Deathlands 34: Stoneface, James Axler (Buch)

Deathlands 34
Stoneface
James Axler
Titelbild: Michael Herring
Gold Eagle Books, 1996, Taschenbuch, 352 Seiten

Rezension von Patrick J. Grieser

Gold Eagle Books wird den wenigsten deutschen Lesern ein Begriff sein. Weitaus populärer war das kanadische Verlagshaus in Übersee, wo es laut „Los Angeles Times“ im Jahre 1987 sagenhafte 500.000.000 Bücher alleine durch die Vermarktung von 5(!) Serien verkaufen konnte. Gold Eagle Books definierte mit Männer-Romanen wie die Mack-Boland-Reihe das Action Adventure neu. Und der Verlag mit den Wurzeln in Toronto war auch für eine der größten und erfolgreichsten Endzeit-Serien verantwortlich, die unter dem Titel „Deathlands“ erschienen sind. 125 Romane sind bis 2015 im Verlagshaus publiziert worden, ehe Gold Eagle Books überraschend seine Pforten geschlossen hat. Die Spin-off-Serie „Outlanders“ brachte es auf stolze 75 Bände und spielt viele Jahre nach den Ereignissen in den Deathlands. Publiziert wurden die Romane allesamt unter dem Autorenlabel James Axler, das maßgeblich von dem leider viel zu früh verstorbenen und von mir sehr geschätzten Laurence James geprägt wurde. James steuerte 35 Romane zur Serie bei, er war der Kopf, der über viele Bände hinweg die Geschichte und Charaktere maßgeblich prägte.

Im deutschsprachigen Raum führen Endzeit-Romane immer noch ein eher stiefmütterliches Dasein. In den Kopf drängt sich da zunächst die „Maddrax“-Serie von Bastei oder die damals von Alfred Wallon und Marten Munsonius konzipierte „Corrigan“-Serie, die mit Elementen aus den Deathlands spielt. Nach Deutschland haben es James Axler und die Deathlands beziehungsweise Outlanders-Serien nie geschafft. Und doch waren sie echte Pionier-Arbeit was das Endzeit-Genre betrifft.

1986 ist mit „Pilgrimage to Hell“ der erste Band der Reihe erschienen, eine Kooperation zwischen Laurence James und Christopher Lowder, der krankheitsbedingt den ersten Band nie vollenden konnte, sodass James übernehmen musste. Lowder hat die Früchte seiner Arbeit nie bewundern können, starb er doch kurz vor der Veröffentlichung des Buchs. Lange Zeit bevor „Wasteland“ oder „Fallout“ für den Heimcomputer erschienen sind, erblickte „Deathlands“ das Licht der Welt und es stellte einen Meilenstein des literarischen Endzeit-Genres dar. Die Hintergrundgeschichte klingt relativ simpel und weckt Erinnerungen an die wohlbekannten Groschenheftromane am Kiosk.

Im Jahr 2001 kommt es zwischen den USA und der Sowjetunion zu einem apokalyptischen Krieg, der das Antlitz der Welt für immer verändert. Nach dem nuklearen Feuersturm und einem Zeitalter, das a posteriori als „Skydark“ bezeichnet wird, erwachen die Deathlands zu neuem Leben. Die Deathlands sind eine brutale Welt, in der die Menschen ihren moralischen Kompass verloren haben. Regeln und Gesetze gibt es de facto nicht mehr und ähnlich wie in „The Day After“ oder den ersten beiden „Fallout“-Spielen von Interplay wird der Eindruck erweckt, dass sich die Menschen von dem nuklearen Schrecken nie mehr erholen und ein hochgradig technologisiertes Zeitalter erreichen werden. Sogenannte Barons kontrollieren einzelne Ländereien in der amerikanischen Einöde und versuchen den Leuten ihren Willen aufzudrücken. Auch hier zeigt sich, dass die Anführer dieser Gruppierungen einzig und alleine dem Grawe'schem Prinzip des Lustgewinns folgen, wobei die Triebbefriedigung zum großen Teil aus Folter, Vergewaltigung und Ermordung unschuldiger Menschen gewonnen wird. Ja, „Deathlands“ ist brutal und kompromisslos. Moralität existiert de facto nicht. Es wird gemordet, vergewaltigt, selbst vor der Tötung von Kindern wird nicht halt gemacht. Dies mag wohl auch einer der Gründe sein, warum es die Serie aus Übersee nie in deutsche Gefilde geschafft hat. Zu groß waren vermutlich in den 80er und 90er Jahren die Bedenken, dass die Werke der Zensur zum Opfer fallen könnten. Und doch hat Laurence James etwas geschaffen, das durchaus authentisch und plausibel ist, denn eine Gesellschaft, die ihren moralischen Prinzipien verloren hat, wird sich leider anders entwickeln als das dem heutigen rational-denkenden Menschen lieb ist. Die Protagonisten der Serie sind die einzigen Repräsentanten, die ansatzweise so etwas wie Regeln und Normen (zum Beispiel der Zusammenhalt der Gruppe, der auch demokratische Entscheidungen erlaubt) besitzen. Und auch die Romanhelden handeln stellenweise brutal und rücksichtslos, sodass der sensible Leser schlucken muss.

Laurence James‘ Stärke hat in seinen Figuren und der Beschreibung der einzelnen Szenen gelegen. Er schafft es, Bilder im Kopf entstehen zu lassen, die Charaktere werden lebendig und nach einer gewissen Zeit kann man sogar deren Verhaltensmuster antizipieren. Die Beschreibung der Deathlands weckt eine äußerst depressive Note im eigenen Gemüt, etwas was der eine oder andere PC-Spieler vielleicht von den ersten „Fallout“-Spielen kennt, wenn man das Ödland durchstreift. Eigentlich will man die Bücher zur Seite legen - gerade jetzt im Geschehen des Ukraine-Konflikts, der Endzeit-Ängste von Neuem entfacht - und doch ist es eine gewisse morbide Neugierde, die einen weiterlesen lässt. Dabei ist nicht alles düster in den Werken von Axler. Die Protagonisten haben durchaus Wesenszüge an sich, die einen hin und wieder schmunzeln lassen, wenn zum Beispiel der verwirrte Doc Tanner mal wieder dissoziiert oder der Trader sich von irgendeinem Fremden narzisstisch gekränkt fühlt und diesen über den Haufen ballern will - was gerade noch so von den anderen Gruppenmitgliedern verhindert werden kann.

Und auch die Antagonisten kommen dank James‘ sehr plastischem Schreibstil glaubhaft herüber. Sie wecken ähnlich wie die Bösewichter aus der Gemmell'schen Sagenwelt tiefe Aggressionen im Leser, und es ist im Nachgang sehr befriedigend wenn die Unmenschen das Zeitliche segnen. Es sind Menschen, die sich schonungslos an dem Leid anderer ergötzen, etwa Cort Strasser, der behinderten Kindern mit einem Baseball-Schläger den Schädel einschlägt oder der russische Kommandant Zimyanin, den es über ein von prä-apokalyptischen Wissenschaftlern entwickeltes Teleportersystem in die Deathlands verschlagen hat.

Band 33, „Eclipse at Noon“, ist Laurence James vorletzter Roman in der Serie. Krankheitsbedingt musste James wie damals sein Autorenkollege Lowder ausscheiden. Es folgte später mit „Crucible of Time“ noch ein letzter Roman bevor Laurence James verstarb. Mit dem vorliegendem 34.Band übernimmt mit Mark Ellis erstmalig ein neuer Autor die Feder von James Axler. Mark Ellis ist dabei kein Unbekannter, gilt er doch als Vater und Mastermind hinter der „Deathlands“-Spin-off-Serie „Outlanders“.

Schon auf den ersten Seiten merkt man dem Roman an, dass ein neuer Autor die Bühne betritt. Der Schreibstil ist im Vergleich zu Laurence James anders. Nicht schlecht, auch nicht mittelmäßig... anders eben. Während fast jeder der Romane von James mit dem Erwachen der Protagonisten in einem sogenannten Redoubt (ein Teleportersystem, das im Rahmen des Project Cerberus und dem darüberstehenden Totality Concept entwickelt wurde) beginnt und erst einmal alle anwesenden Protagonisten ausführlich beschrieben werden, geht es bei Ellis gleich zur Sache. Er verzichtet auf die anfänglichen repetitiven Beschreibungen von Laurence James und bemüht sich um einen zügigen Story-Aufbau (man muss aber in diesem Zusammenhang James zugute halten, dass die originäre Schilderung der Charaktere wirklich klasse ist, wenn man lange Zeit keinen „Deathlands“-Band mehr in den Händen gehalten hat und wieder in den Serien-Kosmos einsteigen möchte - so gelingt der Einstieg bei der Menge an Figuren wirklich hervorragend).

Die Dialoge zwischen den Charakteren klingen ebenfalls anders, ich habe oftmals innegehalten und überlegt, ob die Protagonisten, die man über 33 Bände hinweg liebgewonnen hat, wirklich so kommunizieren würden - ein weiteres Indiz dafür wie gut Laurence James darin war, lebhafte und dreidimensionale Figuren zu entwickeln. Doch man hat sich schnell in den Band eingelesen, auch wenn er einen harten Bruch darstellt. Es fällt auf, dass Ellis sehr stark auf die Beschreibungen von Waffen verzichtet. Wenn man die ersten Bände von „Deathlands“ liest, muss man zwangsläufig den Eindruck gewinnen, dass Laurence James ein passionierter Waffen-Narr gewesen ist, der vermutlich das eine oder andere Mitglied der amerikanischen NRA mit seinen Beschreibungen in blinde Ekstase gebracht hätte. Die Waffen und die dazugehörige Munition der einzelnen Figuren wurden bei Laurence James fast seitenweise beschrieben – etwas, das mir bei James nie gefallen hat und hin wieder zu einem Augenrollen geführt hat, etwa wenn ein neuer Charakter eingeführt und erst einmal das Waffen-Arsenal minutiös beschrieben wurde.

Man gewöhnt sich schnell an den Schreibstil von Ellis, und irgendwann ist es kein Problem mehr den Roman zu verschlingen. Eine Sehnsucht nach Laurence James bleibt besteht, es ist aber nicht der absolute Super-GAU, dass andere Autoren, die Serie fortführen.

Mark Ellis versteht es ähnlich wie sein Vorgänger eine bizarre Story um krankhafte Figuren aufzubauen. Ryan, der Protagonist der Serie, ein Söldner, der mit einer Gruppe von bunt zusammengewürfelten Charakteren die Deathlands durchstreift, verschlägt es diesmal in das frühere South Dakota, wo am Fuße des Mount Rushmores der telepathisch begabte Lars Hellstrom eine religiöse Kommune geschaffen hat, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den amerikanischen Massenmörder Charles Manson als neuen Messias zu verehren. Während am Anfang des Buchs noch Verwunderung herrscht, wie Hellstrom zu einem so mächtigen Anführer in den Deathlands hat aufsteigen können, erfährt der Leser später, dass das Mount Rushmore National Memorial mit seinen monumentalen Präsidialköpfen eine wichtige Rolle spielt (daher der Titel „Stoneface“), denn in dem 1941 fertiggestellten Denkmal haben sich die ehemaligen Führungskräfte des Landes zu cyborgartigen Wesen umbauen lassen, um den nuklearen Winter zu überstehen und irgendwann wieder die Führung zu übernehmen und ein neues Zeitalter einzuläuten.

Die Geschichte von Ellis macht Spaß, ist herrlich bizarr und macht Lust auf die nächsten Bände. Mit Lars Hellstrom wurde ein neuer Antagonist eingeführt, der in seinem Outfit ein wenig Erinnerungen an Klaus Kinski in „Fitzcarraldo“ weckt. Auch wenn in diesem Roman Menschen gequält und gefoltert werden, hat Ellis die Brutalität der früheren Romane auf ein zumindest wohlwollendes Maß zurückgefahren. Es lässt sich festhalten, dass Mark Ellis ein schweres Erbe angetreten, diese Aufgabe jedoch hervorragend gemeistert hat.

Mit Band 35, „Bitter Fruit“, wird dieses Erbe von Mel Odom fortgeführt. Odom hat vor vielen Jahren eine wirklich grottige Roman-Adaption zum ersten „Baldur’s Gate“ -Computerspiel abgeliefert, das viele „Forgotten Realms“-Leser erzürnt hat. Das bereitet mir noch ein wenig Kopfzerbrechen, aber in der „Deathlands“-Community scheint Mel Odom gebührend gefeiert zu werden. Das macht Hoffnung. Laurence James wird in meinem Leserherz vermisst werden, es ist aber keine tiefe Trauer, sondern eher eine tiefe Sehnsucht...