W.E.S.T. 4: Der 46. Staat (Comic)

W.E.S.T. 4
Der 46. Staat
(W.E.S.T. 4 – Le 46e etat)
Szenario: Xavier Dorison; Fabien Nury
Artwork: Christian Rossi
Übersetzung: Martin Surmann
Lettering: Mirko Piredda
Piredda, 2009 Hardcover, 64 Seiten, 15,50 EUR, ISBN 978-3941279216

Von Frank Drehmel

Wir schreiben den Vorabend der ersten demokratischen Wahlen im Kuba des Jahres 1902: während eines Banketts anlässlich des Urnengangs, auf dem sich neben dem Marionetten-Kandidaten, Thomas Estrada Palma, Vertreter der amerikanischen Fruit-Companies sowie korrupte Politiker jeglicher Couleur ihr Stelldichein geben und ihren Sieg über die Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Ambitionen durch den aufständischen Islero feiern, den sie mit Unterstützung Professor Morton Chapels und seines Weird Enforcement Special Teams bezwungen zu haben glauben, meldet sich Santero zurück, indem er einen besessenen Soldaten ein Blutbad unter den Anwesenden Gästen anrichten lässt.

Da Chapels und Bart Rumbles Dienste also weiter benötigt werden, zwingt man sie, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen, um Islero endgültig zur Strecke zu bringen; dieser Teufel hat einen Namen: Colonel Weyler; ein ebenfalls in der Santeria bewanderter Soldat, der im Auftrag der amerikanischen Besatzer jeglichen Widerstand der Kubaner rücksichtslos brechen soll. Weyler selbst ist allerdings auch nur ein kleines Rädchen in der Intrige der Companies, deren Bestreben auf die Angliederung Kubas als 46. Staat der Vereinigten Staaten von Amerika abzielt.
Während Joey Bishop um die geistige Gesundheit der jungen Ärztin Kathryn Lennox ringt, die für kurze Zeit lebendig begraben wurde, müssen Chapel und Rumble nicht nur Islero zur Strecke bringen, sondern sich auch Weylers entledigen.
Damit nicht genug: wollen der Professor und sein Team den Ausverkauf, die faktische Annexion Kubas durch die Konzerne verhindern, müssen sie sich mit jenen Rebellen verbünden, die von der jungen Isela angeführt werden. Das Problem ist nur: Isela wurde – wie sie nicht ohne Grund annimmt – zuvor von Chapel und Rumble schon einmal verraten.

Der Abschlussband dieses zweiten „W.E.S.T.“-Zyklus ist nicht nicht nur action- beziehungsweise temporeicher als das Vorgängeralbum, „El Santero“, sondern auch in seiner religiösen Metaphorik – weinende Madonna – sowie in der Zeichnung der Santeria deutlich metaphysischer ausgerichtet, wobei der Fokus allerdings nach wie vor auf dem politischen, sozio-ökonomischen Hintergrund und den gesellschaftlichen Verwicklungen der Geschichte liegt. Zwar erscheint Dorisons und Nurys Story zuweilen reichlich pathetisch, ist aber so spannend, wendungsreich und – vor allem – glaubwürdig inszeniert, dass man als Leser den Erlöserpathos, welcher Chapel wie eine Aura umgibt, gerne erträgt, kann man sich doch in dem atmosphärischen stimmigen, semi-fiktionalen Hintergrund verlieren.
Das Artwork Rossis ist makellos. Mit seinem leicht flirrenden, lockeren Strich sowie der zum Monochromen tendierenden Koloration fängt er das mutmaßliche Savoir-vivre einer vergangenen Zeit und eines exotischen Ortes nahezu perfekt ein.

Fazit: Actionreich, spannend, nicht ohne Pathos, grandios visualisiert: ein History-Mystery-Thriller, der den Leser erwartungsvoll dem ersten Album, „Megan“, des nächsten Zyklus' entgegenfiebern lässt.