Robert Kraft: Das Gauklerschiff - Die Irrfahrten der Argonauten 4 (Buch)

Robert Kraft
Das Gauklerschiff - Die Irrfahrten der Argonauten 4
Kapitel 112-153
Titelbild: Georg Hertting
Verlag Dieter von Reeken, 2023, Hardcover, 590 Seiten, 35,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Vorhang auf zum vierten und damit letzten Teil der Neuausgabe des Kolportageromans „Das Gauklerschiff - Die Irrfahrten der Argonauten“ im Neusatz.

Der Autor führt seine Handlung nahtlos weiter. Und er hält Dramatisches für seine Leser bereit. Das geht weit über das übliche Maß an „alte Zöpfe abschneiden“ hinaus. Nicht nur, dass die Patronin stirbt, die „Argos“ selbst fällt einem gigantischen Tsunami zum Opfer! Außer dem Matrosen Hans, kann sich die Besatzung retten.

Jahre später, Georg Steevenbrock ist zwischenzeitlich Inhaber einer Reederei und hat gerade die erwachsene Ilse Neubert geehelicht, kommen die einstigen Weggefährten noch einmal zusammen. Ihre Reise führt sie zum Grab der Patronin, wo sie auf den totgeglaubten Hans stoßen…

„Das Gauklerschiff - Die Irrfahrten der Argonauten“ gehört meines Erachtens nicht zu Krafts allerbesten Titeln. Sicherlich, der Verfasser kredenzt uns Vieles, was wir aus seinen anderen Romanen auch kennen und schätzen. Es geht wild zu, heutzutage würde man sagen, dass sich der Plot actionreich präsentiert.

Kraft inkludiert dabei ferne Länder, unbekannte Gebiete, Geheimnisse und die Romantik der Seefahrt. Dazu mischt er jede Menge Mysterien, Geheimbünde, übernatürliche Sequenzen und gar wundersame Erfindungen.

Da bewegen sich seine Protagonisten unter, auf und über der Erde in gar unvorstellbar luxuriösen, aber eben auch wunderbar fortschrittlichen Fortbewegungsmitteln von Abenteuer zu Abenteuer. Dabei stoßen sie auf Seren, die körperliche Unsterblichkeit versprechen, auf Schätze der Monetären Art, aber auch auf - teilweise übernatürliches - Wissen. Es kommt zu tragischen Verlusten unter der Mannschaft, doch immer wieder fassen die Überlebenden Mut, machen weiter in ihrem Bestreben, die Welt in all ihrer Vielfalt kennenzulernen.

Gegenüber den Spätwerken „Atalanta“ oder „Loke Klingsor“ aber fällt der Roman meines Erachtens ab. In diesen beiden Kolportage-Romanen, die dankenswerterweise ebenfalls im Verlag Dieter von Reeken neu aufgelegt wurden, berief Kraft sich auf Vorläufer, ja Ideengeber späterer Phantasten (i.e. Paul A Müller alias Feder van Holk). Die Grundlagen hierfür sind auch hier immer wieder ansatzweise erkennbar, jedoch noch nicht so wunderbar herausgearbeitet, wie in den beiden oben genannten Texten.

Natürlich war Robert Kraft ein Kind seiner Zeit. Insoweit entsprechen so manche Darstellungen fremder Völker oder die Rolle der Frau nicht heutigen Überzeugungen. Hier darf und muss der Leser mit ins Kalkül ziehen, dass die Weltanschauungen damals einfach andere waren, als man sie heute vertritt.Nichtsdestotrotz vermag der Text - besser gesagt die vielen mehr oder minder locker miteinander verbundenen Kapitel der Handlung - auch uns Rezipienten weit über 100 Jahre nach der Entstehung noch zu fesseln.

Man merkt dem Text an, mit wieviel Herzblut und Begeisterung Kraft hier fabuliert hat, wie er stolz sein aus eigener Erfahrung stammendes Wissen um die Seefahrt hat einfließen lassen.

Die Lieferungen zwangen den Verfasser in kurzen Abständen immer wieder, heute würde man sagen Cliffhanger in seinen Plot einzubauen - gefährliche Situationen, aus denen ein Entkommen kaum möglich scheint. Die jeweilige Auflösung in der nächsten Lieferung, brachte dann die unerwartete Durchschlagung des entsprechenden gordischen Knotens.

Alles in allem bleibt festzuhalten, dass die vier Bände uns erneut einen Autor vorstellen, dessen Gabe, seine Leserinnen und Leser an die Seiten zu fesseln, beeindruckend war und ist. Über einhundert Jahre, nachdem Kraft seine Imaginationen zu Papier gebracht hat, haben diese nach wie vor die Fähigkeit uns den Alltag vergessen zu lassen, uns in exotische Gegenden, zu fremden Völkern zu entführen und uns Helden aber auch finstere Schurken vorzustellen.

Das Beste zum Schluss: Es haben sich genügend Käufer gefunden, so dass der Verlag als nächstes Projekt ab März 2023 Krafts „Wir Seezigeuner“ in gewohnt gediegener Ausstattung in vier Bänden auflegen wird.