wenig wie Marie-Antoinette aussieht, war bislang als Näherin und Hausangestellte dienlich.

Seitdem sie zum Pimpernel gestoßen ist, hat sich ihr Leben massiv gewandelt. Sie lernte Französisch, setzte ihr Wohl und Wehe ein, um den Dauphin aus Frankreich zu retten. Dass sie dabei den Geist einer vor Jahrhunderten von den Vampiren gemeuchelten Magierin in sich aufnahm, verschaffte ihr zwar Wissen und Fähigkeiten, aber auch einen höchst eigenwilligen Gast. Eigentlich möchte sie nur Modistin werden, doch wen interessiert schon, was ein dienstbarer Geist möchte?

Und schon ist sie mittendrin im ewigen Spiel der Mächtigen, Adeligen und Vampire - bei dem auf Menschen gemeinhin wenig, genauer gesagt keine Rücksicht genommen wird.

Talleyrand ist verschwunden. Eigentlich sollte der französische Staatsmann von London aus gen Neue Welt aufbrechen, doch der „Prinz von Paris“ hat ganz andere, gefährliche Pläne - ein Vorhaben, das unbedingt verhindert werden muss und das den Scarlet Pimpernel an den Rand einer existenzbedrohenden Niederlage bringt… mittendrin natürlich Eleanor.


Genevieve Cogman hat sich mit ihren tempo- und abwechslungsreichen Romanen um die „Unsichtbare Bibliothek“ in unsere Herzen geschrieben.

Ihr Hausverlag Lübbe hat sich die Rechte an der neuen Trilogie der Autorin gesichert. Es geht in die Zeit der Französischen Revolution - allerdings schicken die Bürger neben Adeligen vornehmlich Vampire unter die Guillotine.

Äußerlich erneut im Spot-Prägedruck und mit Rundum-Farbschnitt aufgewertet, entführt uns die Verfasserin in eine wahrhaft barbarische Zeit voller Hunger, Unterdrückung, Denunziantentum und Mord.

Als Erzählerin dient eine junge Frau aus einfachen Verhältnissen, die aber sowohl Mut als auch Gewitztheit beweist. Sie hat - gerade aus Sicht des Gesindes - natürlich einen etwas anderen Einblick in gesellschaftliche Zustände und Entwicklungen und berichtet quasi von innen heraus vom Leben der einfachen Leute. Mehr noch, die Darstellung ihrer charakterlichen Entwicklung bietet der Verfasserin die geschickt genutzte Chance, aus Sicht der unteren Schichten die alltägliche Diskriminierung dieser darzustellen.

Die Adeligen und Vampire denken sich gar nichts dabei, ihr Gesinde als ihr Eigentum zu betrachten und entsprechend zu behandeln. Diese „dienstbaren Geister“ müssen aus der Sicht ihrer Herren froh sein, dass sie diesen dienen dürfen, dabei ein Dach über dem Kopf haben und regelmäßiges Essen bekommen. Dass sie ihre eigenen Pläne und Wünsche haben, ist irrelevant - es stört sie nur bei der Ausübung ihrer Pflichten. Insoweit müssen, ja dürfen sie nicht zu gebildet sein, sonst kämen sie vielleicht gar auf die absurde Idee, Bildung und Rechte einzufordern.

Hier hat Cogman ihren Plot im Mittelteil der Trilogie deutlich tiefgründiger aufgestellt als im ersten Band. Eleanor hat einen deutlichen Reifeprozess durchlaufen und bemerkt immer wieder, wie sie in alte, überholte Verhaltensmuster zurückfällt. Die zart angedeutete, beginnende Romanze bleibt weiterhin wohltuend im Hintergrund. Cogman konzentriert sich auf die Auseinandersetzung mit den Gegnern der Liga und präsentiert uns über diese ein Bild der damaligen Welt inklusive ihrer unschönen Seiten.