Cay Rademacher: Nacht der Ruinen (Buch)

Cay Rademacher
Nacht der Ruinen
DuMont, 2025, Hardcover, 432 Seiten, 24,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Der 1965 geborene Cay Rademacher übersetzt und schreibt Kriminalromane. Dabei scheint er es zu bevorzugen, sie in der Nachkriegszeit anzusiedeln und neben einer spannenden Geschichte auch noch viel von der damaligen Lebenswirklichkeit zu vermitteln. Das ist auch in „Nacht der Ruinen“ der Fall. Die Geschichte spielt im März 1945 im bereits von den Alliierten eroberten Köln.


Auch wenn der Krieg noch nicht zu Ende ist, so ist die Stadt zumindest linksrheinisch schon in der Hand der Engländer und Amerikaner, die nun nicht nur die Stellung halten, sondern auch Verbrechen aufzuklären versuchen, wie den Tod eines Piloten, der nur wenige Tage vor der Eroberung in den Ruinen notlanden musste.

Beauftragt mit den Ermittlungen wird Joe Salmon, ein junger Lieutenant der amerikanischen Armee. Das pikante Detail an der Sache: Er ist eigentlich Joseph Salomon, ein 1938 emigrierter Jude, der in Köln aufgewachsen ist. Und die Kenntnis der Stadt mag ihm nicht nur zum Vorteil gereichen, denn auch die Vergangenheit ist mehr als präsent.

Joe hat dort nicht nur Erinnerungen, sondern auch gute Freunde zurückgelassen, die er in dem ganzen Chaos natürlich auch wiederfinden möchte. Und so ist er bei seinen Ermittlungen, die ihn durch die ganze linksrheinische Stadt führen, nicht nur für seinen Kommandanten unterwegs.

Dabei wird er von einem Engländer begleitet, der sich selbst George Orwell nennt, bewegt sich durch eine Stadt, in der der Tod nicht nur in Form von Bomben und Geschützfeuer von der anderen Rheinseite lauert. Denn er bringt sich durch seine Schnüffelei auch in das Kreuzfeuer der Leute, die nicht nur den Lynchmord, sondern auch andere Verbrechen verschleiern wollen.


Man merkt, dass der Autor sehr genau recherchiert hat und sich die Zeit nimmt, die Atmosphäre in der Stadt ebenso zu beschreiben wie die Beziehungsgeflechte, die die Dynamik des Buches steigern. Alles scheint nach und nach miteinander verwoben, die Spannung sinkt bis zum ernüchternden Ende nicht.

Man fühlt sich durch die lebendigen Schilderungen regelrecht in die Monate zurückversetzt, in der der Krieg noch nicht vorbei ist, aber weite Teile Deutschlands schon von den Alliierten erobert wurden, die nun natürlich alles daransetzen, einerseits die Kriegsverbrecher oder Spione aufzuspüren und andererseits halbwegs Ordnung in das Chaos zu bringen. Gleichzeitig erlebt man aus der Sicht Joes mit, wie er sich damals als Jude gefühlt haben musste, auch wenn er jetzt in einer weit besseren Situation ist als früher. Manches liest sich sogar brandaktuell, gerade was die Ideologie und das Verhalten der Leute angeht. Und nicht zuletzt kommen auch historische Persönlichkeiten interessant zum Zuge.

Spannend, atmosphärisch dicht und authentisch, so kommt „Nacht der Ruinen daher. Der Kriminalroman setzt nicht nur auf die Aufklärung des Falls, sondern erweckt auch diese damals besonderen Monate vor den Augen der Lesenden wieder zum Leben und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.