Birgit Otten (Hrsg.): Schwertgesang und Zauberschatten - Fantasy mit starken Frauen (Buch)

Birgit Otten (Hrsg.)
Schwertgesang und Zauberschatten
Fantasy mit starken Frauen
Machandel, 2022, Taschenbuch, 378 Seiten, 16,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Ist es heute überhaupt noch zwingend notwendig, Geschichten über starke Frauen herauszugeben, obwohl sie an allen Ecken und Enden in der Fantasy zu finden sind? Die Antwort ist Ja, denn die modernen jungen Frauen durchbrechen nur selten das klassische Schema und lassen sich - gemäß den Gesetzen der Romantasy - fast immer von der Liebe einfangen, so cool sie auch vorher aufgetreten sein mögen als Diebin, Assassin oder gar Prinzessin. Und so gut wie alle sind im Teenager-Alter oder gerade darüber.

In der Hinsicht bietet Birgit Otten mit ihrer Anthologie „Schwertgesang und Zauberschatten“ eine angenehme Abwechslung. Denn die in der Sammlung zu findenden Geschichten bietet „Fantasy mit starken Frauen“ jeden Alters.

 

Einundzwanzig Geschichten von achtzehn verschiedenen Autorinnen und Autoren stellen Frauen vor, die entschlossen ihren Weg gehen. Da ist die junge Frau, die ausgerechnet einen besonderen Gegenstand aus dem Schloss des Königs stehlen soll, aber das auch im richtigen Moment ausnutzt. Oder die Ehefrau, die zusammen mit ihrem Mann, einem Maler, alles wagt, um ihre Tochter zu schützen. Die Bauersfrau, die in dem Moment ihre Maske fallen lässt, als Söldner über das Dorf herfallen und sie eine schwere Entscheidung treffen muss. Dann die Wüstentochter, die schon bald die Wahrheit über ihre Herkunft herausfindet, oder die Bettlerin, die gar keine ist. Nicht zuletzt ist da das Mädchen, das eigentlich nur als Opfer dienen soll, in der Stadt Sasho jedoch ihre Bestimmung findet.


Natürlich bringen so gut wie alle Frauen gewisse Fähigkeiten mit, die sie aus der Masse herausheben, aber sie erfüllen dennoch nicht unbedingt die klassischen Rollen als verschlagene Hexe oder einsame Kriegerin. Tatsächlich sind einige von ihnen scheinbar zunächst in den klassischen Rollen gefangen, haben einen Mann und Kinder. Gelegentlich arbeiten sie sogar mit einem männlichen Partner zusammen. Dabei ist oft sehr schnell klar, dass dieser nicht als Entschuldigung dafür dient, als Retter in der Not oder als zu Rettender zu dienen, sondern der Heldin meistens gleichberechtigt zur Seite steht.

Die Hauptfiguren sind jeden Alters, es gibt durchaus Teenager unter ihnen, vor allem aber gestandene Frauen, die in der Blüte ihres Lebens stehen oder sogar schon fast das Greisenalter erreicht haben.

Die Geschichten bieten eine bunte Mischung; bei der einen geht es mystisch zu, in der anderen durchaus auch schon einmal blutig und brutal, in einigen lockert ein Augenzwinkern auch das Abenteuer auf.

Allen ist gemein, dass sie fern der Klischees der Romantasy sind. Die Charaktere wirken facettenreich und entwickeln sich teilweise auch weiter. Nicht immer gibt es ein Happy End, gelegentlich lassen die Geschehnisse auch Trauer oder einen bitteren Nachgeschmack zurück.

Beim Hintergrund dominiert zwar das europäische Mittelalter, aber es gibt auch Einblicke in andere Kulturkreise. Die Zusammenstellung und Reihenfolge ist sorgfältig durchdacht, so dass das Lesevergnügen bis zum Ende bleibt. Zudem bekommen die Geschichten den Raum, den sie brauchen und sind nicht unbedingt auf eine gewisse Länge beschränkt.

All das hebt „Schwertgesang und Zauberschatten“ aus der Masse der Romane und Sammlungen heraus, die „Fantasy mit starken Frauen“ bieten, denn die Anthologie legt sich nicht nur auf die beliebten Klischees fest, sondern durchbricht bewusst viele Grenzen, was Alter und Familienstand betrifft und präsentiert sehr eigenwillige Heldinnen, die durchweg zu überraschen wissen.