Maddrax 600: Amraka, Ian Rolf Hill (Buch)

Maddrax 600
Amraka
Ian Rolf Hill
Titelbild: Néstor Taylor
Bastei, 2023, Romanheft, 68 Seiten, 2,40 EUR

Rezension von Matthias Hesse

Mit der sechshundertsten Episode ihrer Serie schlagen die Macherinnen und Macher der langlebigen Phantastik-Serie ein neues Kapitel auf, das nach einer eher SF-lastigen Epoche deutlich mehr nostalgischen Abenteuer-Charme versprühen soll. Dazu verlegen sie das Setting der Handlung in das postapokalyptische Lateinamerika, das bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte der Serie war und sowohl Zyklus als auch Auftaktroman den Namen gibt: „Amraka“.

Hier, auf dem Gebiet des heutigen Peru, warten tatsächlich eine Menge Überraschungen. Sowohl dem Titelhelden als auch der Leserschaft begegnen Spinnen, die helle Laternen weben, diskusförmigen Flughunde, die in den Lamellen von Riesenpilzen hausen und säurespritzende Schoten. Insgesamt also eine quietschfidele wie gefräßige Flora und Fauna, die in Ausgestaltung und Gefährlichkeit an den Dschungelplaneten in Brian Aldriss' Meisterwerk „Der lange Nachmittag der Erde“ erinnert.

Nicht dass es allzu überraschend wäre, derartiges in „Maddrax“ vorzufinden. Auch mit der Fortschreibung der schizophrenen Figur Haaley setzt Ian Rolf Hill erstmal auf eine sichere Aktie, gleichfalls ist das Vorkommen eines energiespeichernden Kristalls lediglich eine Variante eines allzu bekannten Motivs der schon dreiundzwanzig Jahre währenden Erzählung. Somit stellt sich die Frage, in welchen Winkel des mit Drive, Sex, Gewalt und Fabulierlust erzählten Romans Innovatives lauern könnte.

Darauf zwei Antworten: Viele Experimente der Vergangenheit führten zu deutlichem Murren in Teilen der Fangemeinde. Sei es die Komplexität des vergangenen Zyklus oder zu selbstverständliche interstellare Reisen per Wurmlochgenerator: der Ruf nach dem guten alten Flair, als die Zukunft noch finster und die Post-Apokalypse barbusig-bronzezeitlich war. Mag sein, dass das Team dem hier Rechnung trägt. Doch scheint es mir, und das wäre die zweite Antwort, dass dieser Fanservice eine kleine freundliche Nebelkerze ist. Denn Stromausfall und Monster-Schnecken garnieren ja nur das eigentliche Geheimnis von „Amraka“: Das Wrack des legendären Flugzeuträgers „USS Nimitz“ liegt mitten im Grün auf der pazifikabgewandten Seite der Anden. Wie kommt es dahin? Erinnerungen an den Werner-Herzog-Film „Aguirre“ werden wach, der ebenfalls im peruanischen Hochland spielt und für den der Regisseur in einer legendären Aktion ein Kriegsschiff in die Baumkronen hängen ließ. Der Flugzeugträger spielte seinerseits im Zeitreisefim „Der letzte Countdown“ die zentrale Rolle - und Michael Douglas, der Sohn des Hauptdarstellers Kirk Douglas, schwang sich in „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“ ebenfalls durch den Dschungel... Diese Action-Komödie wiederum diente als Vorlage für einen „Maddrax“-Band von Lucy Guth, der erst kürzlich die oben erwähnten roten Kristalle anteaserte. Vielleicht sind diese Filmzitate bereits ein Vorgeschmack auf ein Spiel mit Zeitebenen, das deutlich vielschichtiger sein könnte als ein paar Lianen-Abenteuer - und einer experimentierfreudigen Serie wie „Maddrax“ absolut angemessen.

Doch das ist Spekulation. Fakt ist, dass die Printausgabe auch mit einem Bastelbogen, einem Gewinnspiel und einem Interview mit Coverzeichner Néstor Taylor aufwartet.