Marcello Liscia: Ein verregneter Sommer (Buch)

Marcello Liscia
Ein verregneter Sommer
Querverlag, 2022, Paperback, 304 Seiten, 18,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Der 1971 in Paderborn geborene Marcello Liscia arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren als Berater, Trainer und Coach für Führungskräfte in ganz Europa und lebt heute mit seinem Mann in Salzkotten. Mit „Ein verregneter Sommer“ verarbeitet er auch ein wenig Familiengeschichte.


Luca ist erst sechzehn und wird von seiner Familie doch schon in die Fremde geschickt, um mit dem Verdienst als Saisonkraft den verwitweten Vater und seine Geschwister zu unterstützen. Im Frühjahr 1958 reist er mit den Colombos zu deren ihre Eisdiele in Paderborn, um dort mitzuhelfen.

Das ist zunächst nicht einfach, denn er fühlt sich fremd und kommt nicht gut mit den anderen zurecht, aber auch der Stress macht ihm zu schaffen. Nur gut, dass der Sommer verregnet ist und er so oft frei bekommt. Dabei lernt er den Gymnasiasten Hans kennen, der sich trotz der Sprachbarrieren für ihn interessiert. Bald kommen sich die beiden jungen Männer noch näher.


Mit seinem Roman deckt der Autor gleich zwei sehr interessante Themen ab. Zum einen beschreibt er das Leben der ersten Gastarbeiter in Deutschland aus Sicht einer Gruppe junger Leute, die noch nicht volljährig, schon als Saisonkräfte in der Eisdiele einer Familie arbeiten, etwas, was damals gar nicht einmal so selten war. Neben den deutschen Gästen gibt es natürlich auch noch die anderen Italiener, die bei Kaffee und Eis ein Stück Heimat genießen.

Luca ist zudem auch noch ein ganz besonderer Fall. Er weiß zwar schon eine ganze Weile, dass er anders ist, aber in diesem Sommer wird ihm das erst deutlich bewusst. Denn ausgerechnet Hans, den die anderen als „bel biondo“ kennen, geht ihm nicht mehr aus dem Sinn. Während sich die Beziehung zwischen den beiden langsam und vorsichtig entwickelt, bekommen sie aber auch immer wieder zu spüren, das Homosexualität, schon in ersten Andeutungen, nicht gerne gesehen ist.

Die Geschichte bleibt dabei ganz bei Luca, der lernen muss, zu sich selbst zu stehen und seine wahren Neigungen zu erkennen, seinen Begegnungen mit den Menschen, die seine Probleme kennen wie auch denen, die ihn spüren lassen, was sie davon halten. Und so ist die Entscheidung, die er am Ende trifft auch passend. Letztendlich bleibt Einiges offen, was aber durchaus zu den Figuren passt. Denn gerade Ende der 50er Jahre haben es Männer, die einander lieben nicht leicht. Und bei einem so jungen Mann wie Luca ist es verständlich, dass er von den Konsequenzen zurückschreckt. Aber das letzte Kapitel gibt Hoffnung. Die Gefühle und Gedanken des Jungen sind jedenfalls von der ersten bis zur letzten Seite sehr authentisch und glaubwürdig geschildert.

Das macht „Ein verregneter Sommer“ nicht nur zu einer berührenden Liebesgeschichte zwischen zwei Jungen, sondern auch zu einem spannenden Blick in die Gesellschaft der ausgehenden 50er Jahre, in denen noch so Vieles anders war als heute.